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«Wir haben heute morgen das Ergebnis des Dopingtests bekommen. Wußtest du, daß wir den Fuchs haben untersuchen lassen? Nun, du weißt ja, daß wir ihn auf jeden Fall einschläfern lassen mußten. Die Ergebnisse sind heute morgen reingekommen. Sie waren positiv… positiv. Der Fuchs war bis oben hin voll mit irgendeinem Betäubungsmittel, irgendein langer Name. Der Besitzer macht uns die Hölle heiß deswegen und die Versicherungsgesellschaft ebenfalls. Sie versuchen, es mir in die Schuhe zu schieben. Meine Sicherheitsvorkehrungen seien nicht ausreichend gewesen. Das ist lächerlich. Nicht genug mit dem Verlust des Pferdes selbst, dem Verlust dieses wirklich großartigen Pferdes. Ich habe heute morgen jeden im Stall gefragt, sobald ich von dem Doping wußte, aber natürlich wußte niemand irgend etwas. Mein Gott, wenn ich wüßte, wer das getan hat, würde ich ihn höchstpersönlich erwürgen. «Seine Stimme zitterte von dem Zorn, der ihn den ganzen Tag über verzehrt hatte.

In diesem Augenblick ging ihm auf, daß Chick schließlich Chick war und sich ausschließlich für seinen eigenen Zustand interessieren und sich einen feuchten Kehricht um die Schwierigkeiten anderer Leute scheren würde. Arthur Morrison seufzte tief. Chick hatte im Augenblick tatsächlich eigene Probleme. Man konnte nicht von ihm erwarten, daß ihn die Sache mit dem Fuchs allzusehr interessierte. Und er sah sehr schwach aus, sehr blaß.

Der Arzt, der Chicks Zustand zehnmal am Tag überprüfte, kam leise in den kleinen Raum und schüttelte Morrison die Hand.

«Er macht sich gut«, sagte er.»Die Sache entwickelt sich hervorragend.«

«Quatsch«, sagte Chick.

Der Arzt schürzte die Lippen. Er sagte nicht, daß Chick seiner Meinung nach der übellaunigste Patient im ganzen Krankenhaus war. Er sagte:»Es ist natürlich hart für ihn. Aber es hätte schlimmer sein können. Es wird einige Zeit dauern; er wird alles noch mal von vorne lernen müssen, verstehen Sie. Es wird einige Zeit dauern.«

«Wie ein verdammtes Baby«, sagte Chick heftig.

Noch einmal ein Baby, dachte Arthur Morrison. Nun, vielleicht konnten sie ihn beim zweiten Mal besser hinbekommen.

«Er kann von Glück sagen, daß er gute Eltern hat, die sich um ihn kümmern werden, sobald er nach Hause kommt«, meinte der Arzt.

Chick dachte an seine Mutter, die ewig Möhren hackte, um sie in den Eintopf zu geben. Er würde sie essen müssen. Seine Kehle krampfte sich zusammen. Er wußte, er würde keine Möhre mehr herunterbekommen.

Und dann war da das Geld, zusammengerollt in der Schuhputzdose auf dem Regal in seinem Zimmer. Er würde die Dose die ganze Zeit über sehen können, wenn er in seinem eigenen Bett lag. Er würde nie vergessen können. Nie. Und es würde immer die Gefahr bestehen, daß seine Ma in die Dose schaute. Der Gedanke, nach Hause zu gehen, war ihm unerträglich. Und er wußte, er würde nach Hause gehen müssen. Er hatte keine andere Wahl. Er wünschte, er wäre tot.

Arthur Morrison seufzte schwer und schulterte mit gewohnter Geistesstärke seine neue Bürde.»Ja, er kann nach Hause kommen, zu seiner Mutter und mir, sobald es ihm wieder gut genug geht. Er wird sich immer auf uns verlassen können.«

Chick Morrison zuckte vor Verzweiflung zusammen und schloß die Augen. Sein Vater versuchte ein Aufwallen von Ärger zu unterdrücken, und der Arzt dachte, was für ein undankbares kleines Biest der Junge doch war.

Ein Geschenk des Himmels

Die Erzählung >Ein Geschenk des Himmels< erschien in der Ausgabe der Sports Illustrated zum Kentucky Derby 1973, allerdings unter dem von der Zeitschrift geänderten Titel >Der Tag von Wein und Rosen<, einem Titel, der sich sowohl auf die reale Blumendecke bezog, die man dem DerbySieger über den Widerrist wirft, als auch auf den frei erfundenen Alkohol, der in der Erzählung reichlich fließt.

>Ein Geschenk des Himmels<, das Fred Collyer zuteil wurde, war jedoch weit mehr wert als Rosen.

ls der Morgenflug von La Guardia noch zwanzig Mi-

nuten vor Louisville war, holte Fred Collyer einen Block mit vorgedruckten Formularen hervor und begann seine Unkosten aufzuschreiben.

Taxi zum Flughafen, vierzig Dollar.

Unerheblich, daß sein Nachbar, der auf Long Island arbeitete, ihn kostenlos mitgenommen und am Flughafen abgesetzt hatte: Ein wenig Phantasie in Sachen Spesen bescherte ihm (steuerfrei) noch mal die Hälfte von dem, was ihm der Manhattan Star für die Artikel zahlte, die er jeden Montag in seiner Rennspalte brachte.

Erfrischungen auf der Reise, schrieb er. Fünfundzwanzig Dollar.

Bewirtung zum Zwecke der Informationsbeschaffung, dreißig Dollar fünfzig.

Wie um diesen Posten zu rechtfertigen, bestellte er bei der Stewardeß einen zweiten doppelten Bourbon und prostete schweigend einem Mann zu, der auf der anderen Seite des Ganges schlief — dem Besitzer einer drittklassigen Stute, die sich vor zwei Wochen die Schienbeine aufgeschlagen hatte.

Wieder ein Kentucky Derby. Seine Gedanken flackerten wie die zerkratzte Kopie eines alten Kinofilms über die vor ihm liegenden Tage. Immer dieselbe Plackerei, morgens raus zu den Ställen, dann endlose Sitzungen über Rennberichten der Vergangenheit und die Suche nach einem Fingerzeig, was die Zukunft betraf. Die wenig aufschlußreiche Trainingsarbeit auf der Bahn, die verleumderischen Gerüchte, das Geschwätz, die dummen Jockeys, die dummen Trainer, die ihre gottverdammten dummen Klappen aufrissen — immer dasselbe.

Der glühende Enthusiasmus, einst das Markenzeichen seiner auch von anderen Zeitungen übernommenen Beiträge, gehörte lange der Vergangenheit an. Die gehobene Stimmung an den großen Renntagen, das feine Gespür, mit dem er eine Story gewittert hatte, wo kein anderer etwas vermutet hätte, der scharfe Instinkt, der Wahrheit von Täuschung zu unterscheiden vermochte, all diese Dinge hatte er einmal besessen. All diese Dinge hatte er verloren. An ihrer Stelle dehnten sich endlose Langeweile und immerwährende, zynische Müdigkeit. Anstelle von Exklusivbeiträgen erhielt seine Zeitung die wiedergekäuten Ideen anderer Rennsportreporter, und in letzter Zeit war ihm einige Male nicht einmal mehr das gelungen.

Er war sechsundvierzig.

Er trank.

Daheim in seinem zweckmäßigen New Yorker Büro schürzte der Sportreporter des Manhattan Star die Lippen. Vor ihm lag Fred Collyers Bericht über die Everglades in

Hialeah, und er fragte sich, ob es klug gewesen war, ihn wie gewöhnlich zum Derby zu schicken.

Dieser Bursche, dachte er bedauernd, war fix und fertig. Wirklich schade. Wirklich schade, daß er nicht die Finger vom Alkohol lassen konnte. Niemand konnte trinken und schreiben, nicht gleichzeitig. Erst schreiben, dann trinken; okay. Vielleicht sogar trinken bis zum Abwinken, bis zum Umfallen. Aber danach.

Lange würde es nicht mehr dauern, dachte er, bis er Fred gehen lassen mußte, und wahrscheinlich hätte er sich schon seit jenem Tag vor einigen Monaten nach Ersatz umschauen sollen, als Fred zum ersten Mal so besoffen ins Büro gekommen war, daß er nicht mehr die richtigen Tasten auf seiner Schreibmaschine erwischte. Aber dieser Säufer hatte alles gehabt, dachte er. Eine Nase für eine Story, wie ein Journalist sie brauchte, und die Gabe, sein Zeug so lebhaft rüberzubringen, daß die Worte geradezu von den Seiten sprangen und sich einem ins Gehirn rammten.

Alles, was davon heute noch übrig war, war ein guter Ruf und ein Echo: Er funktionierte nur noch mechanisch, die Persönlichkeit dahinter war im Suff versunken.