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›Aber niemals frei von dem, was wir hätten sein sollen. Ich glaube, daß wir vernunftbegabt waren, bevor die Descolada kam. Ich glaube, daß unsere Geschichte älter ist als die Raumschiffe, die die Descolada hierher brachten. Ich glaube, daß irgendwo in unseren Genen das Geheimnis des Pequenino-Lebens liegt, als wir noch Baumbewohner waren und nicht das Larvenstadium im Leben vernunftbegabter Bäume.‹

›Wenn du kein drittes Leben hättest, Mensch, wärest du jetzt tot.‹

Jetzt ja, aber zu Lebzeiten hätte ich nicht nur ein Bruder, sondern ein Vater sein können. Zu Lebzeiten hätte ich überall hin reisen können, ohne mir Sorgen darüber zu machen, zu meinem Wald zurückkehren zu müssen, wenn ich mich jemals paaren wollte. Ich hätte niemals Tag um Tag an derselben Stelle verwurzelt gestanden und mein Leben praktisch durch die Geschichten gelebt, die die Brüder mir bringen.‹

›Dann reicht es dir nicht, von der Descolada frei zu sein? Mußt du von all ihren Folgen frei sein, bevor du zufrieden sein kannst?‹

›Ich bin immer zufrieden. Ich bin, was ich bin, ganz gleich, wie ich es geworden bin.‹

›Aber noch immer nicht frei.‹

›Sowohl als Männer wie auch als Gattinnen müssen wir noch immer unser Leben verlieren, um unsere Gene weitergeben zu können.‹

›Armer Narr. Glaubst du etwa, daß ich, die Schwarmkönigin, frei bin? Glaubst du, daß menschliche Eltern, sobald sie Kinder bekommen haben, jemals wieder wahrhaft frei sind? Wenn das Leben für dich Unabhängigkeit bedeutet, die vollkommen uneingeschränkte Freiheit, das zu tun, was du willst, dann lebt kein einziges vernunftbegabtes Wesen. Keiner von uns ist jemals völlig frei.‹

›Schlage Wurzeln, mein Freund, und dann verrate mir, wie unfrei du warst, als du noch keine Wurzeln geschlagen hattest.‹

Wang-mu und Meister Han warteten gemeinsam am Flußufer, etwa einhundert Meter von ihrem Haus entfernt. Jane hatte ihnen gesagt, daß sie bald jemand von Lusitania besuchen würde. Beide wußten, es bedeutete, daß der Überlichtflug verwirklicht worden war, doch darüber hinaus konnten sie nur annehmen, daß sich ihr Besucher in einer Umlaufbahn um Weg befand, eine Fähre zum Planeten genommen hatte und nun zu ihnen unterwegs war.

Statt dessen erschien vor ihnen am Flußufer ein lächerlich kleines Metallgebilde. Die Tür wurde geöffnet. Ein Mann kam heraus. Ein junger, gutaussehender Mann. Er hielt eine Glasröhre in der Hand.

Und er lächelte.

Wang-mu hatte noch nie solch ein Lächeln gesehen. Er sah direkt in sie hinein, als gehöre ihm ihre Seele. Als kenne er sie besser, als sie sich selbst kannte.

»Wang-mu«, sagte er leise. »Königliche Mutter des Westens. Und Fei-tzu, der große Lehrer des Weges.«

Er verbeugte sich. Sie erwiderten die Geste.

»Ich will mich nicht lange aufhalten«, sagte er und gab Meister Han das Reagenzglas. »Hier ist der Virus. Sobald ich fort bin, trinkt ihr das. Ich glaube, es schmeckt abscheulich, aber trinkt es trotzdem. Dann schließt Kontakt mit so vielen Leuten wie möglich, in euerm Haus und in der benachbarten Stadt. Euch bleiben etwa sechs Stunden, bevor ihr euch krank fühlt. Mit etwas Glück dürftet ihr am Ende des zweiten Tages kein einziges Symptom mehr haben. Kein einziges.« Er grinste. »Keine kleinen Lufttänze mehr für Sie, Meister Han.«

»Keine Unterwürfigkeit, für keinen von uns«, sagte Han Fei-tzu. »Wir sind bereit, unsere Nachricht sofort zu verbreiten.«

»Erzählt keinem davon, bis ihr die Injektion schon eine Weile verbreitet habt.«

»Natürlich«, sagte Meister Han. »Ihre Weisheit lehrt mich, vorsichtig zu sein, obwohl mein Herz mich auffordert, mich zu beeilen und die glorreiche Revolution zu verkünden, die diese gnädige Seuche uns bringen wird.«

»Ja, sehr schön«, sagte der Mann. Dann wandte er sich an Wang-mu. »Aber du brauchst den Virus nicht, nicht wahr?«

»Nein, Herr«, sagte Wang-mu.

»Jane sagt, daß du zu den intelligentesten Menschen gehörst, die sie je gesehen hat.«

»Jane ist zu gütig«, erwiderte Wang-mu.

»Nein, sie hat mir die Daten gezeigt.« Er musterte sie von oben bis unten. Ihr gefiel nicht, wie er mit diesem einzigen langen Blick Besitz von ihren gesamten Körper ergriff. »Du mußt die Seuche nicht abwarten. Es wäre sogar besser, wenn du gehst, bevor sie ausbricht.«

»Gehen?«

»Was hält dich hier noch?« fragte der Mann. »Ganz gleich, wie revolutionär es hier zugehen wird, du wirst noch immer ein Dienstmädchen und das Kind einfacher Eltern sein. An so einem Ort könntest du dein ganzes Leben damit verbringen, dagegen anzukämpfen, und wärest am Ende noch immer nicht mehr als eine Dienerin mit einem überraschend guten Verstand. Komm mit mir, und du wirst die Geschichte verändern. Geschichte machen.«

»Mit Ihnen gehen und was tun?«

»Natürlich den Kongreß stürzen. Seine Mitglieder auf die Knie zwingen. Alle Kolonialwelten zu gleichberechtigten Mitgliedern der Politik machen, die Korruption ausmerzen, alle üblen Geheimnisse bekanntgeben und die Lusitania-Flotte nach Hause rufen, bevor sie ein scheußliches Verbrechen begehen kann. Allen ramännischen Rassen ihre Rechte geben. Frieden und Freiheit.«

»Und Sie haben vor, das alles zu tun?«

»Nicht allein«, sagte er.

Sie war erleichtert.

»Ich werde dich haben.«

»Wozu?«

»Um zu schreiben. Zu sprechen. All das zu tun, wofür ich dich brauche.«

»Aber ich habe keine Erziehung, Herr. Meister Han hat gerade erst damit angefangen, mich zu unterweisen.«

»Wer sind Sie?« fragte Meister Han. »Wie können Sie erwarten, daß ein bescheidenes Mädchen einfach mit einem Fremden mitgeht?«

»Ein bescheidenes Mädchen? Die ihren Körper dem Vorarbeiter gibt, um eine Chance zu bekommen, in die Nähe eines gottberührten Mädchens zu gelangen, das sie vielleicht als geheime Magd einstellen wird? Nein, Meister Han, sie mag vielleicht das Benehmen eines bescheidenen Mädchens an den Tag legen, aber nur, weil sie ein Chamäleon ist. Sie verändert ihre Farbe, wann immer sie glaubt, daß es ihr weiterhelfen wird.«

»Ich bin keine Lügnerin, Herr«, sagte sie.

»Nein, ich bin mir sicher, daß du aufrichtig das werden wirst, was du vorzugeben beabsichtigst. Und jetzt sage ich: Gib vor, mit mir eine Revolutionärin zu werden. Du haßt die Mistkerle, die eurer Welt das alles angetan haben. Die Qing-jao das angetan haben.«

»Wieso wissen Sie so viel über mich?«

Er berührte mit der Fingerspitze sein Ohr. Zum ersten Mal bemerkte sie das Juwel darin. »Jane hält mich über die Leute auf dem laufenden, die ich kennen muß.«

»Jane wird bald sterben«, sagte Wang-mu.

»Oh, sie wird vielleicht eine Zeitlang ziemlich dumm sein«, sagte der Mann, »aber sterben wird sie nicht. Du hast geholfen, sie zu retten. Und in der Zwischenzeit werde ich dich haben.«

»Ich kann es nicht«, sagte sie. »Ich habe Angst.«

»Na schön«, sagte er. »Ich habe es dir angeboten.« Er kehrte zur Tür seines winzigen Raumschiffs zurück.

»Warten Sie«, sagte sie.

Er drehte sich wieder zu ihr um.

»Können Sie mir nicht wenigstens sagen, wer Sie sind?«

»Mein Name ist Peter Wiggin«, erwiderte er. »Obwohl ich für eine Weile wahrscheinlich einen falschen benutzen werde.«

»Peter Wiggin«, flüsterte sie. »Das ist der Name des…«

»Mein Name. Ich werde es dir später erklären, wenn ich Lust dazu habe. Sagen wir einfach, daß Andrew Wiggin mich geschickt hat. Ich bin ein Mann mit einer Mission, und er meint, ich könne sie nur auf einer der Welten abschließen, auf der die Machtstrukturen des Kongresses am dichtesten konzentriert sind. Ich war einmal der Hegemon, Wang-mu, und ich habe vor, mir diese Aufgabe zurückzuholen, wie auch immer der Job aussehen wird, wenn ich ihn bekomme. Ich werde eine Menge Porzellan zerschlagen und einen erstaunlichen Ärger verursachen und diesen ganzen Hundert Welten den Arsch versengen, und ich lade dich ein, mir zu helfen. Aber mir ist es wirklich völlig egal, ob du mir hilfst oder nicht, denn obwohl es schöner wäre, deinen Grips und deine Gesellschaft zur Verfügung zu haben, werde ich die Aufgabe so oder so erledigen. Kommst du also mit, oder was?«