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Das Buch

Merkwürdige Dinge geschehen in Moskau: Als Kirill Maximov eines Abends nach Hause kommt, hat irgendjemand seine Wohnung komplett umgeräumt, und eine ihm völlig unbekannte Frau behauptet, sie lebe hier schon seit Jahren. Damit nicht genug: An seinem Arbeitsplatz ist Kirill niemandem bekannt, und auch seine Freunde und Verwandten haben offenbar vergessen, dass er je existiert hat. Völlig verwirrt, ohne Bleibe, ohne Geld wird Kirill durch einen anonymen Anruf schließlich zu einem verlassenen Wasserturm geleitet - wo ihm eine atemberaubende Enthüllung gemacht wird: Man hat ihn aus seiner Existenz gerissen, um ihn zu einem sogenannten »Funktional« zu machen. Als solcher hat er die Aufgabe, die Grenze zwischen etlichen parallelen Welten zu überwachen. Doch wer hat diese Parallelwelten geschaffen? Und wozu? Für Kirill beginnt ein Abenteuer, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können ...

Pressestimmen

Nach seinen faszinierenden »Wächter«-Romanen legt Bestseller-Autor Sergej Lukianenko mit »Weltengänger« erneut ein grandioses phantastisches Abenteuer vor.

»Sergej Lukianenko ist der meistgelesene russische Autor der Gegenwart.«

STERN

»Düster und kraftvoll - der Russe Sergej Lukianenko ist der neue Star der phantastischen Literatur!«

FRANKFURTER RUNDSCHAU

Der Autor

Sergej Lukianenko, 1968 in Kasachstan geboren, studierte in Alma-Ata Medizin, war als Psychiater tätig und lebt nun als freier Schriftsteller in Moskau. Mit seiner »Wächter«-Serie - »Wächter der Nacht«, »Wächter des Tages«, »Wächter des Zwielichts« und »Wächter der Ewigkeit« - wurde er zum erfolgreichsten Fantasy- und Science-Fiction-Autor Russlands. Als Drehbuchautor war er außerdem an den Verfilmungen von »Wächter der Nacht« und »Wächter des Tages« beteiligt. Zuletzt ist von Sergej Lukianenko im Wilhelm Heyne Verlag der Roman »Spektrum« erschienen.

Mehr zu Sergej Lukianenko unter: www.lukianenko.ru

Eins

Es gibt Tage, da will dir rein gar nichts glücken. Dein Fuß findet den Weg vom Bett zum Pantoffel nicht, sondern landet auf dem Rücken deines geliebten Hundes, der dir vor Schreck nach dem Knöchel schnappt. Den Kaffee gießt du an der Tasse vorbei - und natürlich direkt auf das frisch gewaschene Hemd. Auf dem Weg zur Metro stellst du fest, dass du Papiere und Geld zu Hause vergessen hast, und als du kehrtmachst, wird dir klar, dass du die Sachen nicht vergessen, sondern verloren hast. Zusammen mit den Schlüsseln.

Aber auch das Gegenteil kommt vor. Du wachst munter und mit angenehmen Erinnerungen an einen Traum auf, der gestrige Schnupfen hat sich über Nacht spurlos verflüchtigt, es gelingt dir, weich gekochte Eier zu fabrizieren, deine Freundin, mit der du dich am Vortag überworfen hast, ruft von sich aus an und bittet dich um Verzeihung, Oberleitungs- und Autobus kommen, kaum dass du die Haltestelle erreicht hast, dein Chef ruft dich zu sich und teilt dir mit, er habe beschlossen, dir eine Gehaltserhöhung zu gewähren und eine Prämie auszuzahlen.

Solche Tage jagen mir mehr Angst ein. Denn das wusste man bereits in der Antike: Man darf das Schicksal nicht durch übermäßigen Erfolg ergrimmen. Der Herrscher Polykrates hat sich schon etwas dabei gedacht, als er den Ring ins Meer warf. Als die See dieses Opfer verschmähte, hätte sich der König freilich den Finger abschneiden müssen, womöglich wäre er ihm ja nicht nachgewachsen. Solltest du kein geborener Glückspilz sein, der mit dem leichten Schritt eines Flaneurs durchs Leben geht, dann hüte dich vor den glücklichen Tagen! Nicht umsonst gleicht das Leben der gestreiften Gefängnistracht. Hast du heute Pech, winkt dir schon morgen das Glück.

Für gewöhnlich beruhigt mich dieser Gedanke. Nur heute nicht.

Wie angewurzelt stand ich vor der Tür meiner Wohnung. Einer ganz normalen Tür. Die wegen der heutigen kriminellen Zeiten aus Eisen war und billig mangels eines reichen Onkels in Amerika.

Nur dass diese Tür einen Spalt offen stand. Was das hieß, bedarf keiner weiteren Erklärung. Noch leide ich nicht an Gedächtnisschwund: Vor einer Woche hatte Anja mir die Schlüssel bei ihrem Abgang voller Verachtung auf den Boden geschmissen. Meine Eltern hatten ein Ersatzbund, selbstverständlich nicht, um meine Wohnung zu inspizieren, sondern für den Fall, dass ich meinen eigenen verlor. Bedauerlicherweise machten die beiden jedoch seit einer Woche in der Türkei Urlaub, konnten mich also kaum besuchen.

Ich stand da und dachte an Cashew. Warum mein Skye-Terrier Cashew heißt, muss man die Züchterin fragen. Vielleicht liebte sie diese Nüsse. Vielleicht wusste sie aber auch einfach nicht, was Cashews sind. Ich hatte mich damals jedenfalls nicht getraut, mich danach zu erkundigen.

Was macht ein Dieb, wenn er in einer Wohnung einen kleinen, wiewohl tapferen Terrier entdeckt? Vermutlich durfte ich schon froh sein, wenn er ihn bloß trat.

Sicherlich, es gab in meiner Wohnung das eine oder andere wertvolle Stück. Der Laptop. Die Stereoanlage. Der Fernseher war ebenfalls nicht zu verachten, der DVD-Player brandneu. Und irgendwann würde jeder versierte Dieb die mit Klebeband an der Rückwand der Garderobe befestigte eiserne Reserve entdecken, jenen Briefumschlag mit den tausend Euro.

Trotzdem dachte ich einzig und allein an Cashew. Vermutlich hätte ich noch ein paar Minuten so dagestanden, unfähig, mich aufzuraffen, die Tür aufzustoßen, wenn nicht ein feines metallisches Geräusch aus der Wohnung gedrungen wäre.

Der Dieb war noch da!

Durch reckenhaften Wuchs oder heroischen Mut habe ich mich noch nie ausgezeichnet. Sämtliche Bekanntschaft, die ich mit dem Zweikampf geschlossen hatte, beschränkte sich auf einen Karatekurs, den ich im zarten Teenageralter ohne rechte Begeisterung ein halbes Jahr lang besucht hatte, sämtliche praktische Erfahrung auf gelegentliche Balgereien etwa in der gleichen Phase meines Lebens. Des ungeachtet stürmte ich mit dem Eifer eines Bruce Lee, dem jemand auf seinen Lieblingskimono getreten ist, in die Wohnung.

Sind Sie sich schon mal wie ein kompletter Idiot vorgekommen?

Da stand ich nun in dem engen, schummerigen Flur meiner Einzimmerwohnung. Nur dass diese Wohnung völlig fremd aussah. Statt der akkurat in der Wand befestigten Haken, an denen einsam eine seit dem Frühjahr nicht getragene Jacke hing, sprang mir eine geweihartige Holzgarderobe samt beigefarbenem Mantel und Schirm ins Auge. Auf dem Fußboden lag ein Teppich in einer fröhlichen Farbe. Soweit ich es erkennen konnte, stimmte in der Küche auch nichts. Zum Beispiel war der Kühlschrank sonst wohin verschwunden. Seinen Platz nahm jetzt eine unansehnliche junge Frau im Bademantel und mit einer Kasserolle in der Hand ein. Bei meinem Anblick kreischte sie laut los und ließ den Topf fallen.

»Pech gehabt, alte Vettel!«, schrie ich. Was um alles in der Welt ist eine »Vettel«? Woher nahm ich plötzlich dieses Wort? Ich wusste es selbst nicht.

»Was erlauben Sie sich denn!«, keifte die Frau ihrerseits. »Verschwinden Sie! Oder ich rufe die Miliz!«

Da das Telefon direkt neben der Eingangstür an der Wand hing, stufte ich ihre Drohung nicht nur als unverschämt, sondern auch als voreilig ein. Ich spähte ins Zimmer, entdeckte dort aber keine Komplizen der Frau. Dafür hielt sich Cashew hier auf, er stand auf dem Sofa - bei dem es sich nicht um mein Sofa handelte! Cashew kläffte laut, war gesund, munter und völlig unverletzt.

Hat man Töne! Die hatten einfach meine Möbel rausgeschleppt! Wie lange war ich aus dem Haus gewesen? Fünf Stunden? Sechs? Aber die hatten es geschafft, meine Sachen abzutransportieren. Bloß wozu hatten sie die Wohnung auch noch neu eingerichtet?