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Doch so sehr er sich auch bemühte, daran konnte Ender nicht glauben. Die junge Val mag noch immer Heilkraft in den Augen haben, doch Peter hatte nichts davon in sich. Er hatte das Gesicht, das Ender Jahre zuvor gesehen hatte, wie es seinen Blick in einem Spiegel des Fantasyspiel erwiderte, in einem schrecklichen Raum, in dem er wieder und wieder gestorben war, bevor er schließlich das, was er von Peter in sich hatte, umarmen und weitermachen konnte.

Ich habe Peter umarmt und ein ganzes Volk vernichtet. Ich nahm ihn in mich auf und beging Xenozid. In all den Jahren, die seitdem vergangen sind, dachte ich, ich hätte mich von ihm befreit. Er sei verschwunden. Aber er wird mich niemals verlassen.

Die Vorstellung, sich aus der Welt zurückzuziehen und dem Orden der Kinder des Geistes Christi beizutreten, hatte eine große Anziehungskraft auf ihn. Vielleicht konnten Novinha und er sich dort von den Dämonen reinigen, die all diese Jahre in ihnen gewohnt hatten. Novinha hatte niemals so friedlich gewirkt, dachte Ender, wie heute abend.

Die junge Val bemerkte ihn und kam zu ihm zur Schwelle.

»Warum bist du hier?« fragte sie.

»Ich habe nach dir gesucht.«

»Plikt und ich verbringen die Nacht bei Olhados Familie«, sagte sie. Sie warf einen Blick auf Nimbo und lächelte. Der Junge grinste töricht.

»Jane sagt, daß du mit dem Sternenschiff aufbrechen willst«, sagte Ender leise.

»Wenn es Peter möglich ist, Jane in sich aufzunehmen, kann ich es auch«, gab sie zurück. »Miro begleitet mich. Wir wollen bewohnbare Welten suchen.«

»Nur, wenn du es auch wirklich willst«, sagte Ender.

»Sei doch nicht töricht«, entgegnete sie. »Seit wann hast du nur das getan, was du auch wirklich willst? Ich tue, was getan werden muß, was nur ich tun kann.«

Er nickte.

»Ist das alles, weshalb du gekommen bist?« fragte sie.

Er nickte erneut. »Ich glaube schon.«

»Oder bist du gekommen, weil du wünscht, du könntest wieder das Kind sein, das du warst, als du das letzte Mal ein Mädchen mit diesem Gesicht gesehen hast?«

Die Worte schmerzten – viel schlimmer als Peters Vermutungen darüber, welche Gefühle in Enders Herz waren. Ihr Mitgefühl war viel schlimmer als Peters Verachtung.

Sie mußte den Ausdruck von Schmerz auf seinem Gesicht gesehen – und falsch verstanden haben. Es erleichterte ihn, daß sie imstande war, etwas falsch zu verstehen. Mir bleiben noch ein paar eigene Gedanken übrig.

»Schämst du dich meiner?« fragte sie.

»Ich bin peinlich berührt«, sagte er. »Weil ich meine unbewußten Gedanken so öffentlich kundgetan habe. Aber ich schäme mich nicht. Nicht deiner.« Er warf Nimbo einen Blick zu und sah dann sie wieder an. »Bleibe hier und beende, was du angefangen hast.«

Sie lächelte leicht. »Er ist ein guter Junge, der geglaubt hat, das Richtige zu tun.«

»Ja«, sagte Ender. »Aber es ist ihm entglitten.«

»Er wußte nicht, was er tat«, sagte sie. »Wie kann man für die Folgen seiner Taten verantwortlich gemacht werden, wenn man sie nicht versteht?«

Er wußte, daß sie genauso von ihm sprach, Ender dem Xenoziden, wie von Nimbo. »Man muß nicht die Schuld auf sich nehmen«, sagte er, »aber die Verantwortung. Und die Wunden heilen, die man verursacht hat.«

»Ja«, sagte sie. »Die Wunden, die man verursacht hat. Aber nicht alle Wunden auf der Welt.«

»Ach?« fragte er. »Und warum nicht? Weil du vorhast, sie alle selbst zu heilen?«

Sie lachte – ein helles, mädchenhaftes Lachen. »Du hast dich kein bißchen verändert, Andrew«, sagte sie. »Nicht in all diesen Jahren.«

Er lächelte ihr zu, drückte sie leicht an sich und schickte sie zurück in das Licht des Zimmers. Er selbst jedoch wandte sich hinaus in die Dunkelheit und ging nach Hause. Es war noch hell genug, daß er den Weg fand, doch er stolperte oft und verirrte sich mehrmals.

»Du weinst«, sagte Jane in seinem Ohr.

»Das ist ein so glücklicher Tag«, sagte er.

»Weißt du, es ist wirklich ein glücklicher Tag. Und du bist so in etwa der einzige Mensch, der heute abend Selbstmitleid empfindet.«

»Na schön«, sagte Ender. »Wenn ich der einzige bin, gibt es wenigstens einen.«

»Du hast mich«, sagte sie. »Und unsere Beziehung war von Anfang an keusch.«

»Ich habe wirklich mehr als genug Keuschheit in meinem Leben gehabt«, gab er zurück. »Ich hoffe nicht auf mehr.«

»Letzten Endes ist jeder keusch. Jeder endet außerhalb der Reichweite aller Todsünden.«

»Aber ich bin nicht tot«, sagte er. »Noch nicht. Oder doch?«

»Fühlst du dich wie im Himmel?« fragte sie.

Er lachte, aber nicht freundlich.

»Nun ja, dann kannst du auch nicht tot sein.«

»Du vergißt«, sagte er, »daß das leicht die Hölle sein könnte.«

»Ach ja?« fragte sie ihn.

Er dachte über alles nach, was erreicht worden war. Elas Viren. Miros Heilung. Die Freundlichkeit, die die junge Val Nimbo entgegenbrachte. Das friedliche Lächeln auf Novinhas Gesicht. Das Frohlocken der Pequeninos über die Freiheit, die sich auf ihrer Welt ausbreitete. Ender wußte, daß sich das Gegenmittel einen immer breiteren Pfad durch die Capimprärie schnitt, die die Kolonie umgab; es mußte mittlerweile schon andere Wälder erreicht haben, und die nun hilflose Descolada wich zurück, während die stumme und passive Recolada ihre Stelle einnahm. All diese Veränderungen konnten einfach nicht in der Hölle stattgefunden haben.

»Ich glaube, ich lebe noch«, sagte er.

»Und ich auch«, sagte sie. »Das ist doch auch etwas. Peter und Val, sie sind nicht die einzigen Geschöpfe, die deinem Geist entsprangen.«

»Nein, das sind sie nicht«, sagte er.

»Wir beide leben noch, obwohl uns harte Zeiten bevorstehen.«

Er erinnerte sich daran, was sie noch erwartete, ihre geistige Verkrüppelung, die nur noch ein paar Wochen auf sich warten lassen würde, und er schämte sich, über seinen eigenen Verlust getrauert zu haben. »Es ist besser«, murmelte er, »etwas geliebt und verloren zu haben, als überhaupt nicht geliebt zu haben.«

»Es mag ein Klischee sein«, sagte Jane, »aber das heißt nicht, daß es nicht wahr sein kann.«

Kapitel 18

Der Gott von Weg

›Ich konnte die Veränderungen im Descolada-Virus erst schmecken, als er verschwunden war.‹

›Er paßte sich dir an?‹

›Er fing an, wie ich selbst zu schmecken. Er hatte die meisten meiner genetischen Moleküle in seine Struktur aufgenommen.‹

›Vielleicht bereitete er sich darauf vor, dich umzuwandeln, wie er uns umgewandelt hat.‹

›Doch als er eure Vorfahren gefangennahm, paarte er sie mit den Bäumen, in denen sie lebten. Womit wären wir gepaart worden?‹

›Welche anderen Lebensformen gibt es auf Lusitania, abgesehen von denen, die sich bereits zu Paaren zusammengefunden haben?‹

›Vielleicht wollte die Descolada uns mit einem bereits existierenden Paar kombinieren. Oder ein Paarmitglied durch uns ersetzen.‹

›Oder vielleicht wollte sie dich mit den Menschen paaren.‹

›Jetzt ist sie tot. Was sie auch geplant hat, es wird niemals geschehen.‹

›Was für ein Leben hättest du geführt? Hättest du dich mit männlichen Menschen gepaart?‹

›Das ist abscheulich.‹

›Oder vielleicht würdest du lebende Nachkommen gebären, wie die Menschen es tun?‹

›Höre auf, diesen widerlichen Gedanken nachzuhängen.‹

›Es waren nur Spekulationen.‹

›Die Descolada ist verschwunden. Du bist frei von ihr.‹