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Dennoch mußte es Feuer sein. Glücklicherweise würde er nur einen winzigen Feuerball benötigen. Zu mehr hätte er auch nicht die Energie gehabt, und da seine Kontrolle über das Feuer nicht so gut war, war das Risiko, sich selbst zu verbrennen, bei einer kleinen Flamme geringer. Also reckte der Magusch seinen Hals so weit es ging, um an seiner Brust herunterzublicken, dort wo die Maschen drei- oder viermal um seinen Körper geschlungen waren. Um seine Arme freizubekommen, mußte dieser Wirrwarr von Seilen als erstes verschwinden.

Er biß sich auf die Lippen – wie viele Male hatte er Aurian das tun sehen, wenn sie einen Zauber aufbaute. Dann griff Anvar tief in sich hinein, um den Ursprung seiner Kraft zu finden. Ah! Mit der ganzen Kraft seines Willens drängte er die Magie, die er fand, zusammen, fester und fester, bis sie einen winzigen Funken wild glühender Energie formte. Vor seinem inneren Auge führte der Magusch sie an den Ort, an dem er sie haben wollte, wo sich die Maschen über seiner Brust kreuzten – dann nährte er die kleine Flamme mit aller Kraft seiner Liebe zur Magie, er hegte sie, ermutigte sie, zu wachsen und zu gedeihen – nur ein klein wenig zuerst – dann noch etwas mehr …

Der scharfe Geruch versengten Hanfs stach ihm in die Nase, und ein kleines Rauchwölkchen stieg vor ihm auf. Dann begann das Seil vor Anvars Augen Strang um Strang schwarz zu werden und rot aufzuglühen, entzwei zu reißen und sich Faden für Faden aufzulösen, während ein kleiner Feuerfunke an jedem abgerissenen Ende aufglomm wie das Auge eines Drachen.

Schließlich stieg dem Magusch sein Erfolg zu Kopf – oder vielleicht lag es auch nur daran, daß das Seil trocken wie Zunder war. Jedenfalls brach ein Teil des Seils von der Größe von Anvars Hand in Flammen aus. Mit einem lauten Schrei rollte er sich zur Seite und versuchte, das Feuer zu löschen. Plötzlich riß das Seil entzwei, und seine Arme waren frei. Durch seine Bewegung hatte er die Flammen fast völlig gelöscht, und nun schlug er mit verzweifelter Kraft auf den glimmenden Rest ein, bis er sicher war, daß das Netz nicht mehr brannte. Halb fluchend, halb lachend vor Erleichterung, setzte Anvar sich auf und begann, mit zitternden Händen den Wirrwarr um seine Beine herum zu lösen.

Endlich war er frei, aber er war so lange gefesselt gewesen, daß seine Beine ihn zuerst nicht tragen wollten. Also kroch er zur Öffnung der Höhle hinüber, wo der Wind auf einer Seite einen kleinen Haufen Schnee hingeweht hatte. Er hatte sich seine Hände beim Löschen seines selbstgemachten Feuers nicht schlimm verbrannt, steckte sie aber dennoch in den lindernden Schnee, bis alle Hitze aus seinen Handflächen gewichen war. Dann strich er sich ein wenig von dem Schnee auf die kribbelnde Haut seiner Brust, wo die Flammen ihm ebenfalls zu nahe gekommen waren.

Als das erledigt war, versuchte Anvar, aus seinem Gefängnis hinauszuschauen, aber wieder einmal hatte sich ein Unwetter herabgesenkt, und er konnte jenseits der Öffnung nichts sehen als dunkelgraue Wolken und dichte, wogende Schneevorhänge. Wie weit es bis zum Boden war, wußte er nicht, doch eines stand fest – wenn sie ihn hier eingesperrt hatten, dann mußte es verdammt tief sein! Aber wie dem auch sei, er konnte nichts tun, solange er nichts sehen konnte. Mit einem verbitterten Seufzer kroch Anvar zurück in sein Gefängnis und stellte fest, daß es besser ausgestattet war, als er erwartet hatte. Schwarzkralle hatte offensichtlich Boten vorgeschickt. In einer Ecke standen zwei große Wasserkrüge und ein mit Nahrungsmitteln großzügig gefüllter Korb. Dahinter lag auf der gegenüberliegenden Seite der Höhle ein großer Haufen Feuerholz. Sehr vorsichtig und mit der Erinnerung an sein jüngstes Mißgeschick, das noch nicht allzu lange zurücklag, machte Anvar sich daran, ein Feuer zu entzünden. Er mußte ein wenig mit einem rauchenden Ast herumprobieren, um den besten Ort für ein Feuer zu finden, einen Platz, an dem der lebhafte Zug vom Eingang den Rauch aus der Höhle hinausblasen würde, ohne daß der Magusch sich dabei zu Tode fror. Nach einer Weile fand er die ideale Stelle, dort wo die linke Wand der Höhle ein wenig in diese hineinragte, ein kleiner Ausläufer des Felsens, der an seiner höchsten Stelle etwa halb so groß war wie Anvar. Hinter diesem Felsvorsprung lag eine geschützte Ecke, von der aus der Rauch über die Felsbank und aus der Höhle hinauswehen konnte.

Das Feuer gab Anvar neuen Mut. Die safranfarbenen Flammen verscheuchten die Finsternis aus der Höhle, und das Krachen und Zischen der brennenden Feuerscheite half, die kreischenden, nervenaufreibende Klage des gräßlichen Gebäudes auf dem Gipfel zu übertönen. Die Flamme tanzte und sprach und mußte gefüttert werden – sie erschien ihm wie ein lebendiges Wesen und gab ihm das Gefühl, nicht allein zu sein. Trotzdem war es immer noch bitterkalt in der Höhle. Eine Zeitlang fragte sich Anvar, warum seine Feinde sich erst solche Mühe gegeben hatten, wenn sie ihn dann erfrieren ließen, bis ihm eine genauere Erkundung seiner Höhle die Antwort gab – eine Antwort, die sein Blut vor Entsetzen erstarren ließ.

Nicht weit entfernt von dem Essen lag in einer schattigen Ecke im hinteren Teil der Höhle ein dicker Stapel dunkler Tierhäute; er hatte sie übersehen, bis die Flammen sie mit ihrem Licht erhellt hatten. Anvar, der zutiefst erleichtert war, ging schnell hinüber, um eines der Felle zu ergreifen – und riß seine Hand mit einem wilden, heißen Fluch zurück. Wie gut er diesen Pelz kannte – seine Tiefe und Dichte, das schwere, seidige Haar. Diese blutdurstigen Ungeheuer erwarteten von ihm, daß er sich in die Pelze von Shias Freunden hüllte!

»Mörder!« heulte er auf. Dann schlug er mit der Faust gegen die Höhlenwand. »Lieber erfriere ich! Ich will lieber erfrieren und tausend Tode sterben, als die Felle dieser abgeschlachteten Katzen zu tragen!« Anvar dachte an Shia, an ihre Treue und ihren Mut, an ihr Verständnis und ihren scharfen, trockenen Humor, an die geschmeidige, anmutige Schönheit ihrer graziösen, mit stählernen Muskeln versehenen Gestalt, an die Pracht ihrer golden glühenden Augen. Doch Shia mit ihrem unerschöpflichen Fundus an gesundem Menschenverstand wäre die erste gewesen, ihm zu raten, praktisch zu denken: sein eigenes Leben zu retten. Er hatte keine andere Wahl.

Anvar holte tief Luft, bevor er sich eines der Felle um die Schultern legte, obwohl sich seine Haut zusammenzog, als er den Pelz spürte, so als sei er noch immer von Blut durchtränkt, und das Gewicht auf seinem Rücken war eine Last der Schuld, weil er von dem Tod des armen Geschöpfes profitierte. War das Shias Freundin gewesen? Ihr Gefährte vielleicht – oder ihr Kind? Mit einem Schaudern zwang er sich, an etwas anderes zu denken. Die arme Katze war tot, genauso wie ihre Kameraden. Er konnte nichts tun, um sie wieder lebendig zu machen, und er mußte überleben. Irgendwie mußte er eine Möglichkeit finden, diesem Gefängnis zu entkommen und Aurian zu Hilfe zu eilen. Wenn es ihm dabei möglich sein sollte, denjenigen, die diese Grausamkeit begangen hatten, einen Schlag zu versetzen, dann, bei allen Göttern, würde er diese Katzen, die ihm mit ihrem Tod das Leben gerettet hatten, zumindest rächen können.

Anvar verbarg das Gesicht in den Händen und kämpfte gegen die Tränen an. Er war bis zu diesem Zeitpunkt unfähig gewesen, an Aurian zu denken – der Schmerz über ihren Verlust war so unerträglich gewesen, daß sein Verstand davor zurückgeschreckt war. Die Erinnerung an Shia und die mitleiderregenden Überreste ihrer armen, dahingemordeten Gefährten hatte dazu beigetragen, all seine Trauer zutage zu fördern – aber im Augenblick war es noch wichtiger zu überleben. Wenn er in dieser verfluchten Höhle an Kälte und Hunger starb, würde er damit Aurian nicht helfen. Anvar wischte sich das Gesicht mit seinem Ärmel ab – eine unbewußte Nachahmung seiner verlorenen Liebsten – und stand auf, um neues Holz auf sein Feuer zu legen.