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»Was haben Sie ... wie haben Sie das geschafft ...«, hauchte ich.

Ich liebe Hunde. Ich habe selbst einen Skyeterrier, Cashew, der im Moment bei meinen Eltern untergebracht war. Natürlich sind Hunde keine Plüschtiere. In ihnen - selbst im kleinsten von ihnen - fließt Wolfsblut. Sie können kämpfen, um ihrer selbst willen und für ihre Herrchen. Aber es gibt Kampfhunde, Jagdhunde und es gibt Hunde, die dein Freund sind. Ein Kampfyorkshire, das ist absurd, das ist ... das ist wie eine Klosterfrau 007.

»Sie wurden in einem Kloster in York gezüchtet, wo unsere tapferen Gardistinnen für die Verteidigung des Konklaves ausgebildet werden«, erklärte mir Marco, der mich neugierig beobachtete. »Das wahrhaft Gute sollte nicht schutzlos sein, nicht wahr?«

»Ja«, sagte ich. »Also, zumindest habe ich das bisher immer angenommen. Aber ... sie sind so lieb ...«

»Die Mädchen?«

»Die Hunde ... aber die Mädchen natürlich auch ...«, stotterte ich.

»Sie bleiben auch lieb. Sie können sie streicheln, die Hunde werden Sie nicht beißen ... solange es ihnen niemand erlaubt.«

»Und die Mädchen?«, fragte ich.

Die Korporalin lächelte und sprach für sich selbst: »Das kann ich nicht sagen. Aber ich würde Ihnen nicht raten, die Probe aufs Exempel zu machen.«

Daraufhin brach Marco in schallendes Gelächter aus. »Gehen wir, Kirill. Ich hoffe, diese kleine Vorstellung hat Sie nicht eingeschüchtert? Unsere Freunde haben hier nicht das Geringste zu befürchten. Und Sie sind doch unser Freund, oder?«

»O ja«, versicherte ich mit einem Blick auf den Hund. »Ohne jeden Zweifel!«

Zehn

Es gibt Menschen, die verstehen sich darauf zu bitten. Zum einen sind das die professionellen Bettler, und zwar nicht die gramgebeugten Greisinnen, die vor einem Geschäft die Hand um eine milde Gabe vorstrecken, sondern diejenigen, die das Betteln zu ihrem Beruf gemacht haben und ihren Posten vor Kirchen und Friedhöfen sowie in Parks, inmitten des flanierenden Publikums, oder neben Restaurants beziehen, wo ein angeheiterter Kavalier sich keine Gelegenheit entgehen lässt, bei seiner Dame Eindruck zu schinden. Zum anderen sind es die geborenen Nassauer. Wir alle kennen solche Leute, mitunter sind wir sogar mit ihnen befreundet. Sie schreiben in der Schule die Hausaufgaben von dir ab (»Hast du mal Algebra?«), schwänzen an der Uni Seminare (»Du trägst mich ein, ja?«), kommen zu spät zur Arbeit (»Sag dem Chef, dass ich seit dem frühen Morgen hier hinten herumwusele!«) oder bestellen uns auf ihre Datscha ein (»Wir graben erst den Garten um, dann genehmigen wir uns ein Schaschlik und ein Bierchen, ja?«). Und selbst wenn wir angewidert das Gesicht verziehen, geben wir Ersteren doch etwas. Und selbst wenn wir halblaut fluchen, helfen wir Letzteren. Schließlich steht uns immer die Möglichkeit offen, uns von den Armen abzuwenden oder einen allzu aufdringlichen Freund abzuweisen.

Es gibt aber noch eine dritte Kategorie von Profis. Die allerschlimmste, denn ihr entkommst du nicht.

Politiker.

»Das Volk muss unsere Partei unterstützen!«

»Die Rentner müssen den Gürtel enger schnallen!«

»Die Kumpel sollten sich mal in unsere Lage versetzen!«

»Die Partner müssen unsere Interessen berücksichtigen!«

»Die Unternehmer sollten an die Staatsinteressen denken!«

Und diesen Bitten entzieht sich niemand. Das Volk unterstützt, die Rentner schnallen enger, die Kumpel versetzen sich, die Partner berücksichtigen und die Unternehmer denken an.

Denn diesen Bitten wohnt die Kraft eines Befehls inne. Es ist die Bitte eines faulen Bettlers mit der Knarre in der Hand.

Ich bin noch nie arm gewesen, stellte mich beim Abschreiben zu dusselig an, und Politik ging mir am Arsch vorbei. Doch nun musste ich als Bittsteller auftreten, noch dazu in allen seinen Erscheinungsformen, sowohl als Bettler, der um eine milde Gabe fleht, wie auch als Freund, der deine Hilfe braucht, oder als Politiker, der erpicht darauf ist, ein vorteilhaftes Abkommen auszuhandeln.

Das war nicht mein Ding! Überhaupt nicht.

Aber was sollte ich sonst tun?

Meine einzige Chance, der hartnäckigen Aufmerksamkeit der Arkaner zu entkommen, bestand darin, auf mein Recht zu pochen, ich selbst zu sein - und die Machthaber auf Feste zu überreden, uns zu helfen. Und zwar nicht einfach zu helfen, sondern uneigennützig zu helfen, ohne dass sie unsere Erde, unser rückständiges Demos, in eine weitere Welt mit »scholastischer Theokratie« verwandelten. Denn Gardistinnen mit puscheligen Killern an der Leine entsprachen in keiner Weise meinen Vorstellungen von einer glücklichen Gesellschaft.

In Rom war ich noch nie gewesen, mein Bild vom Vatikan entstammte einem albernen Film, in dem irgendwelche Gangster das Herz der katholischen Kirche mit einer Antimaterie-Bombe in die Luft jagen wollten. Insofern vermochte ich nicht zu entscheiden, ob die Residenz des Konklaves dem Sitz des Papstes ähnelte. Vermutlich schon. Denn wie ich festgestellt hatte, blieben etliche Realien in den unterschiedlichen Welten des Multiversums unverändert, selbst wenn die Abkoppelung der Welten voneinander weit zurücklag.

Die riesige Kirche glich dem Petersdom. Nahm ich zumindest an. Ich bekam sie allerdings nur flüchtig zu sehen, als ich in eine geräumige Kutsche mit verhangenen Fenstern gesetzt wurde. In ihr fuhr ich in Gesellschaft von zwei uniformierten Frauen aus einem Drogentraum Michelangelos, zwei liebreizenden Terriern aus einem Albtraum von Hieronymus Bosch und dem Vertreter des Konklaves, Marco, dahin.

»Ich freue mich sehr, dass Sie ausgerechnet während meiner Schicht zu uns gekommen sind«, teilte mir Marco freundlich mit. »Sie müssen wissen, wir kommen nicht oft in Kontakt mit Funktionalen. Ich bin bereits seit fünf Jahren für die Sicherheit der Zollstelle verantwortlich und habe mit Andrej vielleicht ein Dutzend Mal gesprochen ... höchstens.«

»Sie mögen die Funktionale wohl nicht?«

»Und Sie?«

»Nicht sehr«, gestand ich. »Man hat mich ohne meine Einwilligung zum Funktional gemacht. Dann haben sie meine Freundin umgebracht, mich verfolgt ... Aber das sind meine persönlichen Probleme. Ich nehme an, Sie haben andere Gründe für Ihre Vorbehalte.«

»Selbstverständlich. Es sind zutiefst praktische und mithin religiöse Gründe.« Marco dachte kurz nach. »Sie haben vermutlich angenommen, wir seien religiöse Fanatiker, die in den Funktionalen Dämonen sehen?«

»Also ...«, druckste ich.

»Also ... dürfte ich mit meiner Annahme ganz richtig liegen. Aber da irren Sie sich. Wir sind vernünftige Menschen, die andere Glaubensrichtungen tolerieren. Gewiss, der heilige christliche Glaube liegt unserer Gesellschaft zugrunde, verbindet sämtliche Staaten und dient als eine Art ...« Er schnipste mit den Fingern. »... Metastaat. Als weltanschaulicher Metastaat.«

»Ich habe eigentlich geglaubt, der ganze Planet sei zu einem einzigen Staat zusammengefasst.«

»Wo denken Sie hin! Nein. Das wäre nicht sehr vernünftig und ein solcher Staat kaum zu regieren. Wie will man mit Gewalt gegensätzliche wirtschaftliche Interessen oder Unterschiede in der Kultur, den Bräuchen und Moralvorstellungen unter einen Hut bringen? Ein geeintes Imperium, das Reich Gottes auf Erden, kann sich nur nach und nach herausbilden, auf dem Weg der Evolution, wenn die Moralvorstellungen weniger rigide sind, wenn das tägliche Leben nicht mehr ganz so beschwerlich ist und Völker und Sprachen sich ineinander aufgelöst haben. Das ist unser Ideal, wir sind jedoch noch weit davon entfernt, es zu erreichen. Ich werde Sie jetzt sicherlich überraschen, aber bei uns herrscht Gewissensfreiheit.«

»Tatsächlich?« Das erstaunte mich in der Tat.

»Natürlich. Viele Araber und Asiaten hängen dem Islam an, die Juden sind von ihrem alttestamentarischen Glauben nicht abzubringen, die Slawen - sind Sie eigentlich Slawe? - streiten mit dem Konklave über eine ganze Reihe von Zeremonien und haben darüber hinaus ihre eigenen Heiligen, die von anderen Völkern nicht anerkannt werden. Es gibt sogar - und ich fürchte mich nicht, dieses Wort in den Mund zu nehmen - Atheisten, Gottlose. Über einen Mangel an Problemen und Schwierigkeiten können wir also wahrlich nicht klagen! Auch Kriege haben wir, sogar zwischen uns Brüdern in Christo.«