Mrs. Robin Dawkins hielt es für absolut sinnlos, ein Vorstellungsgespräch mit einem Dreiunddreißigjährigen aus der finstersten Provinz zu führen, und einzig die Verzweiflung hatte sie dazu gebracht, diesen Weg einzuschlagen.
Der Daimler der Lionheart News Group fuhr um 19 Uhr 35 vor dem Restaurant» Mainstream Mile «vor, und die Besitzer begaben sich steifbeinig in die Bar. An verschiedenen kleinen Tischen saßen Leute zusammen, von denen auf den ersten Blick keiner Mrs. Robin Dawkins’ Vorstellung von einem Chefredakteur entsprach. Ihr Blick glitt über den jungen Mann, der mit einem Aktenordner in der Hand in einer Ecke stand, und als der Mann zögernd auf sie zukam, wurde ihr niederschmetternd bewußt, daß diese fleischgewordene Zeitverschwendung die Person war, die zu treffen sie den ganzen weiten Weg in Kauf genommen hatten.
F. Harold Field und Russell Maudsley schüttelten ihm die Hand, stellten sich vor und waren beide entsetzt von seiner Jugend. In dunklen Hosen, weißem Hemd und marineblauem Jackett schien er durchaus passend zu sein für einen Donnerstagabend an der sommerlichen Themse, aber vollkommen ungeeignet, ihrer Meinung nach, um eine Zeitungsbelegschaft auf Trab zu bringen. Bill Williams, den seine Berufsaussichten nervöser machten, als er es zugegeben hätte, war zudem von der fortgesetzten Feindseligkeit des Restaurants ihm gegenüber aus der Ruhe gebracht worden, denn er sah keinen logischen Grund dafür. Warum, um Himmels willen, sollte er nicht in einem Kahn hier ankommen?
In der Bar ließ Bill Williams seine Gäste an einem kleinen Tisch Platz nehmen und bestellte Drinks, die lange auf sich warten ließen. Die Bar füllte sich mit Gästen und leerte sich wieder, während der Oberkellner in offiziellem
Dinnerjackett Speisekarten zu verteilen begann, Bestellungen entgegennahm und Gäste zu ihren Plätzen im Speisesaal führte. Andere Gäste: nicht die von Williams.
Verärgert darüber, daß man ihn übersah, bat Bill Williams den Oberkellner um Speisekarten, als dieser gerade mit einigen lächelnden Kunden im Schlepptau vorüberging.
Der Oberkellner sagte:»Aber gewiß«, runzelte die Stirn und brauchte fünf Minuten, um wiederzukommen.
Mrs. Robin Dawkins ärgerte sich maßlos über die nachlässige Behandlung und wartete wutschnaubend darauf, daß ihr Gastgeber sich durchsetzen würde. Bill Williams verlangte zweimal nachdrücklich, daß der Oberkellner sie zu ihren Plätzen führen möge, aber er und seine Gäste waren die letzten, die die Bar verließen, und die letzten, die im Speisesaal ankamen, und man führte sie zu dem schlechtesten Tisch, einem Ecktisch. Bill Williams war nahe daran, dem Oberkellner seine Selbstgefälligkeit mit einem Boxhieb aus dem Gesicht zu schlagen.
Unglaublich, dachte Mrs. Robin Dawkins. Das Essen, das sie bestellte, kam spät und war kalt. F. Harold Field und Russell Maudsley versuchten sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob dieser Junge, Williams, eine Zeitung leiten könne, was schließlich der Grund ihres Besuchs hier war, aber auch sie wurden von dem schlechten Service des Restaurantpersonals immer wieder abgelenkt.
Bill Williams verlangte wütend mit geballten, aber hilflosen Fäusten, daß die Manieren des Kellners sich besserten, was jedoch nicht geschah. Als Mrs. Robin Dawkins einen Kaffee bestellte, bekam sie den Bescheid, daß sie ihn in der Bar trinken könne.
Zu diesem Zeitpunkt war jeder Tisch in der Bar bereits besetzt. Mrs. Robin Dawkins marschierte geradewegs durch die Tür hinaus zum Parkplatz, ohne sich noch einmal umzusehen. F. Harold Field und Russell Maudsley bedachten Bill Williams mit einem wissenden Kopfschütteln und bemerkten vage, daß sie ihm Bescheid geben würden. Bill Williams drängte F. Harold Field den Aktenordner auf, an dem er sich den ganzen Abend festgehalten hatte, und F. Harold Field, der zwar ein Gesicht machte, als hätte man ihm einen Haufen Dynamit in die Arme gelegt, nahm die Akte entgegen, umfaßte sie zuerst sehr vorsichtig, dann aber mit wachsender Entschlossenheit, bevor er Mrs. Dawkins und Russell Maudsley zu ihrem Wagen folgte.
«Ich hab’s Ihnen ja gesagt«, meinte Mrs. Robin Dawkins zähneknirschend, reckte das Kinn vor und drückte das Gaspedal durch.
«Noch grün hinter den Ohren und obendrein eine Niete, die nicht mal ein Sandwich organisieren kann.«
F. Harold Field sagte:»Ich hatte den Eindruck, daß Williams den Oberkellner mit Freuden verprügelt hätte, wenn nicht wir und alle anderen zugesehen hätten.«
«Unfug«, widersprach Mrs. Dawkins, aber F. Harold Field wußte, was er gesehen hatte. Er ließ seine Finger über die Akte gleiten, die ihm in die Arme gedrückt worden war, und beschloß, ihren Inhalt am nächsten Morgen zu lesen.
Bill Williams kehrte in den Speisesaal zurück, dessen Tische inzwischen leer waren und fürs Frühstück neu eingedeckt wurden. Er verlangte, den Oberkellner zu sprechen. Keiner der vielbeschäftigten Unterkellner beeilte sich, ihm zu helfen, aber einer von ihnen erklärte ihm endlich, daß der Oberkellner, dessen Arbeit für den Abend getan war, nach Hause gegangen sei.
Bill Williams stand, steif vor unterdrücktem Ärger, im Raum, als hätte man ihn dort unverrückbar eingepflanzt, und bestand darauf, wenigstens denjenigen zu sprechen, der im Augenblick das Kommando hatte. Die Kellner traten ein wenig von einem Fuß auf den anderen. Leute, die mit Booten kamen, sollten still und leise wieder gehen und nicht so aussehen, als könnten sie jeden Augenblick das gesamte Personal des Restaurants am anderen Ende des Anlegers ins Wasser scheuchen. Vielleicht wandte er sich da besser an die Direktion, schlug einer von ihnen nach einer ganzen Weile und ein wenig lahm vor.
«Sofort«, sagte Bill Williams.
Die Direktion, die in einem kleinen Raum in einem Flur hinter der Bar untergebracht war, erwies sich als eine eindrucksvolle Frau, die in einem wallenden, rotgoldenen Kaftan Geld zählte. Sie saß hinter einem Schreibtisch. Sie forderte Bill Williams nicht auf, auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz zu nehmen, aber er tat es dennoch. Sie blickte an ihrer langen, dünnen Nase entlang auf ihn herab.
Dann sagte sie, als sei etwas Derartiges einfach undenkbar:»Ich höre, Sie haben eine Beschwerde.«
Bill Williams berichtete ihr überzeugend von seinem verdorbenen Abend.
Die Direktion zeigte keinerlei Überraschung.»Als Sie einen Tisch reserviert haben«, sagte sie, ohne zu bestreiten, daß der Tisch in der Tat reserviert worden war,»hätten Sie erwähnen sollen, daß Sie mit einem Boot kommen würden.«
«Warum?«
«Wir akzeptieren keine Boote.«
«Warum nicht?«
«Leute, die auf Booten Urlaub machen, können sich nicht benehmen. Sie machen alles kaputt. Sie sind laut. Sie verschmutzen unsere WCs. Sie haben ungezogene Kinder. Sie beschweren sich über unsere Preise.«
«Ich habe einen Tisch auf die gewohnte Art und Weise bestellt«, sagte Bill Williams mit langsamer, deutlicher und nachdrücklicher Betonung,»und ich bin zornig.«
Die Wahrheit dieser Feststellung drang klar genug zur Direktion vor, um den Kaftan mit einem Zittern zu durchlaufen, aber sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wiederholte verstockt:»Sie hätten erwähnen müssen, daß Sie mit einem Boot kommen. Als Sie den Tisch reservieren ließen, hätten Sie das erwähnen müssen. Dann wären wir vorbereitet gewesen.«
«Als ich den Tisch reserviert habe, haben Sie nicht gesagt: >Wie werden Sie anreisen?< Sie sagten nicht: >Wer-den Sie mit dem Rolls Royce ankommen?< >Werden Sie mit einem Trecker kommen? < >Mit einem Fahrrad? < >Zu Fuß?< Meine drei Gäste sind mit einem Daimler gekommen, und Sie haben sie behandelt, als seien sie hier, um Ihre Gabeln zu stehlen.«
Die Direktion warf den Kopf in den Nacken, preßte die Lippen zusammen und starrte blicklos ihren wutschnaubenden, schlecht behandelten Kunden an. Sie wollte, daß er ging. Sie hatte kein Verlangen nach einem Streit.