Выбрать главу

»Ja. Sie verlangen deine Auslieferung. Die Auslieferung eines Funktionals, das einen terroristischen Akt auf Arkan vollübt hat, eine Frau auf Demos getötet, eine Frau aus einem Heillager auf Nirwana entführt ...«

»Ein terroristischer Akt?«, japste ich. »Die haben mit großkalibrigen MGs auf mich geschossen! Ein Heillager? Das ist ein KZ!«

Mit einer energischen Handbewegung brachte mich der Kardinal zum Schweigen. »Das spielt überhaupt keine Rolle. Ich glaube dir, nicht ihnen. Die Liste deiner Verbrechen enthält noch ein Dutzend weiterer Punkte: Zerstörung fremden Eigentums, rassistische Beleidigung eines arkanischen Bürgers und so weiter und so fort. Das ist jedoch in keiner Weise von Belang. Die Frage besteht allein darin, wie wir uns jetzt verhalten sollen.«

»Drohen sie?«, wollte ich mit finsterer Miene wissen. Zu gern hätte ich Elisa angesehen, aber ich befürchtete, in ihren Augen Angst oder Ekel zu lesen.

»Selbstverständlich. Mit der Vernichtung ...« Er seufzte. »... all unserer Bürger in anderen Welten. Eine entsprechende Liste haben sie uns ausgehändigt. Und sie haben niemanden vergessen. Außerdem noch ... mit der Aufkündigung des Friedensvertrags.«

»Wir haben einen Friedensvertrag mit den Funktionalen geschlossen?«, fragte Elisa entsetzt.

»Ja, Korporalin«, antwortete der Kardinal sanft. »Ja. Du kannst mich jetzt gern daran erinnern, dass Geschäfte mit dem Teufel ein Verbrechen darstellen - und ich wüsste keine Antwort darauf. Aber dieser Pakt existiert schon seit etlichen Jahrzehnten ...«

»Wären die denn in der Lage, Sie zu besiegen?«

»In einem ehrlichen Kampf? Ich hoffe nicht. Aber ... wir haben keine Atombomben, Kirill. Was vermag ein Wesen aus Fleisch und Blut dem Höllenfeuer schon entgegenzusetzen?«

»Die unsterbliche Seele«, sagte Elisa. Die Nachricht von dem Vertrag musste sie weit stärker erschüttert haben als die Wahrheit über meine Natur und die Liste meiner Sünden.

Schweigend und mit geschlossenen Augen dachte der Kardinal nach. »Du hast recht, Mädchen«, brachte er schließlich mit einem Seufzer hervor. »Ich hoffe, das Konklave wird sich unserer Auffassung anschließen ...«

»Hat man Ihnen Fristen gesetzt?«, bohrte ich weiter.

»Drei Tage.«

»Warum dann diese Eile?« Ich ließ den Blick zwischen dem Kardinal und Elisa hin- und herwandern.

»Die Funktionale haben ein höchst flexibles Verhältnis zu Fristen«, meinte der Kardinal mit unfrohem Lächeln. »Eine Frist als Bedenkzeit ist eine Sache. Der Versuch, dich mit Gewalt gefangen zu nehmen, eine völlig andere. Wenn du so wichtig für sie bist, will ich kein Risiko eingehen. In den Zitadellen des Vatikans wird es für dich sicherer sein als in einer frei stehenden Villa.«

»Was heißt das? Stehe ich damit unter Arrest?«

»Möchtest du, dass ich dich zum Portal nach Veros bringe? Wir fahren ohnehin in diese Richtung. Genau zu dem Portal, durch das die arkanischen Parlamentäre gekommen sind.«

Ich fuchtelte abwehrend mit den Händen. Nein, natürlich wollte ich das nicht.

»Du stehst nicht unter Arrest«, versicherte Rudolf eindringlich. »Du stehst unter Schutz.«

Diesmal waren die Fenster der Kutsche nicht verhangen. Ich neigte mich vor und schaute mit finsterer Miene auf die idyllische Landschaft hinaus.

Es war schwer zu verstehen, wie sich auf Feste der Vatikan und Rom zueinander verhielten. Der Vatikan schien hier aber abgesondert zu liegen, denn wir fuhren nicht durch die Stadt, sondern über eine gepflasterte Umgehungsstraße. Aus der Ferne bekam ich zwar keine architektonischen Details mit, aber zu meinem Erstaunen wies die Ewige Stadt sogar in dieser Welt einige Hochhäuser an der Peripherie auf. Keine Wolkenkratzer, keine Säulen aus Glas, Stahl und Beton, aber trotzdem eine Architektur, die ich recht gut kannte. Solche Hochhäuser - im Grunde gewöhnliche überdimensionierte Häuser, die keine eigene Kategorie von Gebäuden bildeten - dürften in den USA gebaut worden sein, als die Begeisterung für Wolkenkratzer gerade aufkam.

»Fahren wir aus Sicherheitsgründen außerhalb der Stadt?«, fragte ich.

»Ja«, antwortete Rudolf einsilbig. Nach einem ausgedehnten Moment fügte er jedoch hinzu: »Um der Sicherheit unserer Bürger willen.«

Ich konnte nicht behaupten, dass diese Worte meinem Optimismus förderlich waren. Aber die Straße schlängelte sich weiterhin idyllisch durch die Orangenhaine, auf den Feldern arbeiteten Menschen, die das Auftauchen der Kutsche als willkommenen Anlass für eine Verschnaufpause nahmen und uns nachsahen. Die wenigen Villen, an denen wir vorbeifuhren, verströmten Ruhe. Ein paar Mal kamen uns Wagen entgegen, meist Lastfuhrwerke, vor die sehnige, langbeinige Ochsen gespannt waren, die erstaunlich schnell waren. In der Ferne zeichnete sich die Kuppel des Petersdoms ab. Wir näherten uns wieder der Residenz der Kardinäle. Nach und nach wich die Anspannung von mir.

»Beunruhigt es Sie eigentlich gar nicht, dass mitten im Hof des Konklaves ein Durchgang in eine andere Welt existiert?«, wollte ich wissen. »Was, wenn eines Tages ein Panzer durch die Tür prescht? Was wollen die Damen mit den Hündchen da tun?«

»Ein Panzer kommt da nicht durch«, erklärte Rudolf. »Du warst wirklich nur sehr kurze Zeit ein Funktional, Kirill ... Die Höchstmaße der Portale sind beschränkt. Soweit wir wissen, nimmt die Kraft, die für ihre Öffnung nötig ist, exponentiell zu, weshalb ein Panzer sie nicht passieren kann. Das würde alle Energie der Welt erfordern.«

»Was ja nur gut ist«, sagte ich. »Atombomben sind allerdings sehr klein ... und man müsste sie nicht einmal durch die Tür bringen.«

Rudolf erwiderte kein Wort. Ich glaube, er wusste, dass die einzige Zerstörung einer Zollstelle in meiner Welt auf eine thermonukleare Explosion zurückging. Und diese Explosion hatte obendrein den gesamten Hügel auf Arkan vernichtet, zu dem dieses Portal führte.

»Ich an Ihrer Stelle würde mir darüber doch mal Gedanken machen ...«, ließ ich nicht locker.

»Worüber? Über die Zerstörung des Portals? Wir haben keine Bomben, wir können den Turm nur unter Steinen begraben oder mit Beton zugießen.«

»Oder den Vatikan an einen anderen Ort verlegen.«

»Wozu das? Damit die Arkaner, nachdem wir diese gewaltigen Anstrengungen auf uns genommen haben, wieder einen Durchgang öffnen? Direkt an der neuen Residenz? Wenn man einen Rattenbau verstopft, bauen sich die Tiere einen neuen, in unmittelbarer Nähe. Besser ist es, eine Falle aufzustellen.«

Ich hüllte mich in Schweigen. Es wäre dumm, mich für klüger als alle anderen zu halten. Wenn die Kardinäle sich mit der Tür in eine andere Welt direkt neben ihrer Residenz abgefunden hatten, dann mussten sie ihre Gründe dafür haben.

»Ich wiederhole noch einmal, dass du nicht unter Arrest stehst. Wir könnten dich zum Portal bringen«, sagte der Kardinal. Die Kutsche fuhr bereits wieder in die Stadt ein, keine Ahnung, ob es Rom oder die Vatikanstadt war. Die Straße wurde glatter.

»Auf gar keinen Fall«, entschied ich.

»Das ist bedauerlich«, meinte Rudolf seufzend. »Ich hatte gehofft, du würdest dich damit einverstanden erklären, und unsere Probleme wären aus der Welt ...«

Ich sah den Kardinal an. Er lächelte. Dennoch: In jedem Scherz liegt ein Körnchen Wahrheit. Und im aktuellen Fall war das zweifelsfrei mehr als nur ein Körnchen.

»Es tut mir unendlich leid, Sie zu enttäuschen ...«, setzte ich an.

In diesem Moment ertönte ein Geräusch, das in dieser Welt noch nie zu hören war und das es hier nicht geben konnte.

Das dumpfe Rattern einer MPi-Salve.

Zwölf

Die Geschichte ist voll von Beispielen, wie eine technisch eher rückständige Zivilisation eine höher entwickelte besiegt hat. Die Barbaren eroberten Rom, die Horden Dschinghis Khans das alte Russland, Kuba konnte seine Unabhängigkeit gegenüber den USA behaupten, die Afghanen leisteten sowohl den Engländern als auch den sowjetischen Truppen erfolgreich Widerstand. Denn jeder Krieg ist zuallererst ein Krieg der Ideologien und erst in zweiter Linie ein Wettkampf um Reichweite und tödliche Wirkung des Eisens. Absurderweise verhält es sich mit der Ideologie zudem so, dass sie umso wirkungsvoller ist, je primitiver sie daherkommt, je stärker sie auf die Grundwerte einer Gesellschaft zurückgreift: die Verteidigung des eigenen Landes und Glaubens, die Bereitschaft, für den eigenen »Stamm« in den Tod zu gehen. Für die riesigen und starken Vereinigten Staaten ist der Tod von einer Million Menschen im Krieg nicht akzeptabel. Für einen kleinen totalitären oder religiösen Staat sind eine Million Menschen eine Kleinigkeit. Der Glaube entscheidet alles.