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Aurian war zutiefst erleichtert, als sie sich endlich in einer von Eliizars grob gefertigten Hütten neben Anvar zusammenrollen konnte. Aber noch während sie das tat, schossen ihr weitere Pläne durch den Kopf, und es fiel ihr schwer, einzuschlafen. »Was glaubst du, wie bald wir in der Lage sein werden, von hier aufzubrechen?« fragte sie Anvar.

Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Unsere Freunde haben sehr hart gearbeitet, seit wir angekommen sind, aber es ist trotzdem noch viel zu tun.«

»Und in der Zwischenzeit müssen wir immer jemanden von der Arbeit freistellen, damit er ein Auge auf Harihn und seine Leute hat, um sicherzugehen, daß sie sich nicht plötzlich in unsere Richtung verirren«, stimmte Aurian ihm zu.

Anvar nickte. »Es ist anscheinend ein großer Wald, und Rabe sagt, sie hätten ihr Lager am Nordrand aufgeschlagen. Wahrscheinlich haben sie die Absicht, nach Norden weiterzureisen, so daß sie nicht hierher zurückkommen werden.«

Stirnrunzelnd hielt er inne. »Irgend etwas gefällt mir an dieser Sache nicht. Warum sind sie überhaupt noch hier? Sie waren ein gutes Stück vor uns, und sie haben alles mitgenommen, was in Dhiammara gelagert war, daher müssen sie für die Überquerung der Berge doch bereits ausgerüstet sein. Warum diese Verzögerung?«

Aurian spürte ein unangenehmes Prickeln zwischen den Schulterblättern. »Anvar, ist es möglich, daß sie auf uns warten? Ich meine, Yazour hat doch Pferde mitgenommen, als er vor Harihn geflohen ist. Sie müssen also gewußt haben, daß wir noch aus Dhiammara entwischt sind …«

Anvar schüttelte den Kopf. »Aber wenn das ein Hinterhalt sein soll, hätten sie doch sicher Späher im Wald aufgestellt. Und welcher Augenblick wäre besser für einen Angriff geeignet als der, in dem wir aus der Wüste kamen? Die anderen waren durch unsere Ankunft abgelenkt, und wir waren ganz bestimmt nicht in einem Zustand, in dem wir uns hätten verteidigen können.«

»Um ehrlich zu sein, bin ich jetzt immer noch nicht in einem viel besseren Zustand.« Aurian gähnte. »Ich bin so müde, daß ich nicht einmal mehr geradeaus denken kann.«

»Du armes, altes Ding«, neckte Anvar sie.

»Armes, altes Ding, wahrhaftig«, knurrte Aurian, aber sie kicherte dabei und legte sich endlich neben ihn, um zu schlafen.

Forral, der sie beobachtete, seufzte. Obwohl er wußte, daß es töricht von ihm war, und obwohl er versuchte, im Geiste seiner verlorenen Liebe gegenüber großzügig zu sein, gab es doch Zeiten, da schien ihm ihre wachsende Vertrautheit mit Anvar wie ein bitterer Betrug. Die Sehnsucht im Herz des Schwertkämpfers war ein alles umfassender Schmerz. »Ich hätte derjenige sein sollen …« Seine Hand bewegte sich vorsichtig auf die Oberfläche des Teichs zu …

»Genug!« Forral erbebte, als der kühle, körperlose Griff des Todes auf seiner Schulter zu spüren war und ihn von dem Brunnen wegzog. »Du hast genug gesehen«, sagte die Erscheinung. »Habe ich dich nicht gewarnt, daß es schmerzlich für dich sein würde? Komm jetzt. Du weißt, daß Aurian eine Zeitlang im Wald in Sicherheit sein wird. Gib dich damit zufrieden und überlaß die Lebenden ihren eigenen Problemen.«

Heiße Worte des Protestes formten sich auf Forrals Lippen, bis er sich an das letzte Bild von Aurian erinnerte, wie sie sieh an Anvar schmiegte. Er hatte sich vorher selbst gesagt, daß es ihm nur um ihre Sicherheit ging, aber der Tod hatte recht. Er wußte, daß sie jetzt in Sicherheit war, und wenn er sie weiter beobachtete, war es fast so, als spionierte er ihr nach, und das würde keinem von ihnen guttun. Forral, der um die Jahre trauerte, die er und Aurian verloren hatten, ließ sich schließlich wegführen.

Aurian, der es immer schwerer gefallen war, die Augen offenzuhalten, schlief endlich ein. Vielleicht war es die Nachwirkung des Kampfes in der Wüste oder die natürliche Folge eines gefühlsmäßig so aufwühlenden Tages. Vielleicht war es auch die relative Kühle des Waldes oder Nerenis stark gewürzter Eintopf, der dazu führte, daß die Magusch in dieser Nacht von Eliseth träumte. Vielleicht war es aber auch mehr als das.

Aurian träumte, daß die Wettermagusch hoch oben auf dem Maguschturm in Nexis stand; die Arme dem mitternächtlichen Himmel entgegengestreckt, rief sie aus den brodelnden Wolken, die sich über der Stadt angesammelt hatten, erneut den Sturm herab. In einer Hand trug sie einen langen, glitzernden Speer aus Eis. Schnee wirbelte um sie herum und vermischte sich mit den im Wind tanzenden Strähnen ihres silbernen Haares, während sie sich auf die niedrige Brüstung stellte, die um die Spitze des Turms herumlief. Die kalte Vollkommenheit ihres Gesichtes leuchtete triumphierend auf. Dann sprang sie mit einem wilden, schrillen Schrei plötzlich in die Höhe – in die Höhe und fort von dem Turm. Die Eisschwingen des Sturms trugen sie empor. Und sie kam nach Süden. Nach Süden über den Ozean, nach Süden über das Land der Xandim hinweg ritt sie auf den Flügeln des Winters auf die Berge zu …

Aurian wachte plötzlich zitternd auf, und ihr Herz jagte. »Wie dumm!« sagte sie energisch zu sich selbst. »Es war nur ein Traum. Nichts als ein Traum. Eliseth ist tot …, oder?«

Chiamh, der – außerhalb seines Körpers – verloren in den Tiefen der Festung herumirrte, geriet in Panik und floh blind durch die Risse des Labyrinths, die das Gebäude belüfteten. Was würde aus seinem Körper werden, wenn er nicht mehr zurückfand? Würde er sterben? Was wäre, wenn sie ihn fanden und dachten, er wäre tot und …

»Komm schon! So ein Gedanke ist absolut lächerlich

Als er diese geheimnisvolle Stimme zum ersten Mal gehört hatte, hätte er vor Angst um ein Haar den Verstand verloren, aber diesmal war es etwas anderes. Chiamh war noch nie in seinem Leben so froh gewesen, ein anderes, lebendiges Geschöpf zu hören. »Wer bist du? Wo bist du? Kannst du mir hier heraushelfen?« flehte er.

»Hättest du dich besser konzentriert, bräuchtest du jetzt nicht meine Hilfe«, schalt ihn die Stimme. »Aber wie dem auch sei, da du das einzige Mitglied deiner kümmerlichen Rasse bist, das mich hören kann, muß ich dir wohl helfen – aber laß dir das eine Lehre sein und sei in Zukunft vorsichtiger. Beobachte die Luft, kleines Windauge – und folge meinem Licht

Ernüchtert versuchte Chiamh, sich zu fassen und sich auf die silbrigen Bänder tanzender Luft zu konzentrieren. Er folgte ihnen bis zu einer Stelle, an der sich zwei Wege kreuzten – und keuchte, als eines der Bänder sich von den anderen löste. Das abtrünnige Band, das in einem warmen, goldenen Licht erglühte, schoß mit einer scharfen Kurve in einen Spalt auf der rechten Seite. Das Windauge folgte ihm, wie es sich durch das Netzwerk der Risse bald hierhin und bald dorthin wandte, bis Chiamhs umherstreifender Geist endlich mit einer letzten Krümmung und einem plötzlichen Satz in das vertraute, staubige Gewirr seiner eigenen Gemächer hineinstolperte.

Schwach vor Erleichterung kehrte das Windauge in die vollkommene Sicherheit seines Körpers zurück. Während er sich mit zitternden Händen seine kalten, verspannten Glieder rieb, wurde ihm klar, daß er sich bei seinem mysteriösen Wohltäter noch nicht bedankt hatte. »Bist du noch da?« erkundigte er sich zaghaft, denn es war ihm doch etwas peinlich, sich laut mit leerer Luft zu unterhalten.

»Ich bin überall in diesen Mauern – und du brauchst nicht laut zu sprechen. Benutze deine Gedanken, wie du es gerade eben noch getan hast

»Ich – ich möchte dir dafür danken, daß du mich gerettet hast«, stammelte Chiamh. »Ich weiß nicht, weshalb du den Weg kanntest, aber …«

»Wieso sollte ich den Weg denn nicht kennen?« erwiderte die Stimme. »Obwohl – wenn lauter Sterbliche in meinem Körper herumkrabbeln …«