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Sein Problem war, daß er es zu eilig hatte. An ebenjenem Morgen hatte er Pressemitteilungen an jede Zeitschrift verschickt, die auch nur im entferntesten ahnte, daß es so etwas wie Reitsport überhaupt gab. Seine Einladungen an jeden einflußreichen Schreiberling ließen sich aus der Königlichen Post nicht mehr zurückholen. Sein Ausruf» Seht mich an, ich bin große Klasse!«würde von der Klapperschlange mit dem Kahn schwarz auf weiß öffentlich beantwortet werden:

«Seht ihn an, er ist ein Betrüger. «Die Presseberichte zu seiner Person würden daraufhin höhnisch statt bewundernd ausfallen.

Dennis Kinser stöhnte laut.

Bill (Absalom Elvis etc.) Williams kaufte sich am nächsten Tag, einem Samstag, die Cotswold Voice und bahnte sich unter Schmerzen seinen Weg von den Schlagzeilen bis nach hinten.

Auf der Rennseite freute sich sein Rennsportredakteur, dem jetzt nur noch die Hälfte des verfügbaren Platzes zugestanden wurde, die Leser wissen zu lassen, daß ihr eigener Trainer, der mit den Eignergemeinschaften, am nächsten Samstag ein Rennen in Marlborough sponserte.»Lassen Sie sich das nicht entgehen!«ermutigte die Voice ihr Publikum.»Kinser kann siegen.«

Wie er es immer getan hatte, um Enttäuschungen abzumildern und Frustration erträglich zu machen, griff Bill Williams nach Kugelschreiber und Papier und schrieb sich die Bitterkeit aus dem Leib.

Er schrieb voller Inbrunst und mit unversöhnlichem Feuer. Er schrieb aus der scharfen Erinnerung an eine Demütigung heraus und aus einem ungestillten Hunger nach Rache. Er verspottete Pauline Kinser mit ihren Kaftanen und ihrem Dünkel und der snobistischen Achtung von Booten. Er nahm voller Leidenschaft die zahlreichen Lügen des scheinbar florierenden Rennstalls auseinander und goß seinen Hohn auch über Dennis Kinser selbst aus, den er als eingebildeten Spitzbuben entlarvte, als zungenfertigen Gauner und irregeleiteten Hochstapler. Es war ein Artikel, der eigens dazu ersonnen und berechnet war, niederzutrampeln und zu zerstören. Er würde wahrscheinlich niemals einen öffentlichen Abdruck erleben.

Eine von Dennis Kinsers marktschreierischen Pressemitteilungen fand ihren Weg in das wenig benutzte Büro von F. Harold Field bei der Lionheart News Group. F. Harold, dessen Hand schon über dem Aktenvernichter schwebte, nahm flüchtig die Worte» Mainstream Mile «wahr und warf einen kurzen Blick auf die Reklame.

«Ein herzliches Willkommen«, las er und lächelte grimmig. Nicht gerade der Eindruck, mit dem sich der Oberkellner in sein Gedächtnis eingeprägt hatte.

«Hürdenrennen, gesponsert von Trainer Dennis Kinser, Mitbesitzer des Mainstream Mile. Lunchbüfett. Erstklassiges Restaurant. Günstige Gelegenheit, einen Anteil an einer Eignergemeinschaft zu erwerben!«

Hm. F. Harold Field, der immer gerne eine kleine Wette riskierte, beschloß hinzufahren.

Bill Williams, Dennis Kinser und F. Harold Field stießen auf dem Rennplatz von Marlborough zusammen.

Während der letzten Woche hatte die Kühle der frühen Septembermorgen die Erinnerung an die Augusttage nahezu ausgelöscht.

Während dieser Woche schrieb Bill Williams fünf Meinungsbeiträge und Kommentare und schickte sie allesamt an angesehene Londoner Zeitungen, bei denen er in Zeiten vor der Voice veröffentlicht hatte. Am Telefon klangen sie alle begeistert, aber keiner brauchte einen Redakteur.

Während dieser Woche bekam Dennis Kinser von dem Organisator der Eignergemeinschaft ein erst halb bezahltes, aber talentiertes Hürdenpferd mitsamt einer Nennung im Kinser Cup. Dennis, der Ex-Stallbursche, wußte in der Tat, wie man Pferde trainierte und so zurechtmachte, daß sie eine gute Figur abgaben. Als das Pferd vor dem Cup auf und ab geführt wurde, leuchtete sein Fell in der Sonne.

Dennis Kinser verbrachte den Rest der Woche damit, Geld zu leihen und das Restaurant bis auf den letzten Tropfen auszusaugen.

Während dieser Woche besuchte F. Harold Field einen nach dem anderen sämtliche Direktoren der Lionheart News Group und ließ in seinem Kielwasser ein eindeutiges Votum für Williams zurück. Russell Maudsley nickte. Mrs. Robin Dawkins, immer noch in dem Glauben, ihre Kollegen beabsichtigten, gegen Williams zu stimmen, sagte streitlustig:»Ich glaube, es wäre falsch, ihn sausenzulassen, Harold.«

F. Harold schwenkte seine auffällige Einladung und ging von seinem (chauffeurgesteuerten) Daimler zu der großen Privatloge hinauf, wo Dennis Kinser mit Hilfe von großflächiger, unterschiedsloser Anwendung von Champagner versuchte, sich eine glänzende Zukunft zu erkaufen, obwohl er mittlerweile mit einem leeren Benzintank fuhr.

Dennis Kinser, der die Hälfte der Parasiten, die seinen Schampus in sich hineinschütteten, nicht einmal vom Sehen her kannte, begrüßte F. Harold mit einem jovialen Hallo und legte seinem Gast mit weit ausholender Gebärde vertraulich seinen Arm um die Schultern. F. Harold Field, ein nüchterner Geschäftsmann, der immun war gegen Weichspülmittel, Öl und Honig, mißbilligte den allzu intimen, unerwünschten Druck auf seinem Arm zutiefst, aber ohne sich aus dem Griff des anderen Mannes zu befreien, drehte er seinen gut frisierten Kopf, um Dennis Kinser in die Augen zu sehen und ihn direkt zu fragen, was Williams, der ehemalige Chefredakteur der Cotswold Voice, nur getan haben konnte, um von der Direktion und dem Personal des Mainstream Mile auf so unerträgliche Weise behandelt zu werden.

Für F. Harold Field war dies keineswegs eine müßige Frage: Er wollte wissen, was A. E. da V. Williams dazu bringen konnte, die Fäuste zu ballen, und darüber hinaus, was ihn daran hinderte, sie auch zu benutzen. F. Harold hatte die Gewohnheit, Menschen anhand ihrer Wutausbrüche zu beurteilen: Er suchte nach dem Anlaß und beobachtete, wie der Betreffende sich in seiner Wut verhielt. Wenn er nicht gerade von Mrs. Robin Dawkins überstimmt wurde (wie es der Fall gewesen war, als sie das letzte Mal einen Chefredakteur ausgewählt hatten), machte F. Harold Field selten Fehler.

Dennis Kinser ließ seinen Arm mit abstoßender Schnelligkeit von den Schultern seines Gastes heruntergleiten. Die ganze Woche über war er außerstande gewesen, halbwegs entspannt zu schlafen oder zu essen. Jeden Tag hatte er damit gerechnet, die Klapperschlange zu hören und von deren Giftzähnen durchbohrt zu werden. Aber dies, dachte er voller Bestürzung, dieser solide, grau gekleidete Steuerzahler paßte in keiner Weise zu dem Phantombild, das der Rennsportredakteur mit seinen Worten gezeichnet hatte. Das hier konnte unmöglich der muskulöse, bösartige Mann mit dem Kahn sein.

F. Harold Field fuhr energisch fort:»Als Williams’ Gast hat man mich wie Dreck behandelt, und ich weiß nicht, warum. Nennen Sie mir einen Grund, warum nicht sämtliche Zeitungen und Zeitschriften, deren Mitbesitzer ich bei der Lionheart Group bin, Ihr Haus bis auf den letzten Stein zerpflücken sollten.«

«Aber… a-aber«, stammelte Dennis Kinser, der entsetzt in diesen neuen Abgrund starrte,»er ist mit einem Boot gekommen.«

«Er ist… was?«

Dennis Kinser schlug jäh einen Haken nach links und stürzte in die Herrentoilette. Er hatte tagelang Medikamente eingenommen, um der Bakterien in seinem Darm Herr zu werden, aber die Katastrophe, die sich vor ihm anbahnte, war damit nicht zu bewältigen.

F. Harold Field ging (da sein Gastgeber nicht wieder auftauchte) noch immer nicht recht zufriedengestellt hinunter, um den Pferden zuzusehen, die durch den Führring trabten. Vor Dennis Kinsers extravagantem Cup kamen noch zwei andere Rennen. F. Harold Field schlug die Zeit tot, indem er am Toto bescheidenes Geld für einen Dritt-plazierten gewann.

Bill (Absalom etc.) Williams fuhr zum Renntag in Marlborough, nachdem er die ganze Woche lang bei weitem zuviel über Kinsers Ruhmestaten gelesen hatte. Kinser hier und Kinser dort… Kinsers Pferde, Kinser der Trainer, Kinser an der Themse. Jede Rennseite schien schon die Vorleistung für ein gutes Mittagessen entrichtet zu ha-ben. Die Cotswold Voice veröffentlichte eine frohgemute Aufforderung, dem Ereignis beizuwohnen, aber der Rennsportredakteur selbst lümmelte sich zu Hause herum, um sich die Sache bei ein paar Dosen Bier im Fernsehen anzusehen.