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»Aber Chiamh«. hatte Parric protestiert, »ich wage zu sagen, daß ich kämpfen kann wie nur irgend jemand, aber was ist, wenn …«

»Ja, ich weiß. Phalias hat den Vorteil, Pferdegestalt annehmen zu können, aber wenn du ein Reitersmann bist, wie du sagst …« Chiamh schauderte bei dem Wort, »dann wirst du ihm gegenüber ebenfalls einen Vorteil haben. Verstehst du, unsere Tradition verlangt, daß die Herausforderung in Pferdegestalt ausgetragen werden muß. Wenn du es also schaffst, auf den Rücken des Rudelfürsten zu kommen, und ihm deinen Willen aufzwingen kannst, dann gehört die Führung dir.«

Parric runzelte die Stirn. »Es ist also kein Kampf auf Leben und Tod.«

Das Windauge schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt, aber in deinem Falle wird es so sein. Da du ein Fremdländer bist, wird der Rudelfürst mit Sicherheit versuchen, dich zu töten. Sei also gewarnt. Aber um die Führung zu gewinnen, wird es nicht notwendig sein, Phalias zu töten; du brauchst ihn nur dazu zu zwingen, sich dir zu unterwerfen.«

»Na wunderbar.« Parric seufzte. Das ist das verrückteste, was ich je gehört habe, dachte er bei sich. Morgen früh ist der junge Narr bestimmt wieder nüchtern und hat alles vergessen …

Aber Chiamh hatte nichts dergleichen getan.

Der Anblick von Chiamh und Sangra, die durch den Schnee auf ihn zukamen, riß den Kavalleriemeister aus seinen trunkenen Erinnerungen. Das Windauge sah so wohlgelaunt aus wie eh und je, aber die Kriegerin hatte diesen gewissen harten Blick in den Augen, den sie sich für Parric reservierte, seit er ernstlich angefangen hatte zu trinken. Verstand die Frau denn nicht, daß dieses endlose Warten einen Mann einfach zur Flasche treiben mußte? Fest entschlossen, trotzdem freundlich zu sein, sah Parric sie an. »Wie geht es Elewin?« erkundigte er sich.

Sangras Gesichtsausdruck wurde ein wenig weicher. »Sitzt im Bett, ißt Eintopf und beschwert sich bitter über die Unterkunft«, grinste sie. »Die Götter stehen uns bei, er ist wirklich ein zäher, alter Kerl! Wie Chiamh es geschafft hat, ihn vom Rande des Todes zurückzuholen, werde ich nie begreifen.«

Sie lächelte dem Windauge freundlich zu, und Chiamh erwiderte durch die ihm ins Gesicht hängenden Fransen seines Haares ihr Grinsen, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Parric zuwandte. »Komm.« Mit unerwarteter Festigkeit riß er dem Kavalleriemeister die Flasche aus der Hand. »Es ist langsam Zeit, nüchtern zu werden, mein Freund. Bis zum Dunkelwerden des Mondes sind es nur noch drei Tage.«

Meiriel, die zitternd in ihrem Versteck zwischen den zerklüfteten Felsen am Eingang des Tals kauerte, war eingedöst und wurde von dem Freudengeheul des Kavalleriemeisters jäh aus dem Schlaf gerissen. Fauchend wie ein wildes Tier und unter wüstesten Flüchen spähte sie hinaus, um zu sehen, was passiert war. Angeekelt setzte sie ihre Flüche fort. Nichts. Wie gewöhnlich. Die drei, Parric, das Kriegermädchen und der kleine Xandimmann standen dicht zusammengedrängt da, fuchtelten mit den Armen in der Luft und unterhielten sich aufgeregt. Reden, reden, reden, das war alles, was sie jemals taten. Diese Narren! Meiriel spuckte auf die frostüberzogenen Felsen. Welchen Sinn hatte es schon, daß sie diesen nutzlosen Sterblichen den ganzen Weg über diesen verfluchten Berg gefolgt war, wenn sie doch nichts unternahmen. Sie brauchte sie, weil sie sie zu Aurian führen konnten und zu Miathans abscheulichem Ungeheuer, das in ihrem Bauch hockte …

Die Heilerin erhob sich und blinzelte. Bei allen Göttern, es war schon fast Abend. Was war nur geschehen? Ihre Glieder waren steif geworden vor Kälte, und der niedergetrampelte Schnee unterhalb ihres Verstecks war leer. Eine Woge der Panik ließ ihr die Wärme zurück in die Adern schießen. Hatte sie sie verloren? Waren sie ohne sie weggegangen? Aber nein. Im Eingang des Turms, den der Xandim bewohnte, konnte sie das kurze, goldene Aufflackern von Fackellicht sehen, das sich auf dem Schnee widerspiegelte. Meiriel wurde beinahe schwindlig vor Erleichterung. Wie gewöhnlich hatten sie auch heute nichts getan. Aber diesmal konnte es ihr nur recht sein.

Auf Händen und Knien kroch sie ein ganzes Stück weg, so daß sie nicht mehr zu sehen war. Dann zog sie sich wieder in ihr eigenes, freudloses Heim unter den zerklüfteten Felsen zurück. Da der Xandim die Angewohnheit hatte, seine Vorräte in Verstecken zu vergraben, damit die gefrorene Erde sie frisch halten konnte, hatte sie genug Nahrung und Pelze gefunden, um überleben zu können. Sie würde warten, dachte sie bei sich, auch wenn diese elenden Sterblichen ewig brauchen sollten. Früher oder später würden sie aufbrechen, um nach Aurian zu suchen, und wenn sie das taten, würde sie, Meiriel, sich an ihre Fersen heften. Irgend jemand mußte einfach tun, was zu tun unvermeidlich war. In der tiefen Dunkelheit ihrer Höhle kaute Meiriel an einer Scheibe rohen Fleisches und lächelte. Morgen würde es immer noch früh genug sein, um wieder Ausschau zu halten.

»Also, was machen wir jetzt?« Parric wußte, daß er nur deshalb viel redete, weil er damit seine Nervosität überspielen wollte, und er verachtete sich dafür, aber er konnte es nicht ändern. Das Lied des Windes heulte wie eine gequälte Seele über die düstere Weite des Windschleierplateaus; die knisternden Flammenzungen der Lagerfeuer schienen nach ihm greifen zu wollen; die Feindseligkeit der Xandim, die ihn umgab, war eine fast greifbare Wand aus Haß und Zorn, die sich mit der dunklen, wachsamen Gegenwart des stehenden Steins verband, der über ihm aufragte. Parric hatte nicht besonders viel Phantasie, aber an diesem Ort bekam er augenblicklich eine Gänsehaut. »Wir halten Wache«, erwiderte Chiamh auf die Frage, von der der Kavalleriemeister bereits vergessen hatte, daß er sie überhaupt gestellt hatte. »Sieh zu, daß du alle deine Fragen jetzt stellst, Parric, denn sobald die Sonne hinter der Schulter des Windschleiers verschwindet, muß bis zur Morgendämmerung Schweigen bewahrt werden, oder die Herausforderung ist ungültig. Und wenn die Dämmerung kommt, kämpfst du.«

Parric fröstelte. »Woher wirst du es wissen, wann die Sonne untergeht?« fragte er. »Du kannst sie hinter den Wolken doch gar nicht sehen.«

Das Windauge zuckte mit den Schultern. »Wir sind die Xandim; wir wissen es einfach«, erwiderte er.

Parric schnaubte. »Lauter Blödsinn, wenn du mich fragst«, murmelte er leise. Elewin hatte ihn jedoch gehört und kicherte. Der alte Haushofmeister hatte, trotz Sangras Protest, darauf bestanden, herzukommen, und saß nun, ein formloses Bündel in dicken Pelzschichten, ganz nahe beim Feuer. Zweifellos, überlegte Parric, war Elewin ein wenig benommen von der Medizin, mit der Chiamh ihn vollgestopft hatte, damit er mit seinem Husten nicht das Schweigen der Wache durchbrach. Törichter, alter Trottel, dachte der Kavalleriemeister. Ich hätte nie zulassen dürfen, daß er mitkommt. Wenn er uns mit seinem Niesen jetzt alles vermasselt …

Noch bevor er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, schämte er sich. Parric wußte, daß seine Nervosität ihn reizbar machte, aber er konnte nicht dagegen angehen. Das war nicht die Art, wie er normalerweise eine Nacht vor dem Kampf verbringen würde: kein Schlaf, kein Essen, keine Unterhaltung und nichts zu trinken. Er dachte zurück an die guten, alten Tage, in denen er, Maja und Forral vor einer Schlacht eine Taverne aufgesucht hatten oder mit einem geteilten Weinschlauch um ein Lagerfeuer wie dieses hier gesessen hatten – an dieser Stelle mußte er sich lächelnd verbessern. Ein Weinschlauch war natürlich nie genug gewesen. Parric seufzte bei der Erinnerung an seinen Kommandanten. O Forral, dachte er. Wo immer du bist, wo immer die Krieger hingehen mögen, wenn sie sterben. Ich hoffe, daß du heute abend zusiehst. Hilf mir morgen, wenn du kannst, denn ich werde alle Hilfe brauchen, die ich bekommen kann, und ich tue das hier für Aurian …