Выбрать главу

Pamela Hudson, etwas jünger als ihr Mann, war eine Schönheit. Sie wirkte herzlich, aufgeschlossen und natürlich. Sie hatte aschblonde Haare mit ein paar grauen Strähnen, die sie nicht zu kaschieren versuchte.

»Tut mir Leid, dass ich zu spät komme«, entschuldigte sich Dana. »Ich bin Dana Evans. Das ist mein Sohn Kemal.«

»Roger Hudson. Das ist meine Frau Pamela.«

Dana hatte per Internet Erkundigungen über Roger Hudson eingeholt. Sein Vater hatte eine kleine Stahlhütte besessen, die Hudson Industries, die Roger Hudson zu einem Konzern von Weltgeltung aufgebaut hatte. Er war Milliardär, war einst Vorsitzender der Mehrheitsfraktion im Senat und des Wehr- und Streitkräfteausschusses gewesen. Er hatte sich mittlerweile aus dem Geschäftsleben zurückgezogen und war nur mehr als politischer Berater für das Weiße Haus tätig. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte er Pamela Donnelly geheiratet, eine begehrte Schönheit aus guter Familie. Die beiden waren in der Washingtoner Gesellschaft sehr beliebt und politisch überaus einflussreich.

»Kemal, das sind Mr. und Mrs. Hudson«, sagte Dana. Sie wandte sich an Roger. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich ihn mitgebracht habe, aber -«

»Das ist doch völlig in Ordnung«, sagte Pamela Hudson. »Wir wissen über Kemal Bescheid.«

Dana blickte sie erstaunt an. »Ja?«

»Ja. Man hat viel über Sie geschrieben, Miss Evans. Sie haben Kemal in Sarajevo gerettet. Das war großartig von Ihnen.«

Roger Hudson stand schweigend daneben.

»Was dürfen wir Ihnen anbieten?«, fragte Pamela Hudson.

»Danke, ich möchte nichts«, sagte Dana.

Sie blickten Kemal an. Er schüttelte den Kopf.

»Nehmen Sie bitte Platz.« Roger Hudson und seine Frau ließen sich auf der Couch nieder. Dana und Kemal setzten sich auf zwei Lehnsessel, die ihnen gegenüber standen.

»Ich weiß nicht genau, weshalb Sie hier sind, Miss Evans«, sagte Roger Hudson schroff. »Matt Baker hat mich gebeten, mit Ihnen zu sprechen. Was kann ich für Sie tun?«

»Ich möchte mit Ihnen über Taylor Winthrop reden.«

Roger Hudson runzelte die Stirn. »In welchem Zusammenhang?«

»Soweit ich weiß, kannten Sie ihn?«

»Ja. Ich habe Taylor kennen gelernt, als er unser Botschafter in Russland war. Seinerzeit war ich Vorsitzender des Wehr- und Streitkräfteausschusses. Ich ging nach Russland, um die Schlagkraft der russischen Waffen zu begutachten. Taylor begleitete unseren Ausschuss zwei, drei Tage lang.«

»Was für einen Eindruck hatten Sie von ihm, Mr. Hudson?«

Er dachte kurz nach. »Ganz offen gesagt, Miss Evans, war ich von all seinem Charme nicht übermäßig beeindruckt. Aber ich muss zugeben, dass ich ihn für einen ausgesprochen fähigen Mann hielt.«

Kemal blickte sich gelangweilt um, stand auf und schlen-derte ins Zimmer nebenan.

»Wissen Sie, ob Botschafter Winthrop irgendwelche Unannehmlichkeiten hatte, als er in Russland war?«

Roger Hudson warf ihr einen verdutzten Blick zu. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie recht verstanden habe. Was für Unannehmlichkeiten?«

»Irgendetwas . irgendwas, durch das er sich Feinde gemacht haben könnte. Ich meine, regelrechte Todfeinde.«

Bedächtig schüttelte Roger Hudson den Kopf. »Miss Evans, wenn etwas Derartiges vorgefallen wäre, wüsste nicht nur ich es, sondern alle Welt hätte davon erfahren. Taylor Winthrop stand ständig im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Darf ich fragen, worauf Sie mit diesen Fragen hinauswollen?«

»Ich dachte mir«, sagte Dana verlegen, »dass Taylor Winthrop womöglich irgendjemandem irgendetwas angetan hat, das so schlimm war, dass es ein Motiv abgäbe, warum jemand ihn und seine sämtlichen Angehörigen umgebracht haben könnte.«

Hudson und seine Frau starrten sie an.

»Ich weiß«, fuhr Dana rasch fort, »das klingt weit hergeholt, aber dass sie alle in anderthalb Jahren ums Leben gekommen sind, ist nicht minder merkwürdig.«

»Miss Evans«, sagte Roger Hudson barsch, »ich bin alt genug, um mir darüber im Klaren zu sein, dass nichts unmöglich ist, aber das ist - worauf gründet sich Ihr Verdacht?« »Falls Sie damit handfeste Beweise meinen - da habe ich keine.«

»Das wundert mich nicht.« Er zögerte einen Moment. »Ich habe gehört, dass ...« Er verstummte. »Lassen wir das.«

Die beiden Frauen blickten ihn an.

»Sei nicht so schofelig zu Miss Evans, Schatz«, wandte Pamela behutsam ein. »Was wolltest du gerade sagen?«

Er zuckte die Achseln. »Ist nicht weiter wichtig.« Er wandte sich an Dana. »Als ich in Moskau war, ging das Gerücht, dass Winthrop sich auf private Geschäfte mit den Russen eingelassen haben soll. Aber ich gebe nichts auf Gerüchte, und Sie sicherlich auch nicht, Miss Evans.« Es klang beinahe vorwurfsvoll.

Ehe Dana etwas darauf erwidern konnte, ertönte ein lautes Krachen aus der angrenzenden Bibliothek.

Pamela Hudson stand auf und ging eiligen Schrittes nach nebenan. Roger und Dana folgten ihr. In der Tür blieben sie stehen. Eine blaue Ming-Vase war zu Boden gefallen und zerbrochen. Kemal stand neben dem Scherbenhaufen.

»Oh, mein Gott«, sagte Dana erschrocken. »Entschuldigen Sie vielmals. Kemal, wie konntest du nur -?«

»Es war ein Versehen.«

Betreten und mit schamrotem Gesicht wandte sich Dana an die Hudsons. »Das tut mir furchtbar Leid. Ich komme natürlich dafür auf. Ich -«

»Ach, machen Sie sich darum bitte keine Sorgen«, erwiderte Pamela Hudson mit einem aufmunternden Lächeln. »Unsere Hunde stellen noch viel schlimmere Sachen an.«

Roger Hudson zog eine grimmige Miene. Er wollte etwas sagen, doch ein Blick von seiner Frau brachte ihn zum Schweigen.

Dana blickte auf die Überreste der Vase. Die war vermutlich mehr wert, als ich in zehn Jahren verdiene, dachte sie.

»Gehen wir doch wieder ins Wohnzimmer«, schlug Pamela Hudson vor.

Dana zitierte Kemal zu sich und folgte ihnen. »Du bleibst bei mir«, murmelte sie wütend. Sie nahmen wieder Platz.

Roger Hudson musterte Kemal. »Wodurch hast du deinen Arm verloren, mein Junge?«

Dana war überrascht über die offene, unverblümte Art, mit der er diese Frage stellte, doch Kemal ging bereitwillig darauf ein.

»Durch eine Bombe.«

»Aha. Und was ist mit deinen Eltern passiert, Kemal?«

»Die kamen beide bei einem Luftangriff um, und meine Schwester.«

Roger Hudson schniefte. »Verfluchter Krieg.«

In diesem Augenblick kam Cesar herein. »Das Essen ist aufgetragen.«

Das Essen war köstlich. Dana fand Pamela freundlich und umgänglich, Roger Hudson hingegen eher verschlossen.

»Woran arbeiten Sie gerade?«, fragte Pamela Hudson Da-na.

»Wir bereiten eine neue Sendung mit dem Titel Alibi vor. Wir wollen darin einerseits Menschen präsentieren, die Straftaten begangen haben, ohne dass sie dafür belangt wurden, und andererseits denen helfen, die unschuldig im Gefängnis sitzen.«

»Washington ist dafür der beste Ausgangspunkt«, sagte Roger Hudson. »Hier wimmelt es von allerlei scheinheiligen Zeitgenossen an höchster Stelle, die jede nur erdenkliche Straftat begangen haben, ohne dass man sie dafür belangt.«

»Roger sitzt in etlichen Ausschüssen, die sich mit Regierungs- und Verwaltungsreformen befassen«, sagt Pamela Hudson stolz.

»Weil das ja viel nützt«, grummelte ihr Mann. »Die Grenzen zwischen Recht und Unrecht verschwimmen anscheinend immer mehr. So was muss man daheim im Familienkreis lernen. Unsere Schulen bringen einem das bestimmt nicht bei.«

Pamela Hudson wandte sich an Dana. »Übrigens, Roger und ich wollen am Sonnabend eine kleine Dinnerparty geben. Hätten Sie Lust, uns dabei Gesellschaft zu leisten?«

Dana lächelte. »Oh, vielen Dank. Herzlich gern.«

»Haben Sie einen Begleiter?«