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Dick Francis

Winkelzüge

Das Buch

Kriminalgeschichten können sehr lehrreich sein. Man kann ihnen beispielsweise entnehmen, wie Wettkassen erfolgreich zu plündern sind. Im Jahre 1997, 22 Jahre nachdem Dick Francis die Geschichte Bombenalarm in Kingdom Hill geschrieben hatte, legte tatsächlich ein Ganove die Rennbahn von Aintree mit Hilfe einer Bombendrohung lahm, um auf dieselbe Weise wie sein literarisches Vorbild Tricksy Wilcox zu Geld zu kommen. In der Einleitung zu den Geschichten rät Dick Francis denn auch mehrfach:»Tun Sie’s nicht!«

In den hier versammelten Geschichten tummelt sich ein buntes Völkchen: Da ist der arbeitslose Hochstapler, der seinen großen Coup landen will, um ein für allemal ausgesorgt zu haben; da der pingelige Killer, dem noch nie etwas schiefgelaufen ist; da eine Frau, die um der Liebe willen zu fast allem bereit ist; da ein Vorstandsvorsitzender, der um seine Autorität bangt. Lauter Menschen in Extremsituationen, lauter Leute, die auf Teufel komm raus ihre Haut retten müssen. Die einen überschätzen ihre Fähigkeiten und fliegen auf die Nase; die anderen hätten sich nie träumen lassen, daß ihnen das Glück je so zufliegen könnte. Mit Witz, Lust und manchmal auch mit unverhohlener Schadenfreude holt Dick Francis in diesen Geschichten das Menschlich-Allzumenschliche ans Licht und beweist damit, daß er auch ein Meister der kurzen Form ist.

«Auf Dick Francis ist immer Verlaß, wenn man nach einer hinreißend guten Geschichte sucht. Er beherrscht alle Tricks.«

Nikki Amdur / San Francisco Chronicle

«Dick Francis ist ein exzellenter Psychologe, der Schwächen und Tugenden des Menschen in spannende Handlungskonstrukte umzusetzen weiß.«

Wolfgang Paltzeck / Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Essen

Prolog

Erzähl mir eine Geschichte, eine mitreißende, flotte Geschichte. Erzähl mir eine Geschichte, nach der ich noch schlafen kann. Keine blutigen Leichen, kein Horror, keine erhängten, gestreckten und gevierteilten Helden.

Ich kann nicht versprechen, daß es keine Todesfälle geben wird. Aber auf Leichen kommt es mir nicht an.

Amüsiert euch, freut euch, widersprecht, laßt Angst und Schrecken von euch Besitz ergreifen. Stoßt ein Fenster auf, schaut euch an, was dahinter vorgeht. Zieht die Vorhänge wieder zu. Versucht es im nächsten Haus, werft dort einen Blick in den Kühlschrank, laßt euch die Eiswürfel daraus den müden Nacken hinuntergleiten.

Dreizehn unterschiedliche Gerichte. Rezepte je nach Aufwand. Laßt euch ein auf ihre Verschiedenartigkeit. Hier einmal dreitausend Worte und dort vielleicht achttausend. Zeitungen und Zeitschriften kürzen die Erzählungen, damit sie genau den vorhandenen Platz ausfüllen. (Versteht mich nicht falsch, ich spiele das Spiel gerne.) Also sind einige der Ausflüge länger und andere kürzer. Manche kommen schlank daher, andere etwas behäbiger.

Manche stammen aus ferner Vergangenheit, manche sind erst kürzlich entstanden. Trefft ein paar alte Freunde wieder. Schaut mal, ob ihr neue Freundschaften schließt.

Acht dieser dreizehn Geschichten wurden ursprünglich von verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften in Auftrag gegeben, die freundlicherweise nur die Länge und nicht den Inhalt vorgaben. Die anderen fünf Geschichten sind neu und entsprechen nach Länge und Inhalt meiner Wahl.

Als die dreizehn Teilnehmer des Rennens beisammen waren, bereit für die Parade an den Start, da erhob sich wie überall im Leben die Frage:»Wer kommt als erster?«Sollte das Buch mit der zuerst geschriebenen Geschichte beginnen? Sollte das Erstgeburtsrecht bestimmend sein?

Überlassen wir es dem Zufall, sagten wir schließlich und veranstalteten eine improvisierte Ziehung.

«Wir«, das hieß in diesem Falle die vier, die sich friedlich zu einem vormittäglichen Drink zusammengefunden hatten.»Wir«, das sind meine Frau Mary, mein Sohn Felix, mein Literaturagent Andrew Hewson und ich selbst.

Wir schrieben die Titel der dreizehn Geschichten auf dreizehn Aufkleber und falteten diese sorgfältig zusammen, steckten sie in einen gläsernen Champagnerkühler, den meine Frau und ich von Phyllis und Victor Grann als Einweihungsgeschenk für unsere Wohnung in der Karibik geschenkt bekommen hatten. (Mrs. Phyllis Grann ist die Präsidentin von Penguin Putnam Inc., des Verlages von D. Francis in den USA.)

Abwechselnd schüttelten wir den Champagnerkühler und zogen jeweils einen der zusammengefalteten Aufkleber heraus.

Dieser wurde dann auseinandergefaltet, vorgelesen und auf ein Brett geklebt. Dreizehn Aufkleber… Dreimal durfte jeder ziehen, den dreizehnten und letzten nahm ich selbst heraus.

Wir zogen völlig unbekümmert. Um ehrlich zu sein, dachten wir, wir würden uns an dem Resultat doch noch zu schaffen machen. Aber zu unserem Erstaunen ergab es sich in etwa so, wie wir es angeordnet hätten, so daß wir die Reihenfolge unverändert übernahmen.

Die Geschichten dieses Bandes folgen genau in der Ordnung aufeinander, mit der wir die Titel aus dem Champagnerkühler zogen… Und ja, danach kam Champagner in diesen Kühler… Und wir tranken ihn aus bis zur Neige… Was hätte man sonst erwarten können?

Bombenalarm in Kingdom Hill

Die Zeit macht sich auf unheimliche Weise über das Ersonnene und Erzählte lustig. Die Ereignisse im Zusammenhang mit einer Bombendrohung in Kingdom Hill — einer imaginären Rennbahn — wurden im Jahre 1975 zur sommerlichen Unterhaltung der Leser der Times erfunden. Jahre später sollte dann die Grundidee der Erzählung Wirklichkeit werden: Aufgrund eines falschen Bombenalarms wurde 1997 das Grand National Steeplechase in Aintree abgesagt.

Seit Tricksy Wilcox’ Geistesblitz hat sich bei den Sicherheitsvorkehrungen vieles geändert, und auch der Wert des Geldes ist nicht mehr der alte. In Kingdom Hill wie auch in den übrigen Erzählungen dieses Bandes habe ich Geldbeträge und mancherlei anderes den Verhältnissen der Jahrtausendwende angeglichen.

Am Donnerstagnachmittag kratzte Tricksy Wilcox sich geistesabwesend unter den Achseln und kam zu dem Schluß, daß es sich nicht lohnte, im Zwei-Uhr-dreißig-Rennen auf Claypits zu setzen. Tricksy Wilcox räkelte sich in einem ausgeleierten Sessel, eine halb ausgetrunkene Bierdose in bequemer Reichweite, und ein großer Farbfernseher lieferte ihm die genauen Einzelheiten des Eröffnungslaufs der drei Renntage von Kingdom Hill. Nur Schwachköpfe, dachte er selbstzufrieden, legten bei einer solchen Julihitzewelle, die der Sahara alle Ehre gemacht hätte, eine volle Schicht von neun bis fünf hin. Vernünftige Burschen wie er saßen mit geöffneten Fenstern und bloßem Oberkörper zu Hause und ließen sich Bärte wach-sen, während der schwüle Nachmittag dem Abend entgegendämmerte.

Im Winter, fand Tricksy, mühten sich nur Schwachköpfe durch Schnee und Graupel zur Arbeit, während vernünftige Burschen vorm Fernseher in der warmen Stube blieben und auf die Springer wetteten; im Frühling hatte man mit dem Regen zu tun und im Herbst mit dem Nebel. Mit vierunddreißig Jahren hatte Tricksy die Arbeitslosigkeit zu einer hohen Kunst entwickelt und hielt den Gedanken an ein volles, ehrliches Tagewerk für absurd. Es war Tricksys Frau, die bei jedem Wetter zu ihrer Arbeitsstelle im Supermarkt ging, Tricksys Frau, die die Miete für die Sozialwohnung aufbrachte und das abgezählte Geld für den Milchmann daließ. Nach elf Jahren Tricksy war sie immer noch fröhlich, unverdrossen und pragmatisch. Sie hatte während seiner beiden neunmonatigen Gefängnisstrafen ungerührt ausgeharrt und akzeptiert, daß er sich eines Tages wieder einfinden würde. Ihr Dad war ihre ganze Kindheit über mal drinnen und mal draußen gewesen. Die kleinkriminelle Gesinnung war ihr vertraut.

Tricksy sah zu, wie Claypits das Zwei-Uhr-dreißig-Rennen mit beleidigender Leichtigkeit gewann, und spülte sein angeschlagenes Selbstbewußtsein mit dem letzten Bier herunter. In letzter Zeit ging aber auch verdammt noch mal alles, was er anfaßte, in die verdammte Hose, dachte er düster. Er war entschieden knapp bei Kasse und hatte sich sogar ein- oder zweimal beim Nötigsten wie Alkohol und Zigaretten einschränken müssen. Jetzt brauchte er einen netten kleinen Dreh, einen netten kleinen Kitzel, um ein paar arglose Trottel dazu zu bringen, ihre Brieftaschen zu öffnen. Zum Beispiel so was wie die Masche mit den knappen Eintrittskarten, auf die er jahrelang stolz gewesen war, bis die Bullen ihn in Wimbledon mit einem Stoß gefälschter Karten hoppgenommen hatten. Und die