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Der helle Klang eines Horns hallte über das Plateau. Das Windauge warf einen Blick auf den Himmel, stieß Parric in die Seite und legte einen Finger auf seine Lippen, um ihm zu bedeuten, daß die Schweigewache begonnen hatte. Der Kavalleriemeister seufzte und versuchte, seine Gedanken auf erfreulichere Themen zu lenken. Soweit war alles wie geplant verlaufen. Gestern war das Windauge hierhergekommen, um dem Rudelfürsten seine Herausforderung zu überbringen, eine Herausforderung, die der Rudelfürst, wie es das Gesetz verlangte, angenommen hatte.

»Es war keine leichte Entscheidung«, hatte Chiamh bei seiner Rückkehr berichtet. »Noch nie zuvor hat ein Fremdländer den Rudelfürsten herausgefordert, und die Leute waren außer sich vor Zorn. Hätte Phalias sein Volk nicht dazu gebracht, die Sache eher mit Hohn als mit Protest zu betrachten, hätte ich noch von Glück sagen können, wenn ich mit dem Leben davongekommen wäre. Die Leute nennen mich bereits Chiamh, den Verräter.« Nach diesen Worten hatte er traurig den Kopf geschüttelt. Parric hatte ihn nur kurz angesehen und bei sich gedacht, daß das Windauge von Glück sagen konnte, überhaupt entkommen zu sein. Bei seiner Rückkehr hatte er am ganzen Körper blaue Flecken und Wunden von den Steinen gehabt, die man ihm hinterhergeworfen hatte. Außerdem war er von Kopf bis Fuß voller Pferdemist gewesen; einer seiner früheren Kameraden hatte einen ganzen Kübel davon über ihn ergossen. Sangra wäre bei seinem Anblick vor Empörung und Wut beinahe in Tränen ausgebrochen – eine Wut, die übrigens nicht heftiger war als die, die Parric selbst empfand.

Chiamh hatte jedoch aus der Festung auch eine Nachricht mitgebracht, die Parrics Herz ein wenig leichter machte. Stolpernd und taumelnd und lange nach Einbruch der Dunkelheit kehrte er ins Tal zurück, auf der Schulter ein langes, in Leder eingewickeltes Bündel. Während Sangra noch immer laut über seinen geschundenen und stinkenden Zustand lamentierte, hatte er seine Last in Parrics Arme gelegt.

»Ich wünschte, ich hätte deine eigenen Waffen finden können«, entschuldigte sich das Windauge, »aber die waren einfach zu gut bewacht. Trotzdem wirst du auf diese Weise wenigstens nicht mit bloßen Händen gegen den Rudelfürsten kämpfen müssen.«

Als der Kavalleriemeister das Bündel ausgepackt hatte, kamen darin zwei Schwerter zum Vorschein, eins für Sangra und eins für sich selbst. Sie waren natürlich nichts im Vergleich zu seiner eigenen, verlorenen Klinge, denn die eher ländlich gearteten Xandim waren keine besonders guten Schmiede. Dennoch war er froh, wenigstens diese scharfe, lange, wenn auch schlecht geschmiedete Eisenklinge zwischen sich und den Hufen und Zähnen des Rudelfürsten zu haben. Wenn die Xandim doch nur die Messer nicht gefunden hätten, die er versteckt hatte – aber vielleicht würde er ja auch so zurechtkommen. Grinsend drehte Parric sich zu dem Windauge um und sagte: »Hast du zufällig einen Schleifstein und irgendwelche Klingen, die ich zu Wurfmessern machen könnte?«

Ein unangenehmes Kribbeln zwischen den Schulterblättern, als wäre er das Ziel vieler unfreundlicher Blick, holte den Kavalleriemeister mit einem Ruck wieder zurück in die Gegenwart. Er blickte zu dem anderen Stein hinüber, wo Phalias und seine Kameraden ihre Wache hielten. Im Widerschein des Feuers fing er den Blick des Rudelfürsten auf und machte ein finsteres Gesicht. Phalias hielt seinem Blick stand; seine eigenen Augen glitzerten vor Wut – und schon jetzt, so sah es aus, hatte der Kampf begonnen.

Der metallische Ruf eines Horns durchschnitt die dichte Wand des Nebels wie ein Sonnenstrahl, aber das war auch der einzige Hinweis darauf, daß der Morgen dämmerte. Parric streckte seine steifen Glieder und rieb sich seine verschlafenen Augen. Bei den Eiern des Chathak, dachte er, das war die längste Nacht meines Lebens. Bis dieser dichte Nebel das Lager seines Gegners eingehüllt hatte, hatte der Kavalleriemeister die Nacht damit zugebracht, Phalias mit durchbohrenden Blicken anzustarren. Das Ganze war überhaupt zu einem Wettkampf der Blicke ausgeartet, und bisher konnte man nicht sagen, daß einer dem anderen in irgendeiner Hinsicht unterlegen gewesen wäre. Chiamh reichte ihm einen Wasserschlauch, und er nahm einen kleinen Schluck davon – das war das einzige, was er vor dem Kampf zu sich nehmen durfte, aber das Windauge hatte ihm erzählt, daß unten in der Festung bereits ein Siegesmahl vorbereitet wurde. Nun, dachte Parric, ich habe die Absicht, das Mahl zu genießen. Mit neuem Mut, den ihm dieser Gedanken gegeben hatte, goß er sich den Rest des Wassers aus dem Schlauch über seinen langsam kahl werdenden Kopf und hoffte, auf diese Weise ein wenig frischer zu werden. Dann wischte er sich das Gesicht mit dem Umhang ab. Chiamh stieß ihn an. »Es ist Zeit zu beginnen«, flüsterte er.

Parric war verwirrt. Er hatte eine Rede erwartet oder irgendeine Art von Ritual. »Was muß ich tun?« fragte er.

»Geh hinaus auf das Plateau. Wenn das Horn erklingt, wird der Kampf beginnen. Sei also bereit.«

»Was? Das Horn erklingt, und ich kämpfe gegen ihn? Ist das alles? Sollte nicht irgend jemand irgend etwas sagen?«

Chiamh grinste. »Das habe ich bereits gestern für dich erledigt. Heute kämpfst du nur. Aber jetzt beeil dich – und möge das Schicksal dir gnädig gesinnt sein.«

Parric, der den Nebel aus ganzem Herzen verfluchte, war gerade ein Dutzend Schritte gegangen, als der harte Klang des Horns abermals an sein Ohr drang. »Verdammt noch mal!« Der Kavalleriemeister griff mit verzweifelter Hast nach seinem Schwert, aber noch bevor das Horn ganz verklungen war, hörte er auch schon das Trommeln von Hufen auf feuchtem Boden, und eine gewaltige, schwarze Gestalt schoß aus dem Nebel zu seiner Rechten.

Die Gestalt war über ihm, bevor er sein Schwert ganz aus der Scheide ziehen konnte. Parric sah gerade noch das Aufblitzen weiß umrandeter Augen, bevor er sich duckte und zur Seite rollte, wobei er jeden Augenblick damit rechnete, von den stampfenden Hufen zerquetscht zu werden. Er hörte das harsche Geräusch zerreißenden Stoffs und fühlte sie einen heißen Schmerz in der Schulter, dort, wo die großen, flachen Zähne ein Stück aus seinem Fleisch herausgerissen hatten. Etwas grub sich in seine Seite – großer Chathak, er war auf sein Schwert gerollt – und wo, um alles in der Welt, war dieses Dämonenpferd jetzt?

Parric rollte sich noch ein Stück weiter weg, sprang dann auf die Füße und erhob sich auf seltsam zitternde Knie. Sein Widersacher war abermals im Nebel verschwunden; er spielt Katz und Maus mit mir, dachte Parric verbittert – und er war eindeutig im Vorteil. Parric konnte das Pferd nicht sehen, aber mit seinen schärferen Sinnen konnte es ihn hören – und das Blut riechen, das ihm aus dem Biß in seiner Schulter über den Arm strömte. Der Kavalleriemeister gestattete sich ein verdrossenes Kichern. Sein Feind war von rechts auf ihn zugestürmt, um seinen Schwertarm zu verletzen, aber das Geschöpf hatte nicht bemerkt, daß Parric Linkshänder war. Ohne einen Augenblick zu verlieren, streckte er die Hand aus, um sein Schwert zu ziehen, und sein Blut erstarrte zu Eis. Als er vorhin mit seinem ganzen Gewicht darüber hinweggerollt war, hatte sich die schlecht geschmiedete Klinge verbogen, und nun klemmte das verdammte Ding in seiner Scheide!

Ihm blieb jedoch keine Zeit mehr zum Nachdenken, da neue Hufschläge durch den Nebel zu ihm hinüberdrangen. Das Geräusch war trügerisch – er hatte keine Ahnung, aus welcher Richtung es kam. Parric konnte gerade noch zur Seite springen, als der schwarze Hengst an ihm vorbeistürmte und mit seinen Hufen dicke Klumpen Erde aufwirbelte. Einer dieser Hufe traf ihn am Knie, und der Kavalleriemeister stieß einen lautstarken Fluch aus, aber noch während er sprach, griff Parric nach einem Messer, das er in seinem Ärmel gehabt hatte, und schleuderte es mit einer einzigen, schnellen Bewegung der Gestalt nach, die bereits wieder im Nebel verschwand. Ein Schrei sagte ihm, daß er sein Ziel getroffen hafte, und ein Grinsen huschte über Parrics Gesicht. Die Stunden, die er damit zugebracht hatte, die Klingen mit Chiamhs Schleifstein wieder in Form zu bringen, waren nicht verschwendet gewesen. »Ein Punkt für mich!« murmelte er triumphierend.