Выбрать главу

»Ich weiß, was du meinst«, sagte Peter. »Es macht viel mehr Spaß, einen Gegner zu vernichten, wenn er verstehen kann, wie gründlich du ihn besiegt hast.«

Dann ging Peter endlich davon.

Ender blieb bis zum Ende der Feier und sprach mit vielen dort: mit Mensch und Wühler, mit Valentine, Ela, Ouanda und Miro.

Er mußte jedoch noch einen Besuch machen. Einen Besuch, den er schon mehrere Male gemacht hatte, um immer wieder zurückgewiesen und wortlos davongeschickt zu werden. Diesmal jedoch kam Novinha heraus, um mit ihm zu sprechen. Und anstatt voller Zorn und Trauer zu sein, wirkte sie ganz ruhig.

»Ich habe meinen Frieden zurückgefunden«, sagte sie. »Und ich weiß, falls es noch nicht zu spät ist, daß mein Zorn auf dich nicht rechtschaffen war.«

Ender war froh, diese Aussage zu hören, doch überrascht wegen der Begriffe, die sie benutzte. Wann hatte Novinha je von Rechtschaffenheit gesprochen?

»Ich bin zur Einsicht gelangt, daß mein Junge vielleicht die Aufgabe erfüllt hat, die Gott ihm zugedacht hat«, sagte sie. »Daß du ihn nicht hättest aufhalten können, weil Gott wollte, daß er zu den Pequeninos geht, um die Wunder in Bewegung zu setzen, die sich seitdem ereignet haben.« Sie weinte. »Miro kam zu mir. Geheilt«, sagte sie. »Oh, Gott ist also doch noch gnädig. Und ich werde Quim im Himmel haben, wenn ich sterbe.«

Sie wurde bekehrt, dachte Ender. Nach all diesen Jahren, in denen sie die Kirche verachtet und nur am Katholizismus teilgenommen hat, weil es keine andere Möglichkeit gab, eine Bürgerin der Lusitania-Kolonie zu sein, haben diese Wochen bei den Kindern des Geistes Christi sie bekehrt. Ich bin froh darüber, dachte er. Sie spricht wieder mit mir.

»Andrew«, sagte sie, »ich möchte, daß wir wieder zusammen sind.«

Er griff nach ihr, um sie zu umarmen, wollte vor Erleichterung und Freude weinen, doch sie entwand sich seinem Griff.

»Du verstehst nicht«, sagte sie. »Ich werde nicht mit dir nach Hause kommen. Das ist jetzt mein Zuhause.«

Sie hatte recht – er hatte nicht verstanden. Aber jetzt tat er es. Sie war nicht nur zum Katholizismus bekehrt worden. Sie war zu diesem Orden des ständigen Opfers bekehrt worden, dem nur Ehemänner und Ehefrauen beitreten konnten, und nur gemeinsam, um inmitten ihrer Ehe Eide der permanenten Abstinenz zu leisten. »Novinha«, sagte er, »ich habe nicht den Glauben oder die Stärke, um eins der Kinder des Geistes Christi zu werden.«

»Wenn du sie findest«, sagte sie, »werde ich hier auf dich warten.«

»Ist das die einzige Hoffnung, die ich habe, bei dir zu sein?« flüsterte er. »Der Liebe zu deinem Körper abzuschwören, um deine Gesellschaft zu haben?«

»Andrew«, flüsterte sie, »ich sehne mich nach dir. Doch ich habe so viele Jahre lang die Sünde des Ehebruchs begangen, daß meine einzige Hoffnung auf Freude nun darin besteht, dem Fleisch abzuschwören und im Geist zu leben. Wenn es sein muß, werde ich es allein tun. Aber mit dir… oh, Andrew, ich vermisse dich.«

Und ich vermisse dich, dachte er. »Wie den Atem selbst vermisse ich dich«, flüsterte er. »Aber verlange dies nicht von mir. Lebe als meine Frau mit mir, bis der letzte Rest deiner Jugend verbraucht ist, und wenn das Begehren dann abgestumpft ist, können wir gemeinsam hierher zurückkehren. Dann könnte ich glücklich sein.«

»Verstehst du denn nicht?« sagte sie. »Ich habe einen Vertrag geschlossen. Ich habe ein Versprechen gegeben.«

»Du hast auch mir eins gegeben«, sagte er.

»Soll ich einen Eid brechen, den ich Gott gegeben habe, damit ich einen Eid halten kann, den ich dir gegeben habe?«

»Gott würde es verstehen.«

»Wie leicht fällt es doch jenen, die seine Stimme niemals vernehmen, uns zu erklären, was er verstehen würde und was nicht.«

»Hörst du jetzt seine Stimme?«

»Ich höre sein Lied in meinem Herzen, so, wie es auch beim Psalmisten David der Fall war. Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln.«

»Der dreiundzwanzigste. Ich hingegen höre nur den zweiundzwanzigsten.«

Sie lächelte schwach. »›Warum hast du mich verlassen?‹« zitierte sie.

»Und der Teil mit den Büffeln von Baschan«, sagte Ender. »Ich kam mir schon immer vor, als sei ich von Büffeln umringt.«

Sie lachte. »Komm zu mir, wenn du kannst«, sagte ich. »Ich werde hier sein, wenn du bereit bist.«

Beinahe wäre sie gegangen.

»Warte.«

Sie wartete.

»Ich habe dir das Virizid und die Recolada mitgebracht.«

»Elas Triumph«, sagte sie. »Weißt du, es stand nicht in meiner Macht. Ich schade euch nicht, indem ich meine Arbeit aufgebe. Meine Zeit ist vorbei, und sie hat mich bei weitem übertroffen.« Novinha nahm den Zuckerwürfel, ließ ihn einen Augenblick lang schmelzen und schluckte ihn dann.

Dann hielt sie das Reagenzglas im letzten Licht des Abends hoch. »Bei dem roten Himmel sieht es aus, als würde es im Glas brennen.« Sie trank – nippte eigentlich daran, um den Geschmack auszukosten. Obwohl, wie Ender wußte, die Lösung bitter war und unangenehm lange einen Nachgeschmack im Mund zurückließ.

»Kann ich dich besuchen?«

»Einmal im Monat«, sagte sie. Ihre Antwort kam so schnell, daß er wußte, sie hatte die Frage bereits überdacht und eine Entscheidung gefaßt, die sie nicht ändern würde.

»Dann werde ich dich einmal im Monat besuchen«, sagte er.

»Bis du bereit bist, zu mir zu kommen?«

»Bis du bereit bist, zu mir zurückzukehren?« erwiderte er.

Doch er wußte, daß sie niemals nachgeben würde. Novinha war kein Mensch, der es sich so einfach anders überlegte. Sie hatte seine Zukunft abgesteckt.

Er hätte Bedauern und Zorn empfinden sollen. Er hätte froh sein müssen, von einer Frau, die ihn ablehnte, aus der Ehe entlassen zu werden. Doch ihm fiel nicht ein, wofür er seine neue Freiheit verwenden könnte. Jetzt liegt nichts mehr in meinen Händen, begriff er. Kein Teil der Zukunft hängt von mir ab. Meine Arbeit, so ich welche hatte, ist getan, und mein einziger Einfluß auf die Zukunft liegt nun darin, was meine Kinder tun: das Ungeheuer Peter und das unmöglich perfekte Kind Val.

Und Miro, Grego, Quara, Ela, Olhado – sind sie nicht auch meine Kinder? Kann ich nicht auch behaupten, dazu beigetragen zu haben, sie zu schaffen, auch wenn sie Lidos Liebe und Novinhas Körper entsprangen, Jahre, bevor ich auch nur an diesem Ort eintraf?

Es war völlig dunkel, als er die junge Val fand, obwohl er nicht wußte, warum er überhaupt nach ihr suchte. Sie war mit Plikt in Olhados Haus; doch während sich Plikt mit undeutbarem Gesicht an eine schattige Wand gelehnt stand, war die junge Val bei Olhados Kindern und spielte mit ihnen.

Natürlich spielt sie mit ihnen, dachte Ender. Sie ist selbst noch ein Kind, ganz gleich, wie viele Erfahrungen ich ihr aus meinen Erinnerungen aufgezwungen habe.

Doch als er auf der Schwelle stand und sie beobachtete, begriff er, daß sie nicht gleichermaßen mit allen Kindern spielte. Den Großteil ihrer Aufmerksamkeit bekam Nimbo. Der Junge, der in der Nacht des Mobs in mehr als einer Hinsicht verbrannt worden war. Das Spiel der Kinder war ziemlich einfach, doch es verhinderte, daß sie sich unterhielten. Dennoch fand zwischen Nimbo und der jungen Val ein beredsames Gespräch statt. Das Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, war warmherzig, nicht so, wie eine Frau ihren Liebhaber ermutigt, sondern eher so, wie eine Schwester ihrem Bruder die stumme Botschaft von Liebe, Zuversicht und Vertrauen übermittelt.

Sie heilt ihn, dachte Ender. Genau wie Valentine vor so vielen Jahren mich geheilt hat. Nicht mit Worten. Nur mit ihrer Gesellschaft.

Ist es möglich, daß ich sie sogar mit dieser Fähigkeit erschaffen habe? War in meinem Traum von ihr soviel Wahrheit und Kraft? Dann hat vielleicht auch Peter alles in sich, was mein echter Bruder hatte – alles, was so gefährlich und schrecklich gewesen war, aber auch das, was eine neue Ordnung geschaffen hat.