»Auweia, das klingt furchtbar! Ich dachte bisher immer, Liebeskummer sei so eine menschliche Erfindung, die es im Grunde genommen gar nicht gibt. Scheint ja doch was dran zu sein.«
Ich drehe mich auf die Seite, weil mir das Atmen dann leichter fällt.
»Hattest du denn noch nie Liebeskummer?«
Beck schüttelt den Kopf.
»Nein. Offensichtlich nicht. Jedenfalls nicht so. Sicher, die ein oder andere Katze hat mir schon gut gefallen. Und da hat sich hin und wieder auch etwas ergeben. Aber dass es mir deshalb in irgendeiner Form das Herz zusammengedrückt hätte – nein, so war es bei mir nie.«
Ich seufze.
»Sei froh. Schon allein der Gedanke, dass sie mit diesem Alec of Greensbury Hills … also, nein!«
»Kleiner, du solltest dich mit diesen Phantasien nicht quälen. Sondern dich lieber darüber freuen, dass du nicht so einen beknackten Namen hast. Und dass du wahrscheinlich Cheries bester Freund bist.«
»Aber ich will nicht ihr Freund sein! Ich will, dass sie mich liebt! Ich komme mir jetzt vor wie Daniel. Der ist auch Carolins bester Freund, aber wäre bestimmt lieber ihr Mann. Oder zumindest: wäre früher lieber ihr Mann gewesen.«
»Da siehst du doch schon den Unterschied, Herkules: Oft ist der Freund derjenige, den eine Frau ewig behält. Während die Liebe kommt und oft auch wieder geht. Jedenfalls wird Daniel auch noch Caros Freund sein, falls sie sich mal von Marc trennen sollte. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, hat sich Daniel längst von seinem Kummer erholt, hat sich mit Aurora getröstet und flirtet mittlerweile sogar mit Cheries Frauchen. Du siehst: Es gibt ein Leben nach der großen Liebe. Und es ist kein schlechtes.«
Ja. Ich weiß. Das ist alles gut gemeint und bestimmt auch wahr. Aber es tröstet mich nicht. Jedenfalls nicht jetzt. Und so, wie sich mein Herz im Augenblick anfühlt, auch in Zukunft nicht. Es zieht vom Herzen direkt runter in den Magen, ein nagendes, brennendes Gefühl.
»Herkules, komm rein! Es gibt lecker Fresschen – ich habe sogar für dich gekocht!«
Carolin ist auf die Terrasse gekommen – oder sollte ich besser sagen: gerollt? Umgeben ist sie von einer sehr aromatischen Duftwolke, Pansen und Leber – lecker! Der Druck auf meinen Magen nimmt zu. Vielleicht ist ein Teil des Liebeskummers auch schlicht Hunger? Verwunderlich wäre es nicht, schließlich habe ich seit der schlimmen Nachricht von Cheries Rendezvous mit diesem aufgeblasenen Ausstellungscasanova kaum noch etwas gefressen. Was aber außer Luisa bis eben niemandem aufgefallen ist. Im Gegenteiclass="underline" Statt als gewissenhafter Tierarzt mal etwas genauer auf mein Seelenheil zu achten, beschäftigt sich Marc seit seinem Gespräch mit Luisa nur noch mit der Frage, ob es für sie schlimm ist, wenn das Baby kommt. Selbst Caro hat er damit schon ganz wild gemacht. Typisch Mensch! Daran kann man doch jetzt sowieso nichts mehr ändern. Das Baby kommt, ob es uns nun gefällt oder nicht. Oder will Marc das Baby irgendwo abgeben? Geht das mit menschlichem Nachwuchs überhaupt? Also, so wie bei mir: ab in den Karton und ins Heim? Eine interessante Frage. Ich werde sie mit Beck diskutieren.
Später allerdings. Denn jetzt muss ich schnell in die Küche. Nicht, dass Caro mein Fressen noch in den Kühlschrank verfrachtet. Ich folge dem tollen Geruch Richtung Napf und falle dabei fast über Daniel, der zur gleichen Zeit von draußen hereinkommt und – wie bei Zweibeinern leider üblich – keinen Moment darüber nachdenkt, was sich im Fußraum direkt vor ihm abspielt.
»Hoppla, Herkules, dich habe ich gar nicht gesehen! Du hast es ja ziemlich eilig!«
Carolin lacht.
»Genau. Ein Dackel mit einer Mission. Und zwar Mission Essensaufnahme. Ich habe extra für ihn gekocht.«
»Holla – hast du es gut, Kleiner. Sind das schon die mütterlichen Triebe, Frau Kollegin? Und falls ja: Gibt’s für mich auch etwas Leckeres?«
Wie Caro auf diese Frage reagiert, bekomme ich schon nicht mehr mit, denn in diesem Moment tauche ich die Schnauze endlich in meinen Fressnapf. Göttlich! Er ist mehr als randvoll gefüllt mit Köstlichkeiten. Leber ist neben Herz eindeutig mein Favorit, leider kocht Caro sehr selten frisches Hundefutter. Meist gibt es etwas aus der Dose. So etwas hätte sich natürlich niemals in die Küche von Schloss Eschersbach verirrt. Oder nur im äußersten Notfall. Emilia, unsere Köchin, war bei der Zubereitung des Hundefutters genauso gewissenhaft wie beim Essen für die Herrschaften – wenn nicht sogar gewissenhafter. Aber diese Mahlzeit hier ist auch köstlich!
Als der Name Cherie fällt, taucht mein Kopf trotzdem ruckartig aus der Schüssel hoch. Was erzählt Daniel da? Ich trabe in Richtung Flur und bleibe im Türrahmen der Küche sitzen.
»Na ja, und jetzt wohnt sie mit Cherie in einem kleinen WG-Zimmer bei einer Freundin, und das ist natürlich viel zu eng.«
Daniel will Carolin von irgendetwas überzeugen, jedenfalls hat seine Stimme einen ganz eindringlichen Tonfall. Seltsam, so habe ich ihn noch nie gehört.
»Also, ich verstehe immer noch nicht ganz, was ich damit zu tun habe.« Carolin wiederum klingt noch nicht besonders überzeugt. Daniel muss offenbar noch eine Schippe drauflegen. Worauf auch immer.
»Na ja, ich dachte, wo wir unser Zimmer neben der Küche doch nie nutzen und du demnächst sowieso eine Zeitlang nicht da bist, da könnten wir …«
»Da könnten wir was?«, unterbricht Caro ihn ungeduldig.
»Claudia das Zimmer vermieten.«
»Bitte was?«
»Ich dachte, wir könnten Claudia das Zimmer vermieten. Es ist groß genug, und Tageslicht hat es auch. Nur, bis sie etwas anderes gefunden hat. Ihr Hund würde uns doch nicht weiter stören, wir haben schließlich Herkules, und die beiden mögen sich.«
Ohne weiter nachzudenken, schieße ich los und springe an Daniel hoch. Und zwar gleich drei-, viermal – ich habe mich selbst nicht mehr im Griff.«
»Guck mal, Caro – einer ist schon ganz begeistert von der Idee!« Daniel beugt sich zu mir, ich höre auf herumzuhopsen und wedele einfach ein bisschen mit dem Schwanz.
»Also, du meinst, wir geben Claudia und ihrem Hund hier Asyl, bis sie eine neue Wohnung hat. Aber wieso sucht sie denn nicht einfach von ihrer WG aus?« Caro scheint noch skeptisch, was ich angesichts des Planes, den ich zwar nicht verstanden habe, aber trotzdem großartig finde, nicht begreifen kann.
»Es ist so: Dieses Zimmer bei ihrer Freundin ist wirklich winzig. Und immerhin bekommt Cherie in den nächsten Tagen Junge, das ist nicht wirklich günstig. Einen Garten gibt es da auch nicht.«
Caro seufzt.
»Auch das noch! Richtig toll passt mir das nicht. Wie soll denn das werden – so ein großer Hund und lauter Welpen?«
»Ich dachte, dafür würdest du als Schwangere besonderes Verständnis haben. Du und Cherie – ihr seid doch fast in der gleichen Situation.«
»Na hör mal! Was meinst du denn damit? Ich bin doch kein Hund!« Täusche ich mich, oder findet Caro den Vergleich mit Cherie nicht so passend? Dabei sind sie beide blond und schön. Ich finde, Daniel hat völlig Recht!
»Ach, komm schon! Es wäre mir wichtig. Und du wirst davon so gut wie nichts mitbekommen. Bis du wieder an Deck bist, hat Claudia längst etwas Neues gefunden. Bitte!« Daniel klingt sehr flehentlich. Es muss ihm wirklich wichtig sein. Toll, dass ihm Cheries Schicksal dermaßen am Herzen liegt!
Carolin atmet tief durch – ich bin gespannt, wie sie sich entscheidet! Allein die Vorstellung, dass Cherie hier eine Weile wohnen könnte, sorgt bei mir für verstärkten Speichelfluss. Gut, sie hat mich gewissermaßen betrogen. Und sie wird ihre Gören mitbringen. Aber vielleicht kommt jetzt meine große Chance? Wenn sie erst mit mir zusammenlebt, erkennt sie bestimmt, was für ein toller Kerl ich bin. Dann wird dieser Alec schnell vergessen sein. Und so anstrengend wird das mit den süßen Kleinen schon nicht werden. Wahrscheinlich bin ich sogar ein spitzenmäßiger Ersatzpapa, gewissermaßen das große Vorbild. Und schon bald wünscht sich Cherie noch mehr Kinder!