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«Er wird laufen müssen«, sagte der Tierarzt kategorisch, nachdem er seine Entscheidung getroffen hatte.

Morrison war außer sich vor Zorn und stürmte davon, um einen Steward zu suchen, der mit ihm zurückkehrte, sich den Fuchs ansah, dem Tierarzt zuhörte und bestätigte, daß das Pferd laufen mußte, ob es Morrison gefiel oder nicht. Es sei denn natürlich, Morrison wolle den abwesenden Besitzer des Pferdes mit hineinziehen, indem er ihm eine schwere Geldstrafe eintrug?

Mit einem Gesicht aus Granit sattelte Morrison den Fuchs abermals, und ein Stallbursche führte ihn hinaus in den Führring, wo der größte Teil der wartenden Öffentlichkeit in Beifall ausbrach und ein paar klügere Leute näher hinsahen und davoneilten, um ihre Wetten abzuwerfen.

Mit einem Schauder des Unwillens sah Chick, wie das Pferd wieder auftauchte, und bedauerte zum ersten Mal, was er getan hatte. Dieser blöde Tierarzt, dachte er hitzig. Der sieht nicht, was unter seiner dämlichen Nase vorgeht, der sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Alles, was von jetzt an passierte, war die Schuld des Tierarztes, dachte Chick. Der Tierarzt trug die Verantwortung, absolut. Der Mann war eine kriminelle Bedrohung, ein Pferd, dem das Doping aus den Augen blickte, in einem Jagdrennen starten zu lassen.

Toddy Morrison trat zu seinem Vater in den Führring, und gemeinsam sahen sie mit besorgter Miene zu, wie der Fuchs lethargisch über die ovale Bahn zockelte. Toddy war ein kräftiger, durch und durch professioneller Jockey von Ende Zwanzig mit einem ansteckenden Lächeln und einer offenen Lebenseinstellung, die das direkte Gegenteil derjenigen seines Vaters darstellte. Er hatte den starken Willen seines Vaters geerbt, ihn aber dazu benutzt, mit achtzehn Jahren sein Elternhaus zu verlassen und für andere Trainer zu reiten, und er hatte sich erst bereitgefunden, für seinen Vater zu reiten, als er seine eigenen Bedingungen stellen konnte. Daher kam es, daß Arthur Morrison ihn zutiefst respektierte. Gemeinsam hatten sie eine Menge Rennen gewonnen.

Chick hatte nicht direkt etwas gegen Toddy Morrison, obwohl Toddy ihm, wie er es sah, im Weg stand. Gelegentlich ließ Arthur Chick ein Rennen reiten, wenn Toddy etwas Besseres hatte oder das Gewicht nicht schaffte. Chick mußte diese Brosamen von Toddys Tisch mit zwei oder drei anderen Stallburschen im Hof teilen, die, obwohl er es nicht glaubte, genausogut im Sattel waren wie er. Aber auch wenn der Neid in ihm gärte und die abfälligen Bemerkungen scharf und sauer wie Essig aus seinem Mund kamen, konnte man nicht sagen, daß er Toddy tatsächlich haßte. Toddy hatte einfach etwas an sich, das man nicht hassen konnte, auch wenn man einen noch so guten Grund hatte. Chick hatte keinen Gedanken auf die Tatsache verwandt, daß es Toddy sein würde, der mit den Nachwirkungen der Möhre fertig werden mußte. Er hatte nicht weiter gedacht als bis zu seiner eigenen Tasche. Jetzt wünschte er, es wäre ein anderer Jockey gewesen. Irgend jemand, nur nicht Toddy.

Als er Toddy und Morrison besorgt im Führring stehen sah, wurde Chick schlagartig klar, daß er keinen Augenblick lang damit gerechnet hatte, der Braune würde in dem Rennen tatsächlich starten. Der Fremde, sagte sich Chick, hatte ihm ausdrücklich erklärt, daß das Pferd zu krank sein würde, um zu starten. Sonst hätte ich es nicht getan, dachte Chick tugendhaft. Ich hätte es nie getan. Es ist ver-dammt gefährlich, ein gedoptes Jagdpferd zu reiten. Das hätte ich Toddy niemals angetan. Es ist nicht meine Schuld, wenn er jetzt ein gedoptes Jagdpferd reiten muß, es ist die Schuld dieses Tierarztes, der nichts gemerkt hat. Es ist die Schuld dieses Fremden, der mir deutlich gesagt hat, das Pferd würde nicht in der Lage sein zu starten…

Ein unangenehmer Gedanke flackerte plötzlich in Chicks Gedächtnis auf — er war zwei Stunden zu spät mit der Möhre gewesen. Wenn der Fuchs die Droge pünktlich bekommen hätte, wäre ihre Wirkung inzwischen deutlicher zu Tage getreten, und der Tierarzt hätte bemerkt…

Chick verwarf diese unerträgliche Theorie augenblicklich und mit der Begründung, daß niemand genau sagen könne, wie ein bestimmtes Pferd auf eine Droge reagierte oder wie schnell sie wirken würde, und er wiederholte in Gedanken die tröstliche Selbsttäuschung, daß der Fremde ihm versprochen hatte, das Pferd würde überhaupt nicht an den Start gehen — obwohl der Fremde tatsächlich nichts Derartiges gesagt hatte. Der Fremde, der bei den Rennen zugegen war, war absolut zufrieden mit der Art, wie die Dinge sich entwickelten, und stand kurz davor, eine gehörige Menge Geld zu machen.

Die Glocke rief die Jockeys zum Aufsteigen. Chick ballte die Fäuste in den Taschen und versuchte, sich nicht vorzustellen, was einem Reiter passieren konnte, der mit fast fünfzig Kilometern die Stunde auf einem gedopten Pferd über die Hindernisse ging. Sein Körper begann Chick abermals Streiche zu spielen: Er konnte spüren, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterrann, und der Puls dröhnte wieder in seinen Ohren.

Angenommen, er sagte es ihnen, dachte er. Angenommen, er rannte einfach da raus in den Führring und sagte Toddy, er solle das Pferd nicht reiten, es hätte keine Chance, richtig zu springen, es würde sicher stürzen, es konnte ihn verdammt leicht töten, weil seine Reaktionen alle zum Teufel seien.

Angenommen, er tat es. Wie würden sie ihn ansehen? Seine Phantasie ging mit ihm durch, und ihm wurde schwarz vor den Augen, weil eine so gewaltige Woge der Schmach nicht mit seiner überzogenen Selbsteinschätzung in Einklang zu bringen war. Er konnte den Zorn, der sie erfüllen würde, einfach nicht über sich ergehen lassen. Und vielleicht wäre das ja nicht einmal alles. Selbst wenn er es ihnen sagte und Toddy das Leben rettete, würden sie vielleicht trotzdem zur Polizei gehen. Das würde ihnen durchaus ähnlich sehen. Und er konnte vor Gericht enden. Vielleicht sogar im Gefängnis. Das würden sie mit ihm nicht machen, nicht mit ihm. Diese Chance würde er ihnen nicht geben. Sie hätten ihm mehr bezahlen sollen. Ihm mehr bezahlen sollen, weil er mehr wert war. Wenn sie ihm mehr bezahlt hätten, hätte er das Geld des Fremden nicht zu nehmen brauchen. Arthur Morrison war selber schuld.

Toddy würde es eben riskieren müssen. Schließlich sah das Pferd gar nicht so schlecht aus, und der Tierarzt hatte es für gesund befunden, nicht wahr, und vielleicht war es nur gut, daß er dem Fuchs die Möhre zwei Stunden zu spät gegeben hatte, und die Droge hatte ihre Wirkung noch nicht voll entfaltet, und im Grunde hatten sie es Chick zu verdanken, daß es so war; nur ihm war zu verdanken, daß das Pferd die Droge zwei Stunden zu spät bekommen hatte und daß nicht viel passieren würde. Es würde nicht viel passieren. Vielleicht würde der Fuchs nicht direkt siegen, aber Toddy würde die Sache schon überstehen. Natürlich würde er das.

Die Jockeys schwangen sich in den Sattel, Toddy ebenfalls. Er sah Chick in der Menge, wie er ihn beobachtete, und winkte ihm kurz grüßend zu. Der Drang, es ihm zu sagen, und die Angst, es zu sagen, zerrissen Chick wie eine Folter.

Toddy griff nach den Zügeln, schnalzte mit der Zunge und lenkte den Fuchs unentschlossen auf die Bahn. Er war enttäuscht, daß das Pferd sich nicht gut fühlte, aber er hatte nicht die mindeste Angst. Es war weder ihm noch Arthur Morrison in den Sinn gekommen, daß das Pferd gedopt sein könnte. Er galoppierte, in den Steigbügeln stehend, zum Start und krempelte, da er sich nicht mehr auf die Reserven seines Pferdes verlassen konnte, im Geiste seine Taktik um. Es würde schwierig sein, das Rennen zu gewinnen. Schade.

Chick sah ihm nach. Er hatte nicht entschieden, ob er es sagen oder nicht sagen sollte. Der Augenblick war einfach an ihm vorübergegangen. Als Toddy fort war, hob er seine bleischweren Füße und trabte zur Tribüne hinüber, um das Rennen zu beobachten, und in jedem Winkel seines Geistes platzten kleine Rechtfertigungen seiner Tat wie Seifenblasen auf. Ein Gefühl der Scham versuchte sich abzulagern, aber er wirbelte es mit gezielten Tritten in die Luft. Sie hätten ihm mehr bezahlen sollen. Es war ihre Schuld, nicht seine.