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»Ich wäre erheblich sicherer, wenn du aufhören würdest, mich zu plagen, und statt dessen aus der Entfernung auf mein Signal warten würdest«, erwiderte die Magusch durch ihre zusammengebissenen Zähne. »Schiannath, mach, daß du hier wegkommst und kehr nicht zurück, bis es …«

»Aurian, da kommt jemand!« Nerenis Stimme war ein drängendes Flüstern. Aurian fluchte und riß ihre Hände aus der Umklammerung des Xandim.

»Verhalte dich ganz ruhig, bis sie wieder gegangen sind«, zischte sie Schiannath zu und stolperte zur Leiter. In ihrer Hast war sie so unbeholfen, daß sie auf einer abgetretenen Stufe ausglitt und sich nur mit Mühe davor bewahren konnte, Hals über Kopf die Leiter hinunterzustürzen. Mit einem heftigen Aufprall kam sie auf dem Boden zu stehen. Irgendwo in ihrem Leib spürte sie einen stechenden Schmerz, aber dieser Eindruck ging in einer Woge des Entsetzens unter, die sie vollkommen verschlang, als sie sich der Tür zuwandte. Miathan kam! Sie erkannte den Klang dieser drohenden Schritte auf den Stufen, und obwohl sie ihre Kräfte verloren hatte, konnte sie selbst durch die geschlossenen Türen den Puls seiner Gedanken spüren, in denen ein tödlicher Zorn kochte. Draußen sammelten sich die Wölfe, und ihre schrillen, einsamen Klagen hallten überall um den Turm herum wider, während die Schritte immer näher kamen.

Die Tür flog auf. Auf der Schwelle stand der Erzmagusch in Harihns Körper, den er wie einen schlecht sitzenden Mantel trug.

Harihns hübsche Züge waren zu einer grimmigen Fratze verzogen. In seinen dunklen Augen lag ein wildes, unbeherrschtes Glitzern. »Hinaus!« Nur dieses eine Wort fauchte er Nereni zu. Die kleine Frau warf noch einen verängstigten Blick auf Aurian, dann verschwand sie mit totenbleichem Gesicht aus dem Zimmer. Miathan schloß mit einem Tritt die Tür und drehte sich dann langsam zu der Magusch um.

»Wie war es Anvar möglich zu entkommen?« In seiner Stimme schwang ein so tiefer, tödlicher Zorn mit, daß Aurian erbebte, obwohl ihr Herz einen Freudensprung machte. Anvar war frei! Ihr Plan mußte funktioniert haben. Sie holte tief Luft und versuchte, Ordnung in ihre durcheinanderwirbelnden Gedanken zu bringen, aber sie schaffte es einfach nicht, die Freude zu verbergen, die sie in diesem Augenblick empfand.

Rotes Feuer loderte hinter Miathans Augen auf. »Verfluchtes Weib! Du wußtest davon.« Sein unvermittelter Angriff schleuderte sie quer durch das Zimmer. So außer sich war er vor Zorn, daß er nicht an ihren Zustand dachte, als er sie gegen die Wand schleuderte und dort festhielt; seine Finger spannten sich wie Klauen und bohrten sich wie Stahl in ihre Schultern. Abermals spürte Aurian diesen dolchscharfen Schmerz in ihrem Körper und ächzte.

»Wie ist Anvar entkommen?« Miathans Hand schoß vor und schlug ihr den Kopf zur Seite. »Sag es mir! Wie ist es möglich, daß er den Tempel von Incondor in Schutt und Asche legen konnte? Was habt ihr auf euren Reisen gefunden, das ihm solche Macht verleiht

Seine Augen bohrten sich in die ihren, und eingegraben in ihren sengenden Tiefen sah Aurian einen leisen Funken des Zweifels aufflackern, einen Schatten von Angst. Miathan schlug sie noch einmal, schlang sich einen Teil ihrer Haare um die Hand und riß ihr mit einem grausamen Ruck den Kopf in den Nacken. Aurian biß die Zähne zusammen. Obwohl ihr Tränen des Schmerzes in die Augen traten, weigerte sie sich zu schreien. Statt dessen lachte sie hart und schrill, denn sie brauchte irgendeine Möglichkeit, die Spannung zu lösen, und als sie ihren Kopf wieder drehen konnte, spuckte sie dem Erzmagusch ins Gesicht.

»Ist das vielleicht Angst; was ich da sehe?« verhöhnte sie ihn. »Der große Erzmagusch Miathan fürchtet sich vor einem niedrigen Diener, einem Halbblut? Dein großer Fehler war es, Anvar zu unterschätzen. Was mich überrascht, da du selbst sein Vater bist.« Sie schleuderte Miathan ihr Wissen ins Gesicht und sah, wie er erbleichte.

»Lügnerin!« heulte er auf. »Ich kenne das Ausmaß von Anvars Kräften! Ich habe sie selbst lange genug besessen. Was habt ihr auf euren Reisen gefunden, das der Macht des Kessels gleicht?«

Aurian fühlte sich in die Enge getrieben und verzweifelte schier angesichts der Notwendigkeit, das Geheimnis des Erdenstabs zu bewahren. »Nichts!« kreischte sie. »Anvar braucht nichts, nur seinen Haß auf dich. Und das ist alles, was du jemals von mir bekommen wirst, Erzmagusch, nichts als Haß und unsterbliche Verachtung!«

Miathan schien vor ihren Augen zu verfallen. Es war schwer, die Feinheiten seines Gesichtsausdrucks zu deuten, aber die Magusch war erstaunt zu sehen, daß sich in seinen Zügen plötzlich so etwas wie Qual widerspiegelte. »Das tut weh«, sagte er sanft. »Du hast ja keine Ahnung, wie weh es tut, wenn du dich von mir abwendest und bei meiner Berührung schauderst.«

Sein Geständnis verwirrte die Magusch. »Gut«, fuhr sie ihn an. »Jetzt weißt du wenigstens, wie das ist. Du hast nie darüber nachgedacht, wie weh du mir getan hast, als du Forral ermordet hast. Es kümmert dich nicht, daß du mir jetzt weh tust mit dem, was du meinen Freunden und Anvar angetan hast. Und mit dem, was du meinem Kind androhst. Ist es dir nie in den Sinn gekommen, daß ich dich für deine Grausamkeit hassen würde? Ist dein Verstand wirklich schon so sehr getrübt?«

Aurian atmete tief durch und wartete darauf, daß der Sturm seines Zorns sich über sie ergießen würde. Aber nichts geschah. Miathan schüttelte nur traurig den Kopf. »Du hast mich früher geliebt, als du noch jünger warst. Vergiß das nicht. Und ungeachtet all dessen, was ich getan habe, Aurian, habe ich nie aufgehört, dich zu lieben.«

Aurians Gedanken überschlugen sich, denn sie weigerte sich zu akzeptieren, daß Miathan sie auf seine eigene, kranke, verdrehte Weise immer noch gern hatte. Unzählige Bilder von ihrer Jugend blitzten vor ihrem inneren Auge auf, aus einer Zeit, als der Erzmagusch ein Vater für sie gewesen war, ihr geliebter Lehrer, bevor Forral zurückgekehrt war und sich zwischen sie gestellt hatte. War das der Zeitpunkt, an dem das Gute in Miathan zu verfallen begonnen hatte? Oder war die Krankheit schon lange vor dieser Zeit ausgebrochen? Der Magusch tat es von ganzem Herzen leid um jene ersten, guten Jahre, aber das konnte ihre jetzigen Gefühle nicht ändern. Der Gedanke an ihr Kind und die Erinnerung an Forrals totes Gesicht löschten alles Mitleid für Miathan aus. »Und ich habe nie aufgehört, dich zu hassen«, zischte sie. »Nicht seit jenem Tag, an dem du Forral ermordet hast. Ich werde dich verachten bis zu dem Tag, an dem ich sterbe.«

Miathans Gesichtsausdruck wurde wieder hart. »Nun, das werden wir ja sehen!« Plötzlich schoß seine Hand wieder empor und legte sich wie ein Schraubstock um ihre Kehle. »Du brauchst nur einen Muskel zu bewegen, und ich würge dir den letzten Atemzug aus dem Leib«, zischte er. Mit einer grauenhaften Sicherheit, die wie ein Stein in ihrer Brust lag, wußte Aurian, daß sie ihn zu weit getrieben hatte.

Mit seiner freien Hand griff Miathan in den Ausschnitt ihres losen Gewandes und riß es ihr vom Leib. Dann bog er ihr den Arm grausam nach hinten, zog sie von der Wand weg und warf sie auf die schmale Pritsche, die ihr als Bett diente. Wieder durchschoß sie dieser Schmerz – und diesmal schlimmer noch als zuvor, so heftig, daß sie laut aufschrie. In diesem Augenblick der Hilflosigkeit stürzte Miathan sich auf sie, kniete sich über sie, und während seine Hand nach wie vor ihre Kehle umklammerte, bedrängte er sie mit der ganzen Kraft von Harihns durchtrainiertem, jugendlichem Körper.

Aurian suchte würgend und mit wild hämmerndem Herzen unter den Decken, auf denen sie lag. Ihre Hand schloß sich um das kalte Metall von Schiannaths Dolch, und sie zielte auf Miathans Kehle, aber in diesem Augenblick raubte ein neuer Anfall krampfartiger Schmerzen ihr die Kraft, so daß sie sich unter seinen Händen nur noch wand und krümmte.

Die Klinge ging weit daneben, der Dolch kratzte über Miathans Schlüsselbein und bohrte sich in seine Schulter. Der Erzmagusch schrie vor Schmerz laut auf, und seine Hand um ihre Kehle wurde schlaff, aber Aurian war nicht in der Verfassung, aus seiner mißlichen Lage Vorteile zu ziehen. Zusammengekrümmt und keuchend spürte sie, wie warme Feuchtigkeit unter ihr über die Decken lief.