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Es war, als würde er in eine Trance verfallen; die Welt um ihn herum schrumpfte zusammen, und er verlor jegliches Gefühl für die Zeit, während er seine Klinge in Fleisch stieß oder Angriffe abwehrte. Er zählte nicht mit, wie vielen Rotläufern er ein Ende bereitete, wie oft er zuschlug, um zu verhindern, dass diese Monster je wieder einem anderen Orc antun würden, was sie einem Frostwolf angetan hatten. Schließlich verlangsamte er seine Bewegungen, sein Körper glänzte vor Schweiß und Blut – teilweise seinem eigenen –, und er blickte sich blinzelnd auf der leichenübersäten Lichtung um. Bei den meisten Toten handelte es sich um die Kadaver der grässlichen, fliegenbedeckten Rotläufer, aber dann entdeckte er Draka, die über dem reglosen Körper von Gurlak kniete.

„Es waren drei von ihnen nötig, um ihn zu besiegen“, sagte sie nur. „Und er hat sie alle drei mit in den Tod genommen.“

Durotan schnürte sich die Kehle zu, und er nickte wortlos. Gurlak, der so gerne die Lok’vadnods des Klans gesungen hatte, war hoffentlich in dem Wissen gestorben, dass er sich durch seine ruhmreichen Taten ein eigenes Lied verdient hatte. Melakk und Kruglar waren bereits dabei, die Seile zu durchschneiden, mit denen die anderen Frostwölfe gefesselt waren. Durotan brauchte noch einen Moment, um den Kampfrausch völlig abzustreifen, aber dann erkannte er, dass es sich bei den Gefangenen nur um Erwachsene handelte, und ein eisiger Schauder durchzuckte ihn.

„Die Kinder!“, rief er, während er zu den Befreiten hinübereilte. Er achtete nicht darauf, dass er dabei auf die Leichen der Rotläufer trat; sie waren keine Orcs, nur verrückte, verzerrte Monster, die im Tod noch weniger Respekt verdienten als im Leben. „Was ist passiert? Wo sind sie?“ Er packte Grukag am Kragen seiner Tunika.

„Sie sind geflohen!“, stieß der Frostwolf hervor, seine Stimme ein halbes Schluchzen. Verzweiflung und Fassungslosigkeit spiegelten sich auf seinem Gesicht wider, ebenso wie auf den Zügen der anderen, aber Durotan hatte keine Zeit für Mitgefühl. „Als wir angegriffen wurden … sind sie davongerannt und tiefer in den Wald geflohen.“

„Einige der Rotläufer haben sie verfolgt“, fügte Kagra hinzu. „Aber sie kamen mit leeren Händen zurück. Die Kinder müssen ihnen entwischt sein.“

„Wann war das?“, schnappte Durotan. Es fiel ihm noch immer schwer, seine Wut auf sie zu beherrschen. Nur, weil sie die törichte Entscheidung getroffen hatten, sich davonzuschleichen, waren Gurlak und Nokrar jetzt tot, und die Kinder …

„Vor einem halben Tag“, antwortete Grukag mit trauriger Stimme. Er wusste, was das bedeutete. Für drei Kinder, von denen zwei noch sehr jung waren, steckte der Wald voller Gefahren. Wilde Wölfe griffen nur selten erwachsene Orcs an, aber ihr Nachwuchs würde ihnen als leichte Beute erscheinen. Auch zeigten sich im Frühling Insekten, deren Biss tödlich war, und die Giftschlangen, die nach dem Winter noch zu träge waren, um vor nahenden Kinderschritten davonzugleiten, würden zuschnappen, anstatt zu flüchten.

Zu allem Überfluss nahte bereits die Nacht.

„Beeilung“, befahl Durotan. „Wir müssen versuchen, sie zu finden.“ Er konnte nur hoffen, dass die Geister sie zu den zweifelsohne verängstigten Kindern führen würden.

Doch die Geister waren an diesem Tag nicht gütig, und nach sechs Stunden ergebnisloser Suche war die Gruppe in dunkler und bitterkalter Nacht gezwungen, die Suche aufzugeben. Die Rotläufer hatten den gefangenen Frostwölfen den Großteil ihrer Kleidung abgenommen und ihnen weder zu essen noch zu trinken gegeben; sie waren in erbärmlichem Zustand. Zudem war die Dunkelheit so erdrückend, dass sie geradewegs an den Kindern vorbeimarschiert wären, selbst, wenn sie nur ein paar Schritte entfernt bewusstlos im Schnee gelegen hätten.

Kagra begann, leise zu weinen, und Draka legte einen Arm um sie. Durotan hingegen musste an sich halten, um sie und die anderen nicht anzubrüllen. Doch er wusste, dass sie bereits genug litten.

„Frostwolfkinder sind stark und klug“, sagte Draka zuversichtlich. „Außerdem ist Shaksa bei ihnen. Sie ist genauso alt wie ich damals, als ich ins Exil geschickt wurde. Und ich habe überlebt. Wir werden morgen früh mit dem ganzen Klan zurückkehren und nach ihnen suchen.“ Sie blickte Durotan an. „Das werden wir doch, oder, mein Herz?“

„Das werden wir“, versprach er, dann schloss er rasch wieder den Mund, bevor noch andere Worte über seine Lippen kommen mochten.

Der Ritt zurück war lange, frostig und schweigsam. Durotan konnte sich nicht erinnern, dass sein Herz je so schwer geschlagen hatte – nicht einmal, als Garad vor seinen Augen ermordet worden war. Draka ritt an seiner Seite, während er seinen düsteren Gedanken nachhing und versuchte, den Dingen einen Sinn zu geben, die er heute gesehen hatte.

Doch es gelang ihm nicht. Sie hatten es hier nicht mit einem Orc-Klan zu tun, sondern mit Ausgeburten des Wahnsinns. Plötzlich war er froh, dass sein Vater tot war; so musste er zumindest nicht diese beispiellose Verdorbenheit mitansehen, wie Durotan sie noch nie erlebt hatte. Was im Namen der Geister waren diese Rotläufer? Konnte man sie überhaupt noch Orcs nennen? Es war nicht unüblich, dass ein Orc einen anderen tötete; auch, dass er die Leiche des Besiegten respektlos behandelte, kam hin und wieder vor, auch wenn es deutlich seltener geschah.

Doch die Toten zu essen …

„Durotan!“ Orgrims Stimme riss den Häuptling aus seinen finsteren Überlegungen. Sein Stellvertreter war ihnen von der Zuflucht entgegengeritten. „Du hast sie gefunden!“

„Nicht alle“, erklärte Durotan schweren Herzens. „Wir haben Nokrar und Gurlak verloren. Und die Kinder … waren bereits fortgerannt, als wir sie erreichten.“

Ein Schatten legte sich auf Orgrims Züge, als er von Nokrar und Gurlak hörte, aber als Durotan die Kinder erwähnte, hellte sich sein Gesicht aus irgendeinem Grund wieder auf. „Ja“, sagte er. „Ich weiß.“

„Mama!“, erklang ein freudiger Schrei.

„Nizka! Shaksa, Kelgur …“

Durotan riss überrascht die Augen auf, als die drei vermissten Kinder auf einem Wolf vom Lager herbeiritten. Die beiden jüngsten warfen sich ihrer Mutter direkt vom Rücken des Tieres entgegen, in der furchtlosen Gewissheit, dass sie sie in liebevoller Umarmung auffangen würde. Shaksa kletterte etwas besonnener von dem Wolf, bevor auch sie zu Kagra rannte. Durotan spürte stechende Trauer, als er das Mädchen fragen hörte: „Aber … wo ist Papa?“ Er sah, wie Kagras Gesicht sich verzerrte.

Geyah erwartete sie am Rand des Feuerscheins. „Ich bin so froh, dass du zurückgekehrt bist, mein Sohn“ sagte sie. „Ich war nicht sicher, was ich von unseren Besuchern halten soll.“

Durotans Verwirrung wuchs nur noch weiter. „Besucher?“ Warum nannte sie die wiedergefundenen Kinder „Besucher“?

„Eine solche Situation wird in keiner der alten Schriften erwähnt“, fuhr Geyah fort. „Drek’Thar meinte, dass sie von den Geistern geschickt wurden, und da sie uns die Kinder zurückbrachten, habe ich sie willkommen geheißen.“

Durotan hatte es nicht für möglich gehalten, dass dieser Tag noch mehr Überraschungen bereithalten könnte, doch es sah aus, als habe er sich geirrt. Er blickte an seiner Mutter vorbei zu den drei Gestalten, auf die sie gedeutet hatte.

Sie erhoben sich auf Beinen, die nach hinten abgeknickt waren wie die eines Talbuk, und nachdem sie sich aufgerichtet hatten, überragten sie selbst den größten Orc. Der Schein des Feuers schimmerte auf ihren Hörnern und erhellte blaue Gesichter mit glühenden, himmelfarbenen Augen.

Ein scheues, freundliches Lächeln lag auf ihren Zügen.

„Draenei“, hauchte Durotan.

20

Bislang hatte Durotan nur einmal einen flüchtigen Blick auf einen Draenei erhascht. Er wusste, dass sie groß und blau und friedlich waren, mit mächtigen Hörnern und Hufen. Doch er hätte nicht damit gerechnet, dass sie so einschüchternd und bedrohlich wirkten, selbst wenn sie in einem Lager voller Orcs standen und auf ihn herablächelten. Die männlichen Draenei wirkten mindestens ebenso stark und imposant wie der stärkste Orc, und sogar ihre Frauen waren muskulös und einen halben Kopf größer als Durotan selbst.