Выбрать главу

Gleichzeitig ist der Mensch eines der kriegerischsten Wesen, das man sich vorstellen kann. Die Grenze, die er entlangwandern muss, ist so schmal und durchscheinend, dass schon ein Wort, eine Geste oder ein Gläschen zu viel aus dem friedliebendsten Menschen einen blutdürstigen Killer macht. Angeblich liegt das daran, dass der Mensch ein Raubtier wider Willen ist. Im Unterschied zu den Tieren, die von vornherein zum Töten geschaffen und sich deshalb ihrer eigenen Kraft voll bewusst sind, verhält sich der Mensch häufig wie ein in die Ecke gedrängter, hungriger und hysterischer Affe, der sich, da er seine gewohnten Wurzeln und Bananen nicht findet, einen Knüppel schnappt und damit auf eine hinter der Herde zurückgebliebene Antilope eindrischt.

Oder wir sind - wenn man die Bibel wörtlich nimmt - alle vom Teufel irregeleitete Wesen, und unsere Seele ist durch die Ursünde verunreinigt.

Folglich wäre es wohl, wenn mich das Portal nach Arkan gebracht hätte, mit meiner Selbstbeherrschung nicht weit hergewesen. Mir schoss sogar kurz ein bluttriefendes Bild durch den Kopf: Ich finde mich in einem riesigen Thronsaal wider, der mich an Filme wie Herr der Ringe oder auch Star Wars denken lässt. Überall Wachsoldaten in prachtvollen Uniformen, überall die hinterhältigen Rädelsführer der Funktionale ... Den Kolben gegen den Bauch gestemmt, bestreiche ich alle mit Feuerstößen, und die Kugeln wollen mir nicht ausgehen, die Feinde fallen schreiend zu Boden, verschlucken sich an ihrem Blut, fliehen in alle Himmelsrichtungen, aber meine Schüsse holen sie ein, und die Schurken wimmern um Gnade, doch ich bin taub und stumm ...

Aber da, wo ich rauskam, gab es niemanden, auf den ich hätte schießen können.

Nur Steppe.

Niedriges, pikendes Gras, das unter meinen Füßen knisterte, Gras, das in der Sonne bereits verbrannt war. Zum Glück dämmerte es schon, die Sonne ging bereits unter; allerdings wehte immer noch ein heißer und unangenehmer Wind. Ich drehte mich einmal um mich selbst. Nichts und niemand. Nur am Horizont erhoben sich Berge.

Wohin hatte es mich jetzt schon wieder verschlagen?

Abermals hob ich den Arm und bewegte meine Finger, versuchte, eine weitere Feuerschrift in der Luft entstehen zu lassen. Nichts geschah. Meine Kräfte waren wieder verschwunden.

Zusammen mit meinen Funktionalsfähigkeiten hatten mich jedoch auch meine menschlichen Kräfte verlassen. Ich ließ mich auf die Erde plumpsen. Gut eine Minute saß ich nur da und schaute in den Sonnenuntergang, bevor ich mich schließlich daranmachte, die Reste des Fangnetzes von meinen Hosen zu klauben. Die Fäden schienen irgendwie ausgetrocknet zu sein und waren nun spröde und brüchig.

Wo zum Teufel war ich?

Jetzt bloß nicht in Panik geraten! Ich konnte ebenso gut auf Feste wie auch auf der Erde oder auf Arkan sein. Schließlich gab es auf jedem Planeten genügend unbewohnte Orte! Entscheidend war, dass ich mir gewünscht hatte, »im Herzen« der Funktionale zu landen. In der Welt, wo ihre Wurzeln lagen.

Ging ich also mal davon aus, dass mir mein Wunsch erfüllt worden war.

Mit purer Willenskraft schob ich diesen Gedanken vorerst beiseite. Ich drehte die MPi seitlich und legte sie ein Stück von mir entfernt auf den Boden. Dann öffnete ich den Rucksack, den ich dem Soldaten abgenommen hatte.

Von ganzem Herzen freute ich mich darüber, dass mein Traum von Patronen geplatzt war. Hier in der Steppe brauchte ich sie so dringend wie eine Kombizange in der Sauna.

Nacheinander holte ich folgende Dinge aus dem Rucksack:

Eine Plastikflasche mit einem Fassungsvermögen von etwa einem Liter und der eingeprägten Aufschrift »Wasser«.

Drei in Folie eingeschweißte Päckchen mit dem Aufdruck »Tagesration«.

Einen kleinen Erste-Hilfe-Kasten mit Spritzen, Tablettenröhrchen und Verbandszeug; glücklicherweise gab es sogar eine Gebrauchsanweisung für all diese Wohltaten.

Eine Taschenlampe, die als Metallzylinder gearbeitet war und mir möglicherweise auch als Knüppel dienen konnte.

Eine straff gewickelte Rolle Toilettenpapier. Da gibt es nichts zu lachen. Das Lachen vergeht dir nämlich, wenn du als an die Zivilisation gewöhnter Bürger auf freiem Feld von einem Bedürfnis ereilt wirst und dann auf diesem Feld nicht mal Kletten wachsen - sondern nur Gras, das so scharf wie Ried ist.

Drei Tafeln Schokolade, die entweder nicht zur Standardausstattung gehörten oder irgendeinen Bonus darstellten. Die Schokolade war mir schmerzlich vertraut: Goldene Marke. Auf mich musste ein russischer Spezialeinheitler von Arkan geballert haben. Das ließ meine Stimmung endgültig in den Keller sinken.

Eine schmale Broschüre mit dem Titel Überleben auf Erde-3. Natürlich. Instruktionen für Soldaten, die in Gefangenschaft geraten waren oder sich verirrt hatten, damit sie wussten, wie sie sich auf Feste verhalten sollten. Gehen wir einfach davon aus, dass sich mein Klopapiervorrat vergrößert hatte.

Ein Plastikträger, aus dem drei weitere Spritzen mit einer knallroten Flüssigkeit herausragten. Ein Loch war leer. Ein Kampfcocktail? Wahrscheinlich. Eine Spritze hatte sich der Soldat vor dem Angriff gesetzt, die anderen waren als Vorrat gedacht.

Eine große Rolle dicken weißen Fadens. Aus irgendeinem Grund fehlte die Nadel.

Ein Kompass. Der Zeiger gab mir bereitwillig den hiesigen Norden an.

Und etwas, das mit Sicherheit nützlich, in der Steppe jedoch absolut überflüssig war, ein Taschenmesser mit mehreren Klingen, einer Feile und einem Dosenöffner. Aber nein, halt! Wie hatte ich denn die Essenspakete öffnen wollen? Mit den Zähnen? Insofern: ein Hoch auf das Taschenmesser!

Vorsichtshalber schüttelte ich den Rucksack noch einmal - wofür ich mit einigen Kleinigkeiten belohnt wurde, die aus den Seitentaschen fielen. Einer Packung Streichhölzer, einer aufgerollten Angelschnur mit Schwimmer, Haken und Angelblei sowie einem Päckchen Kondome. Natürlich hatten die Arkaner nicht die Absicht, die Frauen von Feste zu vergewaltigen. Ein Präser stellt einfach eines der nützlichsten Gegenstände in der Ausstattung eines Soldaten dar. Mit ihm kann der Gewehrlauf gegen Staub geschützt werden, Streichhölzer gegen Wasser, man kann darin Wasser auffangen oder es zwirbeln und als recht ordentliches Gummi für ein selbstgebautes Katapult einsetzen. Und ein Katapult bietet wiederum die Möglichkeit, lautlos und ohne Patronen zu verschwenden Jagd auf kleine Vögel und Tiere zu machen.

Kurzum, ich hatte den Rucksack nicht vergebens mitgehen lassen.

Wenn ich obendrein noch einen Schlafsack und ein Zelt hätte ...

Ich packte die Sachen wieder ein und behielt nur den Kompass draußen. Der Versuchung, einen Schluck Wasser zu trinken, widerstand ich. Wer wusste denn, wie lange mir der eine Liter reichen musste? Schlimmstenfalls - bis ans Ende meiner Tage. Und der erbärmliche Anblick des hiesigen Grases förderte meinen Optimismus nicht gerade.

Ich nahm das Magazin aus dem Gewehr, öffnete es und zählte die Patronen. Hmm. Vierzehn Patronen - reichlich wenig für eine Auseinandersetzung à la Star Wars.

Für die menschenleere Steppe jedoch gerade richtig. Ich stellte den Riemen ein und hängte mir die MPi um den Hals, da der Rucksack mich daran hinderte, sie auf dem Rücken zu tragen.

Jetzt musste ich die Entscheidung treffen, wohin ich ging. Meine innere Uhr stand noch auf Mittag, in meinem Blut rauschte das Adrenalin, das ich auf vernünftige Art abbauen sollte, bevor es stockdunkel war und ich mich wohl oder übel schlafen legen musste.

Mir stand nur ein natürlicher Orientierungspunkt zur Verfügung, die Berge. An der Grenze zwischen der Steppe und den Bergen war es viel wahrscheinlicher, auf Wasser zu stoßen, auf Pflanzen und Leben. Vielleicht sogar auf Menschen.