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In ihrer Verwirrung gaben sie über das Lautsprechersystem bekannt, daß es eine Untersuchung durch die Rennleitung geben werde.

Da kein Gewinner bekanntgegeben worden war, verweigerte der Toto jede Auszahlung. Die Buchmacher boten Wetten auf jeden Rennausgang außer auf den richtigen an. Die Fernseh- und Rundfunkleute eilten mit bereitgehaltenen Mikrophonen umher.

Die in der Nähe des Dachs der Tribüne angebrachten Fernsehkameras hatten leicht verschwommene Bilder gezeigt, die auf ein totes Rennen schließen ließen.

Die beiden anderen Jockeys, die an dem knappen Zieleinlauf beteiligt gewesen waren, glaubten, daß Storm Cone sie um ein paar Zentimeter besiegt hatte, aber nach ihrer Meinung fragte niemand.

Moggie hatte den größten Teil des Rennens bewältigt, ohne die Füße in den Steigbügeln zu haben (so wie es Tim Brookshaw einst im Grand National gemacht hatte). Er hatte auf Storm Cones Widerrist gekniet, sich mit den Waden festgeklammert und es geschafft, bei den Sprüngen über die Hürden sein gefährdetes Gleichgewicht zu wahren. Das war als Ritt eine Bravourleistung, und er verdiente den Jubel, mit dem er bei seiner Rückkehr begrüßt wurde. Er war sicher, trotz allem gewonnen zu haben, und er würde persönlich eines Tages, überlegte er, seine Rechnung mit diesem gefährlichen Irren Arkwright begleichen.

John Chester, Storm Cones Trainer, der sich nicht vorstellen konnte, warum die Richter kein Zielfoto verlangt hatten, hatte nicht die geringsten Zweifel, daß sein Pferd gewonnen hatte. Der Besitzer führte seinen erregten Sieger und dessen erschöpften Jockey stolz in den für den Sieger abgesperrten Bereich und nahm dort vorläufige Glückwünsche entgegen. John Chester genoß die exquisite Freude, endlich einmal Percy Driffield von seinem mit Arroganz behaupteten Gipfelplatz als Spitzentrainer verdrängt zu haben. John Chester spreizte sein Gefieder.

Percy Driffield selbst waren im Augenblick John Chester und sein Rang als Spitzentrainer völlig gleichgültig. Sein noch benommener Jockey war ohne Verletzungen vom Sanitätswagen aufgesammelt worden, aber Lilyglit lag immer noch unglücksverheißend flach auf der Aufsprungseite der letzten Hürdenflucht, und während der Trainer die Bahn entlang auf das Pferd zulief, erfüllte ihn nichts als Kummer. Kein Pferd in seinem Stall liebte er so wie den schnellen und eleganten Lilyglit.

Von der Tribüne aus sah Sarah, wie furchtbar es ihren Vater getroffen hatte, und war hin und her gerissen zwischen Mitleid für ihn und Bewunderung für Moggies Können. So wie alle anderen, die etwas von Pferderennen verstanden, hatte sie die leeren Steigbügel wild hin und her baumeln sehen, während Storm Cone über die Hürden ging und zum Endspurt ansetzte.

Percy Driffield erreichte den der Länge nach hingestreckten Lilyglit und ging neben ihm auf die Knie. Ihm stockte selbst der Atem, als er feststellte, daß der glänzende Fuchs noch lebte, und begriff, daß der Aufprall auf den Grund so heftig gewesen war, daß es dem Pferd praktisch die Luft aus den Lungen getrieben hatte. Der Ausdruck» Atemnot «klang relativ harmlos: Die dazugehörige Realität konnte jedoch erschreckend sein. Lilyglit brauchte etwas Zeit, bis seine geprellten Brustmuskeln wieder zu ihrem Atemrhythmus zurückfanden, und während Percy Driffield ihm den Hals streichelte, zog das Pferd plötzlich

Luft ein, und einen Augenblick später stand es bereits wieder auf den Füßen, unverletzt.

Es kam Beifall von der weit entfernten Tribüne. Lilyglit war beinahe eine Art Idol.

Wendy Billington Innes, die in ihrem Wohnzimmer ein nasses Taschentuch in der Faust zusammenknüllte, hatte Lilyglit bereits für tot gehalten, obwohl der Rennkommentator vom Fernsehen immer noch entschlossen die Sendezeit füllte und» Atemnot «als einen letzten möglichen Hoffnungsschimmer ins Feld führte. Als Lilyglit sich erhob, brach Wendy Billington Innes erneut in Tränen aus, diesmal vor Erleichterung. Wo immer Jasper steckte — sie hatte ihn noch nicht erreicht —, er würde sich freuen, daß sein vergöttertes Hürdenpferd überlebt hatte.

Vernon Arkwright dachte noch auf der Rennbahn voller Ärger darüber nach, daß die ganze Cloistersache reine Zeitverschwendung gewesen sei. Ja, er hatte Storm Cone daran gehindert, Lilyglit zu besiegen, aber Lilyglit hatte sowieso nicht gewonnen. Seine Chancen, seine» Kommission «von Jasper Billington Innes ausgezahlt zu bekommen, tendierten wohl gegen null, überlegte Vernon, und das war ungerecht, wenn man die damit verbundenen Risiken berücksichtigte.

Vernon hatte die Kurve für seinen Angriff ausgewählt, weil dort die Rails und die Pferde, die sich hinter ihm drängten, seinen raschen Angriff auf Moggie verdeckten. Er wußte nicht und hatte auch nicht damit rechnen können, daß die hinter ihm laufenden Pferde sich unerwarteterweise wie ein Vorhang geteilt und ihn ungeschützt der rührigen Linse der Bahnkamera ausgesetzt hatten.

Die Rennorganisatoren lechzten schon seit Jahren nach einem eindeutigen, klaren Beweis für Arkwrights Gaunereien. Jetzt hatten sie beinahe genug beisammen, um ihn wegen versuchten Totschlags hinter Gitter zu bringen. Sie konnten ihr Glück kaum fassen.

Bei der Rennleitung flimmerten Filme verschiedener anderer Bahnkameras über den Bildschirm. Eilig sahen die Stewards die Frontbilder durch, die die Rempeleien auf den letzten zweihundert Metern vor dem Ziel zeigen sollten. Bei diesem Rennen hatte es keine gegeben, aber ein brauchbares Indiz dafür, welches Pferd zuerst über die Ziellinie gegangen war, lieferte der Film auch nicht.

Die am nächsten am Zielpfosten angebrachte seitliche Bahnkamera zeigte Storm Cone wahrscheinlich einen kurzen Kopf in Führung, aber da diese Kamera einige Meter vor dem Ziel angebracht war, konnte man aufgrund dieser Bilder keine Entscheidung bezüglich des Zieldurchgangs treffen.

Anscheinend stand in der Rennordnung nichts, was den eigentlich für die Überwachung von Zwischenfällen gedachten Bahnkameras die letzte Autorität in der Feststellung des Siegers gegeben hätte.

Der Arzt, der auf die ängstliche Anforderung der Rennleitung hin herbeizitiert worden war, bestätigte Christopher Haigs Tod; er war nach Aussage des Richterassistenten gestorben, bevor Storm Cone oder irgendein anderes Pferd die Ziellinie erreicht hatte. Die genaue Todesursache würde eine Autopsie klären müssen.

Der Stipendiary Steward erklärte, nachdem er sowohl die hohen Tiere des Jockeyclubs in London als auch sein eigenes Gewissen gründlich befragt hatte, den drei amtierenden Stewards, daß sie das Rennen für ungültig erklären mußten.

Ungültig

Es wurde bekanntgegeben, daß das Rennen in erster Linie wegen des Todes des Zielrichters für ungültig erklärt.

worden sei. Alle Wetten seien ausgesetzt. Die eingezahlten Gelder würden zurückerstattet.

Das Wort» ungültig «hallte auf der Rennbahn wider; John Chester stürmte wütend wie ein Bulle in die Waage, bestand darauf, daß sein Pferd gewonnen habe, verlangte, Storm Cones Preisgeld angerechnet zu bekommen, und stellte dogmatisch fest, daß er Driffield von der Spitze der Trainerliste verdrängt habe.

Es tut uns leid, es tut uns leid, sagte man ihm. Ungültig hieß ungültig. Ungültig hieß, daß das Rennen als nicht stattgefunden galt. Niemand hatte irgendwelche Preisgelder gewonnen, und das bedeutete, daß Percy Driffield die Liste weiter anführte.

John Chester verlor die Selbstbeherrschung und brüllte vor Zorn.

Moggie Reilly, der glaubte, er habe mit Storm Cone am Ziel klar vorn gelegen, tat den Verlust seines Anteils am Preisgeld mit einem philosophischen Achselzucken ab und dachte an den armen, alten Christopher Haig. Er konnte an diesem Freitag nicht wissen, daß sein erstaunlicher Ritt und seine Vertrauenswürdigkeit ihn einen gewaltigen Schritt vorangebracht hatten — sowohl in seiner Berufslaufbahn als auch bei der göttlichen Sarah Driffield, der Königin von ganz Lambourn — seiner zukünftigen Frau.