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»Na schön, wir kommen ja schon«, seufzte Aurian resigniert. »Das heißt, sobald wir ein paar Geflügelte vom Himmel herunterwinken können, damit sie uns zu euch tragen.«

Sie rollte sich zur Seite und fluchte. »Autsch! Worauf liege ich denn da bloß?«

»O ihr Götter«, rief Anvar entsetzt. »Das habe ich ja vollkommen vergessen! Die Harfe, Aurian! Ich habe die Windharfe!«

»Was?« rief Aurian. »Warum hast du mir das denn nicht vorher gesagt, verflixt noch mal?«

Anvar grinste. »Nun ja, ich war vorher gewissermaßen etwas abgelenkt … Hier, wir sollten uns lieber wieder anziehen, bevor wir erfrieren, und dann werde ich sie dir zeigen. Aber immer eins nach dem anderen.« Anvar gab Aurian den Stab der Erde mit einer Verbeugung zurück. »Ich glaube, das gehört dir, Lady.«

Die Freude und Erleichterung, die sich in Aurians Gesicht widerspiegelte, als sie den Stab entgegennahm, ließ Anvar lächeln. Dann hielt er ihr die Harfe hin, und ihre Augen weiteten sich vor Staunen, als sie der schimmernden Schönheit des Artefakts gewahr wurde.

»O Anvar …« Aurian wollte die Windharfe ergreifen, aber als sie die Hand danach ausstreckte, durchflutete Anvar plötzlich ein seltsamer und mächtiger Widerwille, das Artefakt einem anderen zu überlassen. Die Harfe schien einem Wechsel ihres Beschützers mit ähnlicher Mißbilligung entgegenzusehen. Schrille Vibrationen durchzuckten Anvars Körper, als sie mißtönend zu schwirren begann. »Nein …« sang sie ihm zu. »Nein!« Beinahe aus eigenem Willen schien sie vor Aurians ausgestreckten Händen zurückzuzucken, und Anvar wurde steif vor Bestürzung, als er ihr Stirnrunzeln sah. Ein Schatten schien sich zwischen sie zu senken. Dann entspannte Aurian sich und schüttelte mit einer etwas gequälten Grimasse den Kopf. Da wagte Anvar es endlich, wieder zu atmen.

»Nun, die Harfe weiß jedenfalls genau, was sie will – und das scheine nicht ich zu sein«, sagte Aurian ein wenig kläglich. »Wie dumm von mir – ich hätte es wissen müssen. Alles paßt zusammen, Anvar. Du hast die Harfe gewonnen, so wie ich den Stab gewonnen habe – und um ehrlich zu sein, du bist schließlich der Musiker, nicht ich.« Sie holte tief Luft. »Es hätte einfach nicht vollkommener sein können.«

Anvar war überwältigt und gedemütigt von solcher Großzügigkeit. »Aber du solltest doch eigentlich die Artefakte finden«, protestierte er.

Aurian schüttelte den Kopf. »Das hat nie jemand behauptet, weder der Drache noch der Leviathan. Sie haben nur gesagt, daß alle drei notwendig wären. Der Drache sagte, daß das Schwert mir gehören würde, aber was die anderen Artefakte betrifft … Anvar, ich bin wirklich froh, daß du die Harfe hast. Nach dem, was wir gerade miteinander geteilt haben, könnte ich es nicht ertragen, wenn die Artefakte sich zwischen uns stellen würden.«

Anvar umarmte sie – bei den Göttern, es sah so aus, als könnte er einfach nicht genug von ihr bekommen. »Du wirst die Harfe auch benutzen können, wenn es sein muß«, versprach er ihr. »Ich werde ihr schon Manieren beibringen – aber im Augenblick ist sie noch so neu für mich.«

Aurian nickte ernsthaft. »Ich weiß genau, was du meinst. Wenn ich daran denke, welche Kämpfe es mich gekostet hat, bevor ich den Stab zu beherrschen gelernt habe …« Sie seufzte. »Und da wir schon vom Kämpfen sprechen, es wird langsam Zeit, daß wir hier verschwinden. Wir haben noch einiges mit Rabe zu besprechen, und dann muß ich unbedingt zurück zu Wolf. Und wenn wir die Xandim dazu bringen können, uns zu helfen …« Sie zögerte, und ihre grünen Augen schienen in weite Fernen zu blicken.

»Was dann?« drängte Anvar sie weiter.

Aurians Gesichtsausdruck wurde hart. »Dann gehen wir zurück nach Norden, nach Nexis, um Miathan zu besiegen – und Eliseth.« Sie schauderte. »O ihr Götter, ich bin diesen endlosen Winter, den sie geschaffen hat, aus ganzem Herzen leid.«

Plötzlich wußte Anvar, was er tun mußte. Er war so voller Staunen und Freude darüber, daß Aurian ihrer beider Liebe endlich akzeptiert hatte, daß er ihr etwas schenken wollte – etwas Großes und Wunderbares, ein ganz besonderes Geschenk … Er drehte sich zu der Magusch um und grinste. »Dein Wunsch«, sagte er fröhlich, »ist mir Befehl.« Mit diesen Worten hob er die Windharfe hoch und begann zu spielen.

Der wilde, unirdische Sternengesang der Harfe erhob sich in den Himmel, als die Macht der Hohen Magie durch Anvar hindurchpulsierte und in die Welt hinausströmte. Hoch oben auf dem Dach der Welt begann der Schnee von Eliseths Winter zu schmelzen, und das Tauwetter breitete sich aus bis hinein in das Territorium der Katzen und in das Land der Xandim. In der Juwelenwüste verloren die tödlichen Sandstürme ihre Kraft, und Edelsteinstaub fiel zu Boden wie prasselnder Regen. Warme Winde, in denen eine schimmernde Musik lebte, überquerten den Ozean, und endlich kam auf Anvars Geheiß der Frühling in die Länder des Nordens.

Als Aurian klar wurde, was Anvar tat, breitete sich ein leises Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Einen Augenblick lang erinnerte sie sich an den schmutzigen, geprügelten, zu Tode erschrockenen Diener, den sie vor so langer Zeit gerettet hatte, und sie glaubte, ihr Herz müsse bersten vor lauter Stolz und Liebe. Auch sie wollte ihm ein Zeichen ihrer Liebe geben.

Aurian legte Anvar eine Hand auf die Schulter, während er weiterspielte. Dann rief sie die Macht des Erdenstabs und richtete seine Spitze auf den Boden. Als das smaragdgrüne Leuchten des kostbaren Artefakts erstrahlte, begannen die Berge und Täler um sie herum zu ergrünen. Bäume ließen Blätter und Blüten sprießen, und unter ihnen wuchsen Blumen aus dem Boden und überzogen die Erde mit kraftvollen Farben, während die Ketten des qualvollen Winters endgültig fielen und das Land wiedergeboren wurde, wie Aurians Herz wiedergeboren worden war.

Aurians Gedanken pulsierten voller Jubel– Sie lächelte bei dem Gedanken an den Zorn des Erzmagusch. Obwohl noch viel zu tun blieb, hatten Anvar und sie Miathan endlich, endlich einen ersten schweren Schlag versetzt.

Und weit im Norden, in einem hohen Turm der Stadt Nexis, stand Eliseth und zitterte.