Выбрать главу

Später, wenn das Fohlen aufgezogen und fürs Rennen bereit war, mußte ein Tierarzt eine zweite Karte mit seinen Merkmalen anfertigen und sie ins Registrationsbüro schik-ken. Wenn das Fohlenzertifikat und das spätere Zertifikat übereinstimmten, war alles in Ordnung. Wenn nicht, wurde das Pferd gesperrt.

Das Fohlenzertifikat des Jährlings, den Melbourne Smith gekauft hatte, paßte eindeutig nicht zu dem Wechselbalg, den man ihm untergeschoben hatte. Die Farbe und der weiße Stern stimmten, aber die Wirbel saßen an vollkommen anderen Stellen.

Der Direktor hatte seinen Assistenten vor die Mammutaufgabe gestellt, den Wechselbalg mit zwanzigtausend Fohlenzertifikaten in der diesjährigen Registratur zu vergleichen, aber bisher hatten sie keine übereinstimmenden Papiere gefunden. Der Direktor, der den Hengst mittlerweile gesehen hatte, glaubte, daß es sich bei dem Wechselbalg höchstwahrscheinlich um ein Halbblut-Jagdpferd handelte, das von Anfang an keine Qualifikation für einen Eintrag im Zuchtbuch gehabt hatte und von dem sie nirgendwo offizielle Unterlagen finden würden.

«Diese Torkontrolle ist ja zum Lachen«, murrte Melbourne Smith.

Die Männer an den Toren der Versteigerungsringe hatten, das mußte sich der Direktor eingestehen, lediglich den

Auftrag zu kontrollieren, daß es für jedes Pferd ein Ausgangszeugnis der Auktionatoren gab und daß die Ziffer, die am Rumpf des Pferdes klebte, mit der auf dem Zeugnis übereinstimmte. Sie hatten nicht den Auftrag zu überprüfen, ob irgend jemand heimlich die Ziffern der Pferde vertauscht hatte. Sie traf keine Schuld daran, daß die Nummer eins-acht-neun, die in Begleitung von Zeugnis eins-achtneun herausgebracht wurde, eine Niete mit schmächtigem Hals gewesen war und nicht Melbourne Smiths teurer Aristokrat. Es hatte keinen Sinn, sie zu fragen (obwohl der Direktor es getan hatte), unter welcher Nummer genau der teure Aristokrat denn tatsächlich seinen Abgang gemacht hatte. Das konnten sie unmöglich wissen, und sie wußten es auch tatsächlich nicht.

Der Direktor hatte zum Teil herausgefunden, wie der Austausch vonstatten gegangen war, und sich den Rest dazugedacht.

Bei der Auktion wurden die zum Verkauf stehenden Pferde in Stallblocks untergebracht. Pferd Nummer eins im Katalog wurde Box Nummer eins zugeteilt, und es hatte die Nummer eins an der Hüfte kleben. Nummer einsacht-neun wäre in Box eins-acht-neun zu finden gewesen und hätte die eins-acht-neun an der Hüfte haben müssen. Entlang der Boxen herrschte ein ständiges Kommen und Gehen von Interessenten, die taxierten und betasteten und beschlossen, ob sie mitbieten würden oder nicht. Wenn ein Pferd verkauft wurde, brachten seine früheren Besitzer es in seine Box zurück, und von dort holten die neuen Besitzer es dann ab. Auf diese Weise kam es ziemlich häufig vor, daß Käufer und Verkäufer einander nie begegneten.

Der Junge, der mit Nummer eins-acht-neun gekommen war, hatte es vom Verkaufsring zurück in seine Box geführt und dort gelassen. Melbourne Smiths Stallbursche hatte das Pferd aus Box eins-acht-neun abgeholt und es zum Trainer geschickt, und es war der Wechselbalg gewesen.

Der Austausch konnte in dem dort herrschenden Gedränge unbemerkt vorgenommen werden (was ja auch der Fall gewesen war).

Der Direktor vermutete, daß die Diebe ihren Wechselbalg für die Auktion eingetragen hatten, und zwar mit einem so lächerlich hohen Reservepreis, daß es niemand kaufen würde. Wahrscheinlich war der Wechselbalg eins von den unverkauften Tieren zwischen den Auktionsnummern 1 und 188 gewesen, aber die Auktionatoren hatten den Direktor nur verständnislos angesehen, als er sie gefragt hatte, ob sie sich noch an eines der vielen Tiere erinnerten. Sie verkauften jede Woche Hunderte von Pferden. Sie stellten keine Fragen, sagten sie, woher die Ware kam oder wohin sie ging; sie führten zwar Buch über Pferde, die keine Käufer gefunden hatten, gingen aber grundsätzlich davon aus, daß ihre Besitzer sie wieder mit nach Hause nahmen.

«Und diese öffentliche Kampagne, die Sie da gestartet haben«, höhnte Melbourne Smith,»lauter heiße Luft und keine Ergebnisse.«

Der Direktor wandte sich müde vom Fenster ab und blickte auf die Zeitung, die aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag. In einer Woche ohne besondere Schlagzeilen war den Redakteuren die Geschichte willkommen gewesen, die er ihnen mit großer Überzeugungskraft vorgekaut hatte. Kein Leser konnte die Wo-ist-er? — Bilder von dem verschwundenen Wertstück übersehen. Die Regenbogenpresse hatte ein Rührstück daraus gemacht. Die» ernstzunehmenden «Tageszeitungen hatten das Fohlenzertifikat selbst veröffentlicht. In den Fernsehnachrichten war beides gebracht worden. Aber auch zwei Tage flächendek-kender, landesweiter Publicity hatten keine Ergebnisse gebracht. Seine» allzeit erreichbare Telefonnummer «blieb ungenutzt.

«Bringen Sie ihn mir zurück«, sagte Melbourne Smith wütend, bevor er endgültig ging.»Oder ich schicke all meine Pferde nach Frankreich.«

Der Direktor dachte an seine Frau und seine Kinder, die an jenem Abend eine Party vorbereiteten und ihn bei seiner Rückkehr mit aufgeregten Gesichtern und lächelnden Augen begrüßen würden. Ich werde zwei Tage lang nicht an diesen verdammten Jährling denken, dachte er. Doch bis dahin gab er klein bei und betete mit Inbrunst um ein Wunder.

«Was ich brauche«, sagte er laut zu seinem friedlichen, leeren Büro,»ist ein weißer Stern. Ein leuchtend weißer Stern, geostationär am Himmel, der bei einem Stall aufscheint und sagt: >Hier bin ich. Komm her zu mir. Komm her und finde mich.<«

Gott vergebe mir meine Lästerung, dachte er; und ging um vier Uhr nach Hause.

Draußen auf dem Land breiteten an diesem Nachmittag Jim und Vivi Turner vier Zeitungen auf dem Küchentisch aus und vertieften sich, mit einem Becher Tee ausgerüstet, in die Lektüre.

«Sie werden ihn doch nicht finden, oder?«fragte Jim.

Vivi schüttelte den Kopf.»Einen Braunen mit einem weißen Stern… was Alltäglicheres gibt’s doch gar nicht.«

Ihre Gedanken wanderten zu dem aristokratischen Jährling, der draußen gut eingedeckt in ihrem baufälligen Zwanzig-Boxen-Stall stand. Es war fünf Wochen oder länger her, seit sie ihn gestohlen hatten, und die Zeit hatte ihnen ein gewisses Gefühl der Sicherheit gegeben.

«Und außerdem«, sagte Vivi,»sind diese Zeitungen zwei Tage alt, und nichts ist passiert.«

Jim Turner nickte beruhigt. Er hätte das niemals ohne Vivi durchziehen können, das wußte er. Sie war diejenige, die gesagt hatte, wenn sie ihn als Trainer auf die Beine bringen wollten, brauchten sie dringender als irgend etwas anderes ein wirklich gutes Pferd. Die Art Pferd, die — sehen wir den Tatsachen ins Auge (sagte sie) — niemand einem frisch abgedankten Hindernisjockey anvertrauen würde, der nie mehr als Mittelmaß erreicht hatte und zweimal gesperrt worden war, weil er sich hatte bestechen lassen.

Da Jim Turner sich jederzeit von jedem bestechen lassen würde, war er mit zwei Sperren noch glimpflich davongekommen. Persönlich hätte er gar nichts dagegen gehabt, sich mit einem Job als Futtermeister in einem großen Stall zufriedenzugeben, wo die Gelegenheiten, Bestechungsgelder zu kassieren, wie pflückreife Beeren wuchsen; aber Vivi wollte die Frau eines Trainers sein, nicht die eines Futtermeisters, und, das mußte man ihr lassen, das Mädchen hatte Grips.

Es war Vivi mit ihren scharfen Augen, die eine Möglichkeit gesehen hatte, wie man bei der Auktion einen hochkarätigen Jährling stehlen konnte. Es war Vivi, eine richtige kleine Lady Macbeth, die Jim weitergetrieben hatte, wenn dieser zauderte, Vivi, die persönlich den Austausch in Box eins-acht-neun vorgenommen hatte. Sie hatte den Aristokraten genommen, und Jim hatte den Wechselbalg dagelassen.