Percy Driffield legte sein Jackett und seinen Helm ab und fragte sie bloß, ob sie sich auf der Geburtstagsfeier gut amüsiert habe.
«Ja, danke«, antwortete sie.»Moggie Reilly war so freundlich, mich heimzufahren.«
Ihr Vater runzelte die Stirn.»Ermutige ihn nicht.«
«Nein.«
Der Tequila-Hammer, dachte sie. Eine Prise Salz auf die Zunge, darüber eine Meßkelle reinen Tequila und dann eine Limettenscheibe lutschen. Sie hatte sich befreit gefühlt. Mit Moggie Reilly zu schlafen war einfach ein Vergnügen nach dem Motto» Warum nicht?«gewesen. Sie forschte in ihrem Gewissen nach Schuldgefühlen, fand aber nichts als ein Lächeln.
Percy Driffield kam geradezu zwanghaft immer wieder auf Lilyglit zurück.»Dieser verdammte Trottel von Besitzer will ihn verkaufen. Ich habe ihm gesagt, er müsse ihn versichern, aber er will nichts davon wissen. Warum versichern die wirklich reichen Leute niemals etwas? Die Bewertung ist eine Einladung für Betrüger, sagte er. Jasper Billington Innes mag ja wirklich ein netter Kerl sein, aber er ist dämlich. Du hast ihn ja oft genug gesehen. Ich habe ihm gesagt, Lilyglit habe alle Aussichten, das beste Hürdenpferd zu werden, wenn wir ihm noch ein Jahr Zeit ge-ben. Ich begreife einfach nicht, was in den Mann gefahren ist. Er schien gestern abend am Telefon in heller Panik zu sein und sagte mir, ich solle mich sofort um einen Käufer bemühen. Warten Sie wenigstens, bis er das Cloister Hurdle gewonnen hat, riet ich ihm, aber er hat wegen dessen besseren Ausgleichs Angst vor Storm Cone. Er schien zu glauben, ich könnte Storm Cones Jockey eine Art Vorschlag machen. Nie im Leben. Ich habe ihm gesagt, er soll’s selbst versuchen.«
Seine Tochter zog über ihren Cornflakes die Augenbrauen hoch. Wenn Moggie sich bestechen ließ, war sie mit ihm fertig, dachte sie.
Moggie Reilly hielt sich wie viele andere Jockeys durch regelmäßiges Laufen fit, und viele ließen auch abends ihren Wagen lieber vor einem Pub stehen, als mit Alkohol am Steuer erwischt zu werden. Daher fiel es niemandem weiter auf, daß Moggie zu The Stag joggte, seine Schlüssel aus der Magnethaftbox nahm und dann mit seinem Wagen heimfuhr. Als er gerade durch die Tür kam, begann das Telefon zu läuten; er nahm ab und hoffte, daß es ein kurzes Gespräch werden würde. Ihm war kühl, die Wärme vom Laufen verflüchtigte sich langsam. Er wollte heiß duschen, sich dann einen warmen Wollpullover überziehen, in Ruhe Kaffee trinken und die Zeitung lesen.
Eine hochgradig nervöse, gehetzte Stimme sagte:»Ich möchte Reilly sprechen. Hier ist Billington Innes. Jasper… eh… Billington Innes. Mir gehört Lilyglit… eh… Wissen Sie, welches Pferd ich meine?«
Moggie Reilly wußte es genau. Er sagte, er selbst sei Reilly.
«Ja. Nun… eh… Ich verkaufe mein Pferd. «Billington Innes holte tief Luft und versuchte dann langsamer zu spre-chen.»Ich habe einen Verkauf eingefädelt. zu einem Höchstpreis natürlich… Wirklich ein exzellenter Verkauf…«
Moggie Reilly sagte kurz:»Meine Glückwünsche.«
«Ja, aber nun, wissen Sie, es ist ein Verkauf unter Vorbehalt.«
«Hm?«murmelte Moggie Reilly,»unter welchem Vorbehalt?«
«Nun. im Grunde unter dem Vorbehalt, daß er heute nachmittag gewinnt. Das Cloister Hurdle gewinnt, um genauer zu sein.«
«Ich verstehe«, sagte Moggie mit Bedacht, und in der Tat verstand er.
«Ja. nun, Percy Driffield hat sich geweigert, mit diesem Vorschlag an Sie heranzutreten, aber. «Er sprach wieder schneller.»Es ist keine Bestechung, die ich Ihnen anbiete, keinesfalls. So etwas würde ich nie tun, absolut nicht.«
«Nein«, sagte Moggie.
«Was ich Ihnen anbiete, sehen Sie«, kam Jasper Billington Innes endlich verlegen zur Sache,»ist eher etwas von der Art einer Kommission. Wenn mein Pferd Lilyglit das Cloister Hurdle gewinnt, kann ich den Verkauf zu besseren Bedingungen realisieren, und… eh, nun, wenn Sie und Storm Cone auf irgendeine Weise dazu haben beitragen können, dann hätten Sie sich doch eine Kommission verdient, sehen Sie?«
Was ich sehe, dachte Moggie Reilly im stillen, ist der kürzeste Weg zum Verlust meiner Lizenz. Jasper Billing-ton Innes erwiderte er beruhigend:»Ihr Pferd Lilyglit ist gut genug, um ohne Hilfe zu gewinnen.«
«Aber denken Sie doch an den Ausgleich. Das ändert alles. Und beim letzten Mal hat Lilyglit mit gleichem Gewicht Storm Cone um nur zwei Längen geschlagen…«
Seine Stimme wurde besorgt lauter.
«Mr. Billington Innes«, sagte Moggie Reilly geduldig — er zitterte jetzt beinahe —,»im Cloister laufen elf Pferde. Theoretisch kann jeder das Rennen machen, wegen des Ausgleichs, und wenn Storm Cone seinen Weg an die Spitze findet, dann sollte ich ihn nicht aufhalten.«
«Soll das heißen, daß Sie mir nicht helfen wollen?«
«Es soll heißen, daß ich Ihnen viel Glück wünsche.«
Plötzlich war die Leitung tot. Moggie Reilly zog sich aus, machte sich auf den Weg zur Dusche und dachte, daß Jasper Billington Innes wohl einer der letzten war, von denen er den Versuch, durch Betrug zum Sieg zu kommen, erwartet hätte.
Natürlich wußte Moggie auch nichts von dem Finanzmanager bei Stemmer Peabody.
Jasper Billington Innes saß am Telefon und starrte blicklos auf die Tapete des kleinen Hotelzimmers, das er sich direkt neben seinem Spielclub genommen hatte. Der Handel mit seinem Buchmacher und dem Clubbesitzer schien ihm jetzt nicht mehr so glänzend wie um vier Uhr in der Frühe, aber er mußte zugeben, daß sie fair und sogar freundlich gewesen waren. Allerdings hatte er zu spät begriffen, daß Lilyglit das Cloister Hurdle gewinnen mußte, damit für ihn genug übrigblieb, um in der Stadt noch den Kopf hochtragen zu können. Wenn Lilyglit gewann, würde das Preisgeld reichen, um seine Schulden zu bezahlen. Lilyglits Wert würde sich weiter gesteigert haben und sein Verkauf einen brauchbaren Überschuß erzielen. Falls Lilyglit verlor, würde das Ergebnis des Verkaufs von seinen Schulden aufgezehrt werden. Wenn der Hengst das Rennen verlor, würde er weniger wert sein, als er es im Moment war. Jasper stand so unter Druck, daß er sich damit einverstanden erklärt hatte, den Verkaufspreis mit jeder Länge, mit der das Pferd geschlagen wurde, zu reduzieren.
Jasper sah einen Ausweg darin, auf Lilyglits Sieg zu wetten, aber sein Buchmacher hatte abgewunken und sich geweigert, ihm noch größeren Kredit einzuräumen. Jasper In-nes stellte eine hoffnungslose Liste seiner anderen verkäuflichen Besitztümer auf — denen er allerdings die nicht gerade lebensnotwendigen Antiquitäten und Portraits der Familie nicht zurechnete. Er und Wendy waren beide umgeben von wertvollen Dingen aufgewachsen, die für alle Zeiten der nächsten Generation bestimmt waren. Selbst sein altes Haus, das langsam an Fäule zugrunde ging, gehörte seinem Sohn und dessen Sohn und dessen Sohn für alle Zeit.
Jasper Billington Innes wäre bis zu diesem Morgen niemals auf die Idee gekommen, einen Jockey zu bestechen. Er war sich auch nur vage bewußt, mit wieviel Takt Moggie ihn zurückgewiesen hatte; er konnte an nichts anderes denken als an seine eigene Verzweiflung.
Er las noch einmal, wie die fürs Cloister Hurdle gemeldeten Pferde von der Zeitung eingeschätzt wurden, die vor ihm auf seinem Frühstückstablett lag.
Nr. eins, Lilyglit. Würdiger Favorit, muß seinen Weg mit Höchstgewicht gehen.
Nr. zwei, Fable. Wird er in den guten, starken Händen Arkwrights in der Lage sein mitzumischen — oder nicht?