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»Bist du sicher, dass wir Willi hier finden?« Bisher ist Herr Beck brav neben mir hergetrabt, aber jetzt klingt er skeptisch.

»Wenn du mir nicht glaubst, hättest du ja zu Hause bleiben können.« Das Letzte, was ich jetzt brauchen kann, ist ein pessimistischer fetter Kater.

»Nee, nee, und dann den ganzen Ärger abkriegen, falls Daniel doch schon eher kommt und dann denkt, ich hätte den Schlauch ramponiert? Auf keinen Fall. Lieber suche ich mit dir Willi. Wie weit ist es denn noch?«

»Gleich da vorne um die Ecke. Bisher war Willi immer da, wenn ich mit Caro vorbeispaziert bin«, versuche ich, Zuversicht zu verströmen und mich damit selbst zu trösten. Willi wird da sein – und dann müssen wir ihn noch dazu bringen, uns zu folgen. Das ist allerdings nicht so kompliziert, wie es jetzt klingt. Willi ist nämlich nicht nur Katastrophenverhinderer, sondern auch Dackelversteher. Als Herr Beck und ich noch versuchten, wildfremde Männer aus dem Park in unseren Garten zu locken, auf dass endlich der Traumprinz für Carolin dabei wäre, war Willi im Grunde genommen der Einzige, der unseren Wink verstanden hat und freiwillig mitgekommen war. Wieso Caro damals trotzdem nicht erkannt hat, dass wir ihr den passenden Mann gewissermaßen auf dem Silbertablett präsentiert haben, verstehe ich bis heute nicht, aber vielleicht hat das auch damit zu tun, dass Willi zu der Zeit eben ein Penner war. Wahrscheinlich hatte Caro Angst, er könnte ihr beim ersten Rendezvous einfach einschlafen. Und das wäre nun wirklich nicht besonders romantisch gewesen.

Endlich taucht der Supermarkt vor uns auf und: Bingo! Willi sitzt tatsächlich davor und hat auf einem kleinen Tisch neben sich einen Verkaufsstand mit Zeitungen aufgebaut. Auch Beck hat ihn gleich gesehen, sofort wird er schneller. Zwei, drei geschmeidige Sätze, dann sitzt er direkt vor Willi. Was für ein Angeber, eben typisch Katze. Aber elegant gemacht, das muss der Neid ihm lassen. Auch typisch Katze, leider! Würde ich nie so hinkriegen, zu kurze Beine! So schnell mich Letztere tragen, wetze ich hinter Beck her und setzte mich neben ihn. Immerhin kommt jetzt wieder einer meiner Fähigkeiten entscheidende Bedeutung zu: richtig traurig gucken, Dackelblick eben.

Willi fährt sich mit der Hand durch sein längeres, welliges Haar und mustert uns erstaunt, was sein runzeliges Gesicht gleich noch mehr in Falten legt.

»Na, so was! Der kleine Herkules und sein Freund, der dicke Kater, besuchen mich! Hallo, ihr beiden! Was habt ihr denn diesmal ausgefressen? Braucht ihr wieder mal Willis Hilfe?«

Wie peinlich – kaum sieht Willi uns, geht er vom Schlimmsten aus, und zwar völlig zu Recht. In diesem Fall ist das aber Gott sein Dank nicht nur peinlich, sondern auch sehr praktisch. Denn für die umständliche Kommunikation zwischen Mensch und Tier haben wir jetzt keine Zeit mehr. Wollen wir verhindern, dass die Werkstatt gleich geflutet wird, müssen wir direkt los. Herr Beck streicht mit der Tatze über Willis Hose, ich jaule möglichst mitleiderregend.

Willi seufzt und steht auf.

»Das wird mir wieder niemand glauben, wenn ich das erzähle. Aber immerhin denkt auch keiner mehr, ich sei betrunken. Jetzt halten sie mich alle nur für wunderlich.«

Er stapelt die Zeitungen, die noch auf dem Tisch liegen, und verstaut sie in einer sehr großen Tasche, die er sich umhängt.

»So, ihr beiden – lasst mich raten: zur Werkstatt?«

Zur Bestätigung belle ich kurz, so viel menschlicher Scharfsinn muss schließlich unterstützt werden, dann rennen Beck und ich los. Ich brauche mich gar nicht umzudrehen, um festzustellen, dass Willi uns brav folgt – er schnauft beim Laufen so laut, wie Oma Hedwig manchmal schnarcht. Hoffentlich macht ihm unser Tempo nicht zu schaffen! Wenn wir allerdings langsamer werden, kommen wir bestimmt nicht mehr rechtzeitig. Schon sind wir an der Gartenpforte angelangt und steuern auf die Terrasse zu.

»Ach, du Scheiße – man gut, dass ihr mich geholt habt! Hier säuft ja gleich die ganze Bude ab«, erkennt Willi die Situation sofort und analysiert messerscharf. Fantastisch! Von verpennt keine Spur! Ein kurzer Blick, dann greift er beherzt durch den Wasserstrahl und dreht den Hahn zu. Sofort ist der Spuk vorbei, mir fallen ganze Wagenladungen von Steinen vom Hundeherz. Ich werfe einen vorsichtigen Blick Richtung Terrassentür – das Wasser steht schon auf Höhe des Spalts, und wenn meine ausgezeichneten Ohren das Geräusch richtig interpretieren, was sie ganz deutlich hören, dann läuft das Wasser auch schon munter in die Werkstatt. Das scheint auch Willi zu merken, jedenfalls zieht er jetzt die Schuhe aus, krempelt seine Hose hoch, steigt die Stufen von der Terrasse zur Werkstatt hinunter und watet zur Tür. Ob er das Wasser vielleicht wegmachen kann? Also, ich weiß jetzt auch nicht, wie – aber an einem warmen Tag wie heute verschwindet Wasser doch oft von ganz allein. Gut, wahrscheinlich dauert es bei viel Wasser ein bisschen länger, aber wenn Willi irgendwie nachhilft?

»Mist, die Tür kann ich von außen natürlich nicht schließen. Das müsste man aber, damit nicht noch mehr Wasser ins Haus läuft. Hm. Wie ist denn das bloß passiert? Könnt ihr zwei mir natürlich nicht sagen. Ich fürchte, wenn hier nicht bald jemand kommt, muss ich wohl die Feuerwehr zum Abpumpen rufen.«

Er steigt wieder hoch und geht zum Hahn. Nachdenklich betrachtet er den Schlauch, der nun ganz schlaff zu Boden hängt.

»Also, ich könnte schwören, dass das hier Bissspuren sind. Herkules, hast du etwa den Schlauch angenagt? Und das Wasser war nicht abgedreht?« Er schüttelt den Kopf. »Mensch, du bist doch kein Welpe mehr, wie kommst du denn auf so eine Idee?«

Okay, ich weiß, dass das keine gute Entschuldigung ist – aber wieso macht es denn einen Unterschied, ob ich ein Welpe bin oder nicht? Das Ergebnis wäre doch das gleiche! Warum wäre das also bei einem Baby in Ordnung, bei mir aber nicht? Ungerecht ist das! Ich setze mich auf den Po und gucke Willi möglichst vorwurfsvoll an, aber der ignoriert mich. Stattdessen geht er um das Haus zum vorderen Eingang. Ich folge ihm und beobachte, wie er alle Klingelknöpfe an der Haustür ausprobiert. Ohne Ergebnis – das hätte ich ihm gleich sagen können. Er sieht sich fragend um, dann scheint ihm eine Idee zu kommen. Als er sich zum Gehen wendet, fange ich an zu bellen. Der will uns doch jetzt wohl nicht allein hierlassen, oder?

»Keine Panik, Herkules, ich bin gleich wieder da. Gegenüber ist eine Telefonzelle, da muss ich kurz hin.«

Auweia – Telefonzelle? Das hat doch bestimmt etwas mit einem Telefon zu tun. Schätze mal, jetzt ruft Willi die Feuerwehr. Ohne genau zu wissen, was das eigentlich ist, habe ich doch das ungute Gefühl, dass man diesen kleinen Vorfall vielleicht nun nicht mehr vor Daniel und Caro wird geheim halten können.

Nein. Das kann man nicht geheim halten. Vor dem Haus steht ein Auto, das ungefähr so groß ist wie die Orangerie auf Schloss Eschersbach, also riesig. Auf dem Dach hat es eine Leiter und hintendran hängt ein ebenfalls riesiger Schlauch, dessen Ende nun auf der Terrasse liegt und mit einem sehr lauten Geräusch das Wasser verschlingt, das eben noch an die Terrassentür schwappte. Willi steht mit einem der Männer, die aus dem Riesenauto gesprungen sind, daneben und unterhält sich angeregt. Der Mann hat sehr seltsame Kleidung an, sie erinnert mich ein wenig an das, was die Müllmänner tragen, nur viel dunkler. Außerdem hat er einen Helm auf dem Kopf. Warum nur? Droht hier etwa eine Gefahr, von der ich noch gar nichts ahne? Also, außer dem Riesenanschiss, den ich mit Sicherheit demnächst kassieren werde? Herr Beck hat sich vom Acker gemacht, und ich überlege, ob das nicht auch für mich die passende Alternative wäre. Dann bin ich wenigstens nicht dabei, wenn Daniel der unweigerliche Schlag trifft. Ob ich in Abwesenheit verurteilt werden kann? Oder gelingt es mir, mich so lange zu verstecken, bis sich die Gemüter wieder beruhigt haben? Und wann wird das wohl voraussichtlich sein?