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War dem so?

Ich erinnerte mich daran, wie sich mein Turm nach und nach ausgestattet hatte. Meine Festung, die Burg eines Zöllners. Wie sich die Türen in andere Welten geöffnet hatten. In das patriarchale, viktorianische und verwunschene Kimgim ... wobei es auf Veros, dieser Welt unabhängiger Stadtstaaten, ja noch Tausende von anderen interessanten Orten gab. Die geheimnisvolle Weiße Rose fiel mir ein, die sich als Hotel herausstellte ... wo ich in eine Schlägerei reingerasselt war, eine absolut filmreife Prügelei, bei der ich unbesiegbar und elegant wie James Bond agiert hatte. Dann war da noch die Monsterkrake, die ans Ufer gekrochen kam, oder der Panzer, betrieben auf Alkoholbasis, der uns entgegendonnerte ... Und wie laut, lustig und lecker es in Felix’ Restaurant gewesen war ...

Und das war nur eine Welt von vielen!

Es gab ja auch noch den Planeten Reservat mit dem warmen Meer und den endlosen Wäldern, der sauberen Luft und den in der Nacht funkelnden Sternen ...

Oder Antik, diese Realität gewordene Utopie ...

Welten, Welten, Welten ...

Ein Multiversum, ein ganzer Fächer von Welten, der sich vor mir geöffnet hatte.

»Doch, das hat mir gefallen«, antwortete ich. »Wenn sie ... wenn sie nur Nastja nicht ermordet hätten ...«

»Ich habe die Iwanowa falsch eingeschätzt«, gestand Kotja bitter ein. »Das ist meine Schuld. Allerdings habt ihr es auch geschafft, innerhalb kürzester Zeit alle gegen euch aufzubringen, aber ...« Er schien den Gedanken förmlich abzuschütteln. »Reden wir nicht mehr davon, Kirill. Davon wird das Mädchen auch nicht wieder lebendig. Lass uns denen lieber Feuer unterm Arsch machen!«

Ich schaute ihm in die Augen. Kotja senkte den Blick nicht.

»In Ordnung«, erwiderte ich. »Machen wir diese Welt etwas besser. Wenigstens diese ... wenn es nicht auf Anhieb mit allen gelingt.«

Acht

Wie macht man die Welt besser? Darauf hält jeder seine eigene Antwort parat. Dennoch wissen alle Menschen haargenau: In dieser besseren Welt brauchen sie nicht zu arbeiten, werden geliebt und von der ganzen riesigen, glücklichen Erde versorgt.

Bedauerlicherweise hat jedoch jeder einen eigenen Weg für den Aufbau dieser erstaunlichen Gesellschaft vor Augen. Bei genauerer Betrachtung kommt man dahinter, dass weder die Bemühungen der Philosophen noch die Anstrengungen der Soziologen etwas Überzeugenderes als die klassische Utopie hervorgebracht haben - in der selbst der bescheidenste Bauer mindestens drei Sklaven besaß.

Die Menschheit kann eben einfach nie genug an zweibeinigem Vieh haben. Es ist inzwischen zwar reichlich unmodern geworden, die eigenen Artgenossen in Sklaven zu verwandeln, und Roboter aus Zahnrädern oder Eiweiß können wir noch nicht bauen - aber sobald wir es gelernt haben, werden wir die Dinger auch besitzen.

Das ist unser Utopia.

Das die Menschheit verdient.

Nach wie vor stieg ich nicht hinter die Beziehungen zwischen Kotja und den Mönchen in dem buddhistischen Kloster. Wofür hielten sie ihn eigentlich? Und warum dienten sie ihm? Doch wie dem auch sei, am nächsten Morgen fand ich meine Kleidung in tadellosem Zustand vor, gewaschen und gebügelt, und als ich mein kleines Zimmer verließ, in dem ich geschlafen hatte, war im »englischen Salon« bereits das Frühstück angerichtet.

Das mit einer friedliebenden Religion überhaupt nicht in Einklang zu bringen war: Omelett, Salami, Würstchen...

»Was hast du nur mit diesen Mönchen gemacht?«, staunte ich und guckte Kotja an. Er vertilgte bereits seine Würstchen, die er vor jedem Biss in Ketchup ertränkte. Angezogen war er, als frühstücke er in einem Fünf-Sterne-Hotel, mit Hose, Jackett und einem frischen Hemd. Fehlte nur noch die Krawatte ...

»Wenn du wüsstest, wie viel Mühe mich das gekostet hat!«, erwiderte Kotja stolz. »Sie kochen mir zum Mittag sogar Hühnchen!«

»Ein lebendiges?«, fragte ich, während ich mir Omelett auftat, das zwar schon kalt geworden war, aber immer noch lecker aussah.

Kotja kicherte. »Illan schläft noch«, teilte er mir mit, obwohl ich mich nicht nach ihr erkundigt hatte. »Willst du warten, bis sie aufsteht, oder auf eigene Faust losziehen?«

»Lass uns noch frühstücken, dann mach ich mich auf die Socken«, entschied ich mit einem Blick hinaus zu dem kleinen Fenster. Die graue kalte Morgendämmerung zog herauf, die Bergspitzen lagen in rosafarbenem Licht. Am liebsten hätte ich jetzt Nicholas Roerich oder Helen Blavatsky gelesen.

»Ich bringe dich nach Moskau«, eröffnete Kotja mir.

»Einverstanden? Da gibt es drei bequeme Übergänge nach Orysaltan. Dort triffst du dann Andrjuscha ...« Er legte mir einen Umschlag hin. »Hier ist ein Brief. Du kannst ihn ruhig lesen, ich habe ihn nicht zugeklebt.«

Ich griff danach. Ach du liebe Güte, das war ja die reinste Antiquität: Die Marke war noch mit »Post der UdSSR« gekennzeichnet. Ungelesen steckte ich ihn die Tasche.

»In dem Brief bitte ich Andrjuscha, dich sicher nach Feste zu bringen und Kontakt mit einem der führenden Leute dort herzustellen. Inoffiziell natürlich. Aber dieser Weg ist erprobt, so ist die Sache schon oft gelaufen.«

»Ich habe immer gedacht, man dürfe sich nicht mit religiösen Fanatikern einlassen ...«

»Kirill, jetzt mach mal halblang!«, entrüstete sich Kotja.

»Fanatiker ziehen los und führen Befehle aus. Die Leute an der Spitze, das sind jedoch immer kluge Köpfe. Wenn wir den Herrschenden von Arkan etwas entgegenzusetzen hätten, würden die sich ebenfalls rasch auf ein Gespräch einlassen, da bin ich mir sicher.«

»Was muss ich herauskriegen? Und soll ich um Hilfe bitten?«, fragte ich, während ich in dem Omelett stocherte. Nein, irgendwie schmeckte es doch nicht.

»Selbstverständlich. Leg die Karten offen auf den Tisch ... gesteh ihnen, dass du ein Funktional bist, das die Verbindung zu seiner Funktion zerrissen hat. Und weil du der Freund eines Kurators bist, hast du ihn, also mich, überzeugt, ebenfalls gegen Arkan vorzugehen. Du hast mir von deinem Besuch auf Arkan erzählt und von dieser miesen Hebamme Iwanowa ... und hast mich damit auf deine Seite gezogen. Wir sind nunmehr bereit, etwas gegen Arkan zu unternehmen. Wir müssen bloß wissen, wie wir Menschen zu Funktionalen machen können ...«

»Oder umgekehrt.«

»Genau.« Kotja lächelte. »Außerdem müssen wir Fremde observieren und Durchgänge zwischen den Welten schließen ... und tausend andere Dinge. Wir sind jedoch bereit, eine Delegation aus Feste zu empfangen, ihren Transport hierher zu garantieren und sämtliche Reisekosten zu übernehmen.«

»Sie werden in unserer Welt völlig durchdrehen«, warnte ich.

»Ausgeschlossen ist das nicht!«, bestätigte Kotja amüsiert. »Sie könnten sich aber auch in Demut üben, beten - und sich anpassen.«

»Und erhalte ich darauf eine Antwort? Auf der Stelle?«

»Wohl kaum.« Kotja schüttelte den Kopf. »Bürokraten triffst du überall. Selbst unter Kirchenleuten. Leg einfach unsere Position dar und kehre nach Orysaltan zurück. Dort bleibst du entweder bei Andrjuscha - er ist ein sehr gastfreundlicher Mann -, oder du fährst weiter nach Moskau. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wo es für dich sicherer ist.«

»Und wie soll ich die Verbindung mit dir halten?«

»Ich spüre, wenn du wieder in unsere Welt eintrittst«, antwortete Kotja. »Aber sicherheitshalber ... falls ich plötzlich meine Fähigkeiten verlieren sollte ...«

Er holte ein Lederetui für Visitenkarten aus seiner Tasche - ein für den früheren Kotja absolut unvorstellbares Accessoire - und händigte mir eine silbrige Karte aus.

Darauf stand nur eine Nummer. Eine lange Nummer.

»Ein Satellitentelephon«, erklärte er. »Warum auch nicht? Weshalb sollten wir die moderne Technik ignorieren?«

»Hm.« Ich steckte die Karte ein. »Toll.«