In den frühen Neunzigern bestand meine vordringlichste Aufgabe darin, von meiner Ehe loszukommen. Das Eheversprechen zu brechen und die Gefühlsbande der Loyalität zu zerreißen fällt wohl niemandem jemals leicht, und in meinem Fall war es insofern besonders kompliziert, als ich jemanden geheiratet hatte, der ebenfalls schrieb. Ich war mir vage bewusst, dass wir zu jung und unerfahren waren, um uns lebenslange Monogamie zu schwören, aber mein literarischer Ehrgeiz und mein romantischer Idealismus trugen den Sieg davon. Wir heirateten im Herbst 1982, ich war gerade dreiundzwanzig geworden, und wir machten uns daran, als Team literarische Meisterwerke zu schaffen. Unser Plan war, ein Leben lang Seite an Seite zu arbeiten. Ein Plan B schien nicht notwendig, denn meine Frau war eine talentierte und weltgewandte New Yorkerin, die dazu bestimmt schien, Erfolg zu haben, und zwar wahrscheinlich lange vor mir, und ich wusste, dass ich für mich selber immer würde sorgen können. Und so schrieben wir beide Romane und waren beide überrascht und enttäuscht, als meine Frau ihren nicht verkaufen konnte. Als ich dann meinen verkaufte, im Herbst 1987, war ich gleichzeitig elektrisiert und sehr, sehr schuldbewusst.
Es blieb uns nichts anderes übrig als wegzulaufen, in diverse Städte und Metropolen auf zwei Kontinenten. Irgendwie gelang es mir trotz all des Weglaufens, einen zweiten Roman zu schreiben und zu veröffentlichen. Die Tatsache, dass ich ein klein wenig Erfolg hatte, während meine Frau noch mit ihrem zweiten Roman kämpfte, schrieb ich der allgemeinen Ungerechtigkeit und Unfairness der Welt zu. Schließlich waren wir ein Team — wir gegen die Welt — , und meine Aufgabe als Ehemann bestand darin, an meine Frau zu glauben. Und so war ich, statt mich an meinen eigenen Erfolgen zu freuen, bitterböse auf die Welt. Mein zweiter Roman, Schweres Beben, war der Versuch zu schildern, wie es sich anfühlte, so zu zweit in dieser bitteren Welt zu leben. Wenn ich zurückschaue, kann ich, obwohl ich immer noch stolz auf diesen Roman bin, erkennen, wie sein Ende von meinem ehelichen Wunschdenken deformiert wurde: von meiner Loyalität. Und dass meine Frau es nicht genauso sah, verschlimmerte meine Schuldgefühle nur. Unvergesslich, wie sie einmal behauptete, ich hätte ihre Seele bestohlen, um ihn zu schreiben. Außerdem wollte sie nicht ganz grundlos von mir wissen, warum meine weiblichen Figuren eigentlich ständig umgebracht oder durch Schusswaffen schwer verletzt würden.
Das Jahr 1993 war das schlimmste meines Lebens. Mein Vater lag im Sterben, meiner Frau und mir war das Geld ausgegangen, und beide wurden wir immer deprimierter. In der Hoffnung auf ein bisschen leichtverdientes Geld schrieb ich ein Drehbuch über ein junges, uns beiden sehr ähnliches Paar, das sich gemeinsam auf Einbrüche verlegt, sich beinahe in Affären stürzt, am Ende aber im Triumph ewiger Liebe glückselig vereint ist. An diesem Punkt konnte sogar ich erkennen, dass meine Arbeit von meiner ehelichen Treue deformiert wurde. Doch das hinderte mich nicht daran, einen neuen Roman zu entwerfen, Die Korrekturen, in dem ein junger Mann aus dem Mittleren Westen für zwanzig Jahre ins Gefängnis kommt — für einen Mord, den seine Frau begangen hat.
Zum Glück griff, bevor meine Frau und ich uns oder jemand anderen umbrachten, die Wirklichkeit ein. Diese Wirklichkeit hatte unterschiedliche Gesichter. Eines davon war unser nicht länger zu leugnendes Unvermögen zusammenzuleben. Ein anderes war eine Handvoll enger literarischer Freundschaften, die ich schließlich außerhalb meiner Ehe geschlossen hatte. Ein drittes, das wichtigste von allen, war, dass wir dringend Geld brauchten. Da Hollywood an einem Drehbuch, das nach persönlichen Problemen stank (und eine fatale Ähnlichkeit mit Das Geld liegt auf der Straße aufwies), offenbar nicht interessiert war, sah ich mich gezwungen, journalistisch zu arbeiten, und es dauerte nicht lange, bis mich die New York Times mit einem Artikel über den prekären Zustand der amerikanischen Literatur beauftragte. Während ich dafür recherchierte, lernte ich einige meiner alten Helden kennen, darunter Don DeLillo, und mir wurde bewusst, dass ich nicht nur zum Zweier-Team, bestehend aus mir und meiner Frau, gehörte, sondern zu einer viel größeren und immer noch lebendigen Gemeinschaft von Lesern und Schriftstellern. Der ich, das war meine entscheidende Erkenntnis, ebenfalls verpflichtet war und Treue schuldete.
Sobald das hermetische Siegel auf meiner Ehe erst gebrochen war, fiel alles schnell auseinander. Ende 1994 hatten wir beide unsere eigenen Apartments in New York und führten endlich das Single-Leben, das wir wahrscheinlich in unseren Zwanzigern hätten führen sollen. Das hätte Spaß machen und befreiend wirken sollen, aber ich hatte immer noch schauerliche Schuldgefühle. Loyalität, insbesondere der Familie gegenüber, ist für mich ein grundlegender Wert. Treue bis zum Tod hat meinem Leben schon immer Sinn verliehen. Ich vermute, dass Menschen, die weniger von Loyalitätsgefühlen belastet sind, das Schreiben leichter fällt, andererseits haben alle ernstzunehmenden Schriftsteller zu einer bestimmten Zeit in ihrem Leben mehr oder minder mit den widerstreitenden Bedürfnissen von guter Kunst und gutem Betragen gerungen. Solange ich verheiratet gewesen war, hatte ich diesen Konflikt zu meiden gesucht, indem ich technisch antiautobiographisch blieb und Plots konstruierte, die sich zwanghaft mit intellektuellen und sozialen Fragen beschäftigten — in meinen ersten beiden Romanen findet sich keine einzige nach dem Leben gezeichnete Szene.
Als ich Mitte der Neunziger zu den Korrekturen zurückkehrte, arbeitete ich nach wie vor mit einem absurd verkomplizierten Plot, den ich entwickelt hatte, als ich noch versuchte, innerhalb der sicheren Grenzen ehelicher Loyalität zu arbeiten. Ich hatte viele Gründe, einen großen Gesellschaftsroman schreiben zu wollen, der wichtigste aber war vermutlich mein Wunsch, ganz Intellekt, ganz weltliche Expertise zu sein, um die schmutzige Angelegenheit meines Privatlebens zu meiden. Ich hielt noch ein oder zwei Jahre fest am Versuch, diesen großen Gesellschaftsroman zu schreiben, aber schließlich machte der kaum noch zu leugnende falsche Ton offensichtlich, dass ich ein anderer Schriftsteller werden musste, um einen anderen Roman schreiben zu können. Mit anderen Worten, ich musste ein anderer Mensch werden.
Zuerst dran glauben musste die Hauptfigur des Romans. Ein Mann Mitte dreißig namens Andy Aberant. Er hatte von Anfang an, als ich mir vorgestellt hatte, dass er für einen Mord, den seine Frau begangen hatte, im Gefängnis saß, zum Inventar des Romans gehört, hatte seitdem zahllose Metamorphosen durchlaufen und war schließlich als Anwalt der US-Regierung geendet, der gegen Insidergeschäfte mit Aktien ermittelt. Ich hatte in der dritten Person über ihn geschrieben und dann, umfänglich und völlig erfolglos, in der ersten. Dabei hatte ich mir öfter mal längere und vergnügliche Ferien von Andy Aberant gegönnt, um über zwei andere Figuren zu schreiben, Enid und Alfred Lambert, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren und einige Ähnlichkeit mit meinen Eltern hatten. Die Kapitel über sie waren schnell und — im Vergleich mit meinen qualvollen Versuchen, über Andy Aberant zu schreiben — mühelos aus mir herausgeflossen. Da Andy nicht der Sohn der Lamberts war und aus komplizierten Plot-Gründen nicht ihr Sohn sein konnte, war ich nun damit beschäftigt, noch kompliziertere Wege zu erfinden, um seine Geschichte mit ihrer zu verknüpfen.