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Heiligabend!

Der Landbesitzer war plötzlich maßlos wütend auf den Landstreicher, dann durchzuckte ihn mit einem Mal die Erkenntnis, daß der Landstreicher das Pferd nicht freigelassen hätte, wäre er nicht zuvor aus seinem Heim vertrieben worden. Er beschloß, dem Sergeant nicht zu sagen, daß der Landstreicher mit dem Pferd auf seinem Hof gewesen war. Und von ihm würde er auch nicht erfahren, in welche Richtung der Mann weitergezogen war.

«Ich rufe Jim Turner an, daß er das Pferd abholen kommt, Sir«, sagte der Sergeant.»Er wird froh sein, es wiederzuhaben. Der ist ganz schön aus dem Häuschen.«

«Ähm«, sagte der Landbesitzer langsam, da es ihm widerstrebte, als Narr dazustehen,»ich weiß nicht, ob Sie in der Zeitung von diesem gestohlenen Pferd gelesen haben, Sergeant, aber statt das Tier sofort an Jim Turner zurückzugeben, könnten wir vielleicht unter dieser >allzeit erreichbaren Telefonnummer< den Direktor des Sicherheitsdienstes der Rennbahn kontaktieren. «Er hielt inne.»Ich nehme nicht an, daß der Direktor an Weihnachtswunder glaubt, aber das Pferd, das ich hier habe, ist ein junger brauner Hengst mit einem weißen Stern auf der Stirn… und Wirbeln an genau den richtigen Stellen.«

Auf Kollisionskurs

In dieser Geschichte gibt es keinen Mord. Kein Blut.

STOLZ, jawohl, und VORURTEIL, na schön, aber wir befinden uns hier noch lange nicht im Jane-Austen-Land; es geht um den Kampf eines arbeitslosen Zeitungsredakteurs von heute gegen einen unverfrorenen Unternehmer, der sich mausig macht.

In Hemdsärmeln, einen starken schwarzen Kaffee vor sich, saß der Redakteur der Cotswold Voice an seinem Schreibtisch und las die sensationslüsterne Kolumne, die am nächsten Tag als Aufmacher in den Rennseiten der Zeitung erscheinen würde, wenn er nicht sein Veto einlegte. Die Worte verschwammen vor seinen Augen. Gekündigt, wirbelte es durch seine Gedanken.

Zweimal die Woche, dienstags und samstags, fütterte die Cotswold Voice von einem wenig inspirierenden, fabrikähnlichen Gebäude in einem Industriepark westlich von Oxford aus die Städte und Dörfer längs der Cotswoldhügel mit einem Strom aufregender Artikel.

Dienstags ging die Tendenz in Richtung Nachrichten, Kommentare und Analysen, während samstags Sport, Mode und unterhaltsame Denksportaufgaben gefragt waren. Etwas für jeden, hieß es in der Zeitung. Etwas für Mamas und Papas, etwas für den Nachwuchs und etwas für die Tantchen. Geburten, Todesfälle und Kleinanzeigen. Jede Menge Elan. Horoskope, Skandale… lauter saftige Würmer für einen Habicht.

Der gegenwärtige Chefredakteur der Cotswold Voice, bei seiner überraschenden Ernennung neunundzwanzig Jahre alt, hatte in vier kurzen Jahren die Auflage der Zeitung verdoppelt, obwohl man ihn — durchaus nicht grundlos — hätte für den Bürolaufburschen halten können.

Er war klein und dünn, hatte ein außerordentlich scharfes Auge, ein gutes Gehör und einen Geruchssinn, der Öl im Nordwind wahrnahm und Schafe im Westwind. Sein Akzent war eine Mischung aus Berkshire, Wiltshire und der Universität von Cambridge. Er konnte mit Lichtgeschwindigkeit lesen, und sein Gehirn war ein Schwamm. Getauft war er auf den Namen Absalom Elvis da Vinci Williams, und er konnte hochgehen wie eine Rakete. Seine Angestellten, die Autorität erkannten, wenn sie sie zu spüren bekamen, gingen auf Zehenspitzen um ihn herum und nannten ihn auf sein Geheiß hin Bill.

Der Chefredakteur — Absalom Elvis et cetera Williams — überflog den Aufmacher der Rennseite noch einmal. Konzentrier dich, befahl er sich. Geh nicht mit einem Winseln.

Er las:

Warnung an alle Herzpatienten: Bitte nicht weiterlesen. An alle anderen: Gönnt euren Herzklappen ein wenig Aerobic, während ihr euch samstags nachmittags auf der Couch räkelt. Schnappt euch eine Dose Bier. Liegen die Füße hoch? Dann an den Start, und ab geht die Post.

Die Arbeit war in technischer Hinsicht perfekt; sauber getippt, doppelter Zeilenabstand, der makellose Papierausdruck einer Computerdiskette. Dieser Rennsportredakteur verunstaltete seine Seiten niemals mit hingekritzelten Verbesserungen.

Nachdem er sich durch zwei weitere blumige Absätze geackert hatte, kam er endlich zum Kern des Ganzen: der Empfehlung, Anteile an Gemeinschaftseigentum von Rennpferden zu erwerben.

Williams runzelte die Stirn. Gemeinschaftseigentum an Rennpferden waren ein alter Hut. Neu war hier lediglich die Feststellung, daß die betreffenden Pferde nach dem gemeinschaftlichen Ankauf nicht zu einem etablierten Trainer geschickt werden, sondern den Kern eines neuen Stalles mit einem neuen Trainer bilden sollten, einem gewissen Dennis Kinser.

Die Voice versicherte ihren Lesern, daß dieses Vorhaben aufregende finanzielle Aussichten bot. Kaufen Sie, kaufen Sie und — ehm — kaufen Sie.

Der Chefredakteur nahm den pulsbeschleunigenden Artikel und ging ohne Hast den langen Redaktionsflur entlang zu seinem federführenden Rennkommentator, der auf ein Urteil wartete. In dem ganzen geschäftigen Raum herrschte eine bemerkenswerte Ruhe — dank dem Chefredakteur, der während seiner ersten Wochen im Amt auch die letzte der klappernden, ratschenden und klingelnden Schreibmaschinen in Pension geschickt und den bei jedem Schritt quietschenden, billigen Fußbodenbelag aus Kunststoff mit dunkelblauen, schalldämpfenden Teppichfliesen belegen lassen hatte. Die in Zeitungsredaktionen übliche hektische Hyperaktivität war mit dem Geklapper erstorben, die Produktivität gleichwohl zu neuen Höhen gelangt. Die alten Hasen sehnten sich nach einer Rückkehr zum Lärm der Vergangenheit.

Der Chefredakteur setzte sich auf einen Drehstuhl vor den Schreibtisch des Rennkommentators, ließ die getippten Seiten vor ihm herunterflattern und fragte ohne Aggressivität:»Worum geht es dabei wirklich?«»Ehm… um Eignergemeinschaften. «Der Rennkommentator, in mittleren Jahren, mit buschigem Schnurrbart, zeigte auf dem Papier mehr Energie als im wirklichen Leben.

«Dieser Dennis Kinser«, fragte der Chefredakteur,»haben Sie den persönlich kennengelernt?«

«Ehm. nein.«

«Wie sind Sie an die Story gekommen?«

«Ich habe sie von dem Agenten, der die Eignergemeinschaften zusammenbringt.«

«Kennen Sie den denn?«

«Nein. Er hat angerufen.«

Der Chefredakteur zog einen roten Kugelschreiberstrich durch den wiederholten Ratschlag, zu kaufen und nochmals zu kaufen, und zeichnete den Rest des Artikels ab, um ihn zur Veröffentlichung freizugeben. Es gab kaum etwas, das von größerem Interesse gewesen wäre: Es war August, Sauregurkenzeit bei Zeitungen ebenso wie beim Rennsport.

«Gehen Sie der Story nach«, sagte er.»Machen Sie einen Hintergrundartikel über Dennis Kinser. Beschaffen Sie sich ein Foto. Wenn es keine größeren Storys gibt und niemand sie mit einem Knüller aussticht, bringen wir die Sache nächsten Samstag.«

«Und wenn er ein Betrüger ist?«

«Betrüger sind Nachrichten«, sagte der Chefredakteur.

«Sehen Sie zu, daß Sie Ihre Fakten beisammen haben.«

Der Rennkommentator zuckte zusammen und sah dem Chefredakteur nach, während dieser den Raum verließ. Faul bis auf die Knochen, hatte er einmal einen beißenden, satirischen» Augenzeugen«-Bericht über eine vielbeachtete Parade von Champions geschrieben, die in Wirklichkeit wegen schwerer Regenfälle abgesagt worden war. Der Zorn des Chefredakteurs hatte dem zu Tode erschrockenen Rennsportredakteur Durchfall und Schüttelfrost beschert. Diesmal, überlegte er verdrossen, würde er tatsächlich seinen Hintern bewegen und den Möchtegerntrainer aufspüren müssen. (Der Rennkommentator schrieb nicht nur im Jargon, sondern dachte auch darin.) Der einzige Lichtblick an seinem beschränkten Horizont war der nächste Samstag, an dem der Chefredakteur für eine Woche in Urlaub ging. Der Rennsportredakteur konnte sich viel mehr Nachlässigkeit gestatten, dachte er voller Wohlbehagen, wenn der scharfsinnige kleine Rotstiftfetischist nicht um ihn herumschlich und verlangte, daß er tatsächlich arbeitete. Er beschaffte sich seine Informationen gern per Telefon und im Sitzen. Er griff nach dem Hörer und rief den Agenten an, der die Eignergemeinschaften zusammenbrachte.