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Polizeichef Burnett zögerte einen Moment. »Eine interessante Frage. Es gibt keinerlei Spuren, die auf Gewaltanwendung hindeuten.«

»Wäre es möglich, dass sie Helfershelfer im Haus hatten?«

»Wir gehen nicht davon aus. Das Personal steht schon seit vielen Jahren in Gary Winthrops Diensten.«

»War Gary Winthrop allein zu Hause?«

»Soweit wir wissen, ja. Das Personal hatte frei.«

»Haben Sie eine Auflistung der gestohlenen Bilder?«, rief Dana.

»Jawohl. Es sind lauter bekannte Werke. Wir haben die Liste an sämtliche Museen, Kunsthändler und Sammler weitergegeben. Sobald eines dieser Bilder irgendwo auftaucht, können wir den Fall lösen.«

Verdutzt nahm Dana wieder Platz. Die Mörder müssen sich doch darüber im Klaren gewesen sein, dass sie es nicht wagen können, diese Bilder zu verkaufen. Aber aus welchem Grund haben sie sie dann gestohlen? Und zudem einen Mord begangen? Und wieso haben sie das Geld und den Schmuck nicht mitgehen lassen? Irgendwas stimmt da nicht.

Die Trauerfeier zu Ehren von Gary Winthrop fand in der National Cathedral statt, dem sechstgrößten Gotteshaus der Welt. Die Wisconsin und die Massachusetts Avenue waren abgesperrt, Polizei- und Pressehubschrauber kreisten am Himmel, und der Secret Service wie auch die Stadtpolizei von Washington waren in voller Mannschaftsstärke angerückt. Denn zu den Trauergästen, die darauf warteten, dass der Gottesdienst endlich anfing, zählten unter anderem der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, ein gutes Dutzend Senatoren und Kongressabgeordnete, ein Vertreter des Obersten Gerichtshofs, zwei Kabinettsmitglieder und zahlreiche Würdenträger aus aller Welt. Draußen auf der Straße versammelten sich unterdessen Hunderte von Schaulustigen, teils aus Hochachtung vor dem Toten, teils aber auch nur, um den einen oder anderen Prominenten zu Gesicht zu bekommen.

Dana hatte den Eindruck, als ob die Menschen nicht nur Gary die letzte Ehre erweisen wollten, sondern seiner ganzen Familie, dieser vom Unglück geschlagenen Dynastie. Sie hatte zwei Kamerateams im Einsatz. Eines draußen, das andere drinnen im Kirchenraum, in dem Totenstille herrschte.

»Gottes Wille stellt uns mitunter vor ein Rätsel«, hob der Pfarrer an. »Die Winthrops haben ihr Leben der Hoffnung gewidmet. Sie gaben Millionen von Dollar für Schulen und Gotteshäuser, für die Obdachlosen und die Hungrigen. Und sie scheuten dabei weder Zeit noch Mühe. Vor allem Gary Winthrop war es, der diese Tradition fortführte. Umso weniger vermögen wir zu begreifen, weshalb ausgerechnet diese Familie, die so engagiert und großzügig war, so grausam dahingerafft wurde. Aber in gewisser Weise sind sie gar nicht von uns gegangen, denn sie leben in dem Vermächtnis weiter, das sie uns hinterlassen haben. Wir dürfen stolz sein auf sie und alles, was sie für uns getan haben .«

Gott sollte nicht zulassen, dass solche Menschen eines so schrecklichen Todes sterben, dachte Dana bedrückt.

Danas Mutter rief an. »Meine Freunde und ich haben deinen Bericht von der Trauerfeier gesehen, Dana. Als du über die Verdienste der Winthrops gesprochen hast, dachte ich einen Moment lang, du würdest gleich weinen.«

»Ich auch, Mutter. Ich auch.«

Dana konnte an diesem Abend kaum einschlafen. Und als sie endlich zur Ruhe kam, träumte sie wirres Zeug - von Feuersbrünsten, Autounfällen und Schießereien. Mitten in der Nacht fuhr sie plötzlich hoch und setzte sich auf. Fünf Menschen, die alle der gleichen Familie entstammten, sind innerhalb von anderthalb Jahren ums Leben gekommen. Das kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.

4

»Worauf wollen Sie hinaus, Dana?«

»Matt, ich will damit sagen, dass es kein reiner Zufall sein kann, wenn in anderthalb Jahren fünf Mitglieder einer Familie gewaltsam zu Tode kommen.«

»Dana, wenn ich Sie nicht kennen würde, würde ich einen Psychiater rufen und ihm erklären, dass sich eine Verrückte in meinem Büro aufhält, die behauptet, der Himmel stürzt ein. Meinen Sie etwa, wir haben es hier mit einer Art Verschwörung zu tun? Wer soll denn dahinter stecken? Fidel Castro? Die CIA? Oliver Stone? Um Himmels willen, ist Ihnen denn nicht klar, dass es jedes Mal, wenn irgendein Prominenter umkommt, hunderte von Verschwörungstheorien gibt? Letzte Woche kam jemand hier herein und hat behauptet, er könnte beweisen, dass Lyndon Johnson Abraham Lincoln umgebracht hat. Washington erstickt förmlich in Verschwörungstheorien.«

»Matt, wir bereiten gerade Alibi vor. Sie wollen doch, dass wir mit einem Hammer anfangen? Also, wenn ich Recht habe, könnte das einer sein.«

Matt Baker saß einen Moment lang da und musterte sie. »Sie verschwenden Ihre Zeit.«

»Danke, Matt.«

Das Archiv der Washington Tribune, in dem tausende von Aufzeichnungen früherer Sendungen lagerten, alle ordentlich erfasst und verzeichnet, befand sich im Keller des Gebäudes.

Laura Lee Hill, eine attraktive Brünette um die vierzig, saß an ihrem Schreibtisch und trug neue Videobänder in ihr Verzeichnis ein. Sie blickte auf, als Dana eintrat.

»Hi, Dana. Ich habe Ihren Bericht von der Beerdigung gesehen. Meiner Meinung nach haben Sie das großartig gemacht.«

»Vielen Dank.«

»Ist das nicht eine schreckliche Tragödie?«

»Furchtbar«, pflichtete Dana bei.

»Man weiß eben nie, wie’s kommt«, sagte Laura Lee düster. »Nun denn, was kann ich für Sie tun?«

»Ich möchte mir ein paar Bänder über die Familie Winthrop ansehen.«

»Irgendwas Spezielles?«

»Nein. Ich möchte mir nur einen Eindruck davon verschaffen, wie sie waren.«

»Ich kann Ihnen sagen, wie die waren. Die reinsten Heiligen waren sie.«

»Das höre ich ständig«, erwiderte Dana.

Laura Lee Hill stand auf. »Ich hoffe, Sie haben viel Zeit, meine Liebe. Wir haben tonnenweise Material über sie.«

»Gut. Ich hab’s nicht eilig.«

Laura Lee Hill führte Dana zu einem Schreibtisch, auf dem ein Fernsehgerät stand. »Bin gleich wieder da«, sagte sie. Fünf Minuten später kehrte sie mit einem Arm voller Bänder zurück. »Sie können schon mal mit denen anfangen«, sagte sie. »Es kommen noch mehr.«

Dana betrachtete den Stapel Videobänder. Vielleicht bin ich ja wirklich verrückt, dachte sie. Aber wenn ich Recht habe ...

Dana legte ein Band ein, worauf ein geradezu atemberaubend gut aussehender Mann am Bildschirm auftauchte. Er hatte ein ausgeprägtes, markantes Gesicht, dichte dunkle Haare, klare blaue Augen und ein kräftiges Kinn. Neben ihm stand ein kleiner Junge. »Taylor Winthrop hat ein weiteres Freizeitlager für Kinder aus bedürftigen Familien gegründet.

Sein Sohn Paul, der ihn begleitet, freut sich bereits aufs Mitspielen. Dies ist bereits das zehnte derartige Lager, das Taylor Winthrop aufgebaut hat. Mindestens ein Dutzend weiterer sind in Planung.«

Dana wechselte das Band. Die nächste Aufnahme war auf dem Rasen vor dem Weißen Haus gefilmt worden. Taylor Winthrop stand neben dem Präsidenten, der gerade sagte: ». und ich habe ihn zum Leiter der FRA ernannt, der Federal Research Agency. Diese Behörde soll Entwicklungsländern in aller Welt Unterstützung gewähren, und ich wüsste nicht, wer besser für die Führung eines solchen Unternehmens geeignet wäre als Taylor Winthrop .«

Dana drückte auf eine Taste, worauf das Bild wechselte. Ein älter wirkender Taylor Winthrop mit grau meliertem Haar schüttelte einer Reihe von Würdenträgern die Hand. »... hat soeben bestätigt, dass er zum Nato-Berater ernannt wurde. Taylor Winthrop wird innerhalb der nächsten Wochen nach Brüssel abreisen, um .«

Das nächste Bild flackerte über den Monitor, aufgenommen am Aeroporto Leonardo da Vinci bei Rom, wo Taylor Winthrop gerade aus einem Flugzeug stieg. »Mehrere Staatsoberhäupter sind hier anwesend, um Taylor Winthrop zu empfangen, der ein neues Wirtschaftsabkommen zwischen Italien und den Vereinigten Staaten aushandeln wird. Die Tatsache, dass Mr. Winthrop vom Präsidenten ausgewählt wurde, um diese Verhandlungen zu führen, zeigt, welche Bedeutung ihnen zukommt .«