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Er kam an der Tribüne vorbei, bewegte sich unerbittlich weiter, die Steigbügel baumelten von dem leeren Sattel herab, Schaumwölkchen stoben von seinem Maul, und große, dunkle Schweißflecken überzogen seine Flanken. Wo die Bahn nach links abbog, rannte der Fuchs geradeaus weiter. Geradeaus, quer über die Kurve hinweg, um auf der anderen Seite der Bahn gegen das Rail zu krachen. Er nahm das massive Holz mit der Brust und brach es in zwei Stücke. Wieder stürzte er mit zuckenden Gliedern zu Boden, und wieder erhob er sich schwankend auf die Füße. Aber diesmal nicht, um davonzugaloppieren. Diesmal machte er drei qualvolle, humpelnde Schritte und blieb stehen.

Weiter hinten am Zaun lag Toddy am Boden, umringt von Sanitätern, die sich ängstlich über ihn beugten. Arthur Morrison rannte von der Tribüne zur Bahn und wußte nicht, wohin er sich zuerst wenden sollte, zu seinem Sohn oder seinem Pferd. Chicks Beine gaben unter ihm nach, und er sackte benommen auf die Betonstufen. Und unten im Buchmacherstand wurde Harry Buskins’ erste freudige Reaktion von der Frage getrübt, ob dieser dämliche Chick, falls Toddy Morrison schwer verletzt war, genug Angst haben würde, um den Mund zu halten.

Arthur Morrison lenkte seine Schritte in die Richtung, in der sein Sohn lag. Toddy hatte durch den Sturz das Bewußtsein verloren, und das Gewicht des Fuchses hatte ihm sämtliche Luft aus den Lungen gequetscht, aber als sein Vater auf hundert Meter herangenaht war, kam er langsam wieder zu sich. Arthur sah, daß die lang hingestreckte Gestalt sich regte, drehte brüsk um und lief auf das Pferd zu: Es war völlig unmöglich, Toddy zu zeigen, welche Sorgen er sich machte. Toddy würde ihn dann nicht mehr respektieren, dachte er.

Der Fuchs stand geduldig an der zerschmetterten Rail und war sich nur schwach des stumpfen Schmerzes in seinem Vorderbein bewußt, das sein Gewicht nicht zu tragen vermochte. Arthur Morrison und der Tierarzt erreichten das Pferd gleichzeitig, und Arthur Morrison funkelte den Arzt zornig an.

«Sie sagten, er sei fit genug für das Rennen. Der Besitzer wird an die Decke gehen, wenn er das erfährt. «Morrison versuchte, seinen wachsenden inneren Zorn angesichts der Ungerechtigkeit des Schicksals im Zaum zu halten. Der Fuchs war nicht irgendein Pferd — er war das beste Pferd, das er je trainiert hatte,»Nun, mir schien er in Ordnung zu sein«, verteidigte sich der Tierarzt.

«Ich will einen Dopingtest«, sagte Morrison rüde.

«Er hat sich die Schulter gebrochen. Wir werden ihn einschläfern müssen.«

«Ich weiß. Ich habe Augen im Kopf. Trotzdem, ich will zuerst einen Dopingtest. Wenn er einfach nur krank wäre, hätte er sich niemals so benommen.«

Der Tierarzt erklärte sich widerstrebend bereit, eine Blutprobe zu nehmen, danach schob er den Bolzen in den Schußapparat und schoß ihn in das von Drogen umnebelte Gehirn des Fuchses. Das beste Pferd in Arthur Morrisons

Stall war nur noch ein Name in den Zuchtbüchern. Die verdaute Möhre wurde zusammen mit dem Kadaver weggeschafft, aber der Schaden, den sie angerichtet hatte, hatte damit noch lange nicht sein Ende erreicht.

Chick brauchte fünfzehn Minuten, um zu begreifen, daß es Toddy war, der noch lebte, und das Pferd, das tot war, und während dieser Zeit fühlte er sich körperlich krank und geistig zermalmt. Am Anfang war es ihm als eine solche Kleinigkeit erschienen, dem Fuchs eine Möhre zu geben. Er hatte nicht gedacht, daß die Sache ihn derart mitnehmen würde. Er hätte sich niemals träumen lassen, daß man von so etwas richtiggehend krank werden konnte.

Sobald er wußte, daß Toddy sich keine Knochen gebrochen hatte, wieder bei Bewußtsein war und in ein oder zwei Stunden sogar wieder aufstehen konnte, ebbte der Großteil seiner körperlichen Symptome ab. Als der kleine Trainer hinter ihm auftauchte, um ihn scharf daran zu erinnern, daß er in diesem Augenblick in der Umkleidekabine sein sollte, um die Rennfarben für seinen Ritt im Rennen der Sieglosen anzulegen, fühlte er sich gut genug, es zu tun, obwohl er in gewisser Weise wünschte, er hätte nicht zugesagt.

Im Umkleideraum vergaß er, seinem Jockeydiener zu sagen, daß er einen leichten Sattel brauchte und daß der Trainer um einen Brustgurt gebeten hatte. Er vergaß, die Trikotbandage um seinen Hals zu knoten, und wäre beinahe mit hinterherflatternden Enden hinausgegangen. Er vergaß, seine Uhr abzunehmen. Sein Diener wies ihn auf alles hin und dachte bei sich, daß der Jockey betrunken wirke.

Das sieglose Hürdenpferd, das Chick reiten sollte, wäre mehr als einen Kilometer hinter dem Fuchs ins Ziel gegangen, wenn beide am Vortag gestartet wären. Jung, unerfahren und nur oberflächlich trainiert, war es keine

Geldader, die nur noch entdeckt zu werden brauchte, sondern ein Hengst, der im Hauptfeld mitlief, bis sein Besitzer es müde wurde, es immer wieder zu probieren. Chick hatte sich nicht die Mühe gemacht, das herauszufinden. Er hatte zuviel anderes im Sinn gehabt, um in den Rennberichten nachzulesen, wo eine lange Reihe von Niederlagen ihn vielleicht vorsichtig gemacht hätte. Wie die Dinge lagen, stieg er unaufmerksam auf das Pferd und achtete nicht auf die Reitorder, die der kleine Trainer ihm wieder und wieder einzubleuen versuchte. Wie gewöhnlich glaubte er, es besser zu wissen. Er würde die Sache nach eigenem Gusto entscheiden, dachte er streitlustig. Wie konnte er sich bei all dem, was er im Kopf hatte, auf hektische kleinliche Instruktionen konzentrieren?

Als er die Waage verließ, kam er an Arthur Morrison vorbei, der mit einem unaufmerksamen Blick auf seine Rennfarben sagte:»O ja… na, sieh zu, daß du die Sache nicht allzusehr verpfuschst…«

Morrison dachte immer noch darüber nach, welche Rolle der Tod des Fuchses für sein künftiges Geschick spielen würde, und er bemerkte das gereizte Zucken nicht, das Chicks verdrießliches Gesicht durchlief.

Da geht er, dachte Chick. Das ist doch wieder typisch. Typisch. Der glaubt wirklich, ich bringe nicht die kleinste Kleinigkeit zustande. Wenn er mir mehr Chancen gegeben hätte… und mehr Geld… dann hätte ich die Möhre nicht… nun, ich hätte es nicht getan. Er galoppierte zum Zielpfosten und konzentrierte sich ganz auf seinen Groll über diese Bemerkung:»Sieh zu, daß du die Sache nicht allzusehr verpfuschst«, weil sie ihm auf merkwürdige Weise zu rechtfertigen schien, getan zu haben, was er getan hatte. Der Abgrund der Reue, der sich unter ihm auftat, war zu schmerzhaft. Er klammerte sich an jede Lüge, um sich davor zu bewahren.

Harry Buskins hatte bemerkt, daß Chick unerwarteterweise im Hürdenrennen der Sieglosen mitritt, und schloß daraus, daß er selbst in Sicherheit war, daß der Junge nicht zusammenbrechen würde. Trotzdem hatte er seine Tasche über seinen beachtlichen Einnahmen geschlossen und seinen Stand für den Tag verlassen, um nach Hause zu gehen. Seinen Kollegen hatte er erklärt, daß es ihm nicht gut ginge. Und das stimmte auch. Er wurde das Bild, wie der Fuchs auf diese Zäune zustürmte, als könne er nichts sehen, einfach nicht los. Blind. Das Pferd war blind gewesen. Ein großes Rennpferd, das wußte, daß es am Anfang eines Rennens auf einer Rennbahn stand. Das nicht begriff, daß irgend etwas mit ihm nicht stimmte. Das galoppierte, weil man es zum Galoppieren aufforderte, weil es wußte, daß dies der rechte Ort dafür war. Ein großes Pferd mit einem großen Herzen.

Harry Buskins wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nach einem solchen Zwischenfall würden sie das Pferd ganz sicher auf Doping untersuchen, dachte er. Keins der anderen, bei denen er in der Vergangenheit das gleiche gemacht hatte, hatte so reagiert. Vielleicht hatte er die Dosis falsch bemessen, vielleicht war auch das Timing falsch gewesen. Man konnte nie genau wissen, wie ein bestimmtes Pferd reagieren würde. Doping war immer ein wenig unberechenbar.