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Der Rolls des Megastars schnurrte leise auf den Hof, und er sprang heraus, als sein aufmerksamer Chauffeur ihm wie immer den Schlag öffnete. Männliche Megastars hatten normalerweise einen Fahrer, einen Diener, einen Sekretär und Assistenten und mitunter noch einen Bodyguard, einen Masseur oder einen Butler im Gefolge. Bei weiblichen Megastars kam ein Friseur hinzu. Beide konnten einen persönlichen Maskenbildner beanspruchen. Dieser ganze Anhang mußte unter Dach gebracht, beköstigt und mit Transportmitteln auf Zeit versorgt werden; auch deshalb gingen vergeudete Tage empfindlich ins Geld.

»Thomas?« sagte er, als er mich im Halbdunkel erblickte. »Ich habe mich wohl verspätet.«

»Nein«, versicherte ich ihm. Megastars kamen nie zu spät, mochten sie auch noch so überfällig sein. Megastars waren wandelnde grüne Lichter, womit man in der Filmwelt die Eigenschaft bezeichnete, einem Projekt Kapital und Vertrauen zuzuführen, verbunden mit der Unmöglichkeit, etwas falsch zu machen. Was grüne Lichter wollten, das bekamen sie.

Unser grünes Licht hier hatte den Ruf, daß er heikel sei, bisher Lügen gestraft, hatte in bester Laune alles getan, was von ihm verlangt wurde, und mit einer solchen Eleganz gespielt, daß seine Fans sich freuen konnten.

Er war fünfzig, sah aus wie vierzig und maß wie ich knapp einsfünfundachtzig. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig, eigentlich wenig einprägsam, doch besaß er die unschätzbare Gabe, ein inneres Licht einzuschalten und mit den Augen zu agieren.

Mit kleinsten Muskelbewegungen gelangen ihm umfassende Botschaften in Nahaufnahme, und das Lächeln, das er mit den unteren Augenlidern bewerkstelligte, hatte ihm das Etikett des »erotischsten Mannes im Filmgeschäft« eingetragen, obwohl meiner Ansicht nach sein Talent bei diesem Lächeln erst anfing. Ich hatte als Regisseur noch nie mit einem solchen Schauspieler arbeiten dürfen, und er wußte das und nahm Rücksicht darauf, aber ähnlich wie O’Hara hatte auch er mir gesagt, ich solle in die vollen gehen und meine Macht gebrauchen.

Der Megastar, Nash Rourke, hatte selbst um das Treffen heute abend gebeten.

»Ein bißchen Ruhe brauche ich, Thomas. Und ich will die Luft in dem Jockey-Club-Raum schnuppern, den ihr im Trainerhaus nachgebaut habt.«

Also gingen wir zusammen zum Hintereingang des Hauses, wo uns der Nachtwächter einließ und unsere Ankunftszeit eintrug.

»Alles ruhig, Mr. Lyon«, meldete er. »Gut.«

In dem scheunenähnlichen Haus hatte der Produktionsleiter nach meinen und O’Haras Vorstellungen ein fiktives Wohnzimmer innerhalb des ursprünglichen Wohnbereichs angelegt und das Büro des Trainers originalgetreu nachgebaut, mit Blick auf den Stallhof.

Im ersten Stock hatten wir ein paar Wände entfernt und anhand alter Fotos und einer Besichtigung des Originals den imposanten Raum im Jockey-Club-Hauptbüro in der High Street nachgebildet, der in früheren Zeiten für rennsportliche Untersuchungen genutzt worden war, bei denen oftmals Ruf und Existenz auf dem Spiel gestanden hatten.

Seit vierzig Jahren oder länger wurden offizielle Untersuchungen nun am Londoner Hauptsitz der Rennsportbehörde durchgeführt, doch in Howard Tylers Buch und in unserem Film kam es zu einer inoffiziellen, überaus dramatischen und vernichtenden Untersuchung in dem abschreckenden alten Ambiente.

Ich knipste die wenigen verfügbaren Lampen an, deren Schein nur schwach den blankgewienerten Holzboden erhellte, die Stubbs und Herrings an den Wänden und die mit Nägeln beschlagenen üppigen Ledersessel, die außen um den großen hufeisenförmigen Tisch gruppiert waren.

Da die Kameras Platz brauchten, war der nachgebildete Raum wesentlich größer als das Original. Außerdem ließen die scheinbar festen Wände samt Bilderleisten und Gemälden sich bequem zur Seite schieben. An der Decke warteten die jetzt dunklen Quarzleuchten an ihren Lichtschienen zusammen mit einem Gewirr von Flutern, Punktscheinwerfern und Kabeln auf das Leben, das der Morgen wieder bringen würde.

Nash Rourke ging zur einen Seite des Tisches hinüber, zog einen grünen Ledersessel heraus, um sich zu setzen, und ich setzte mich neben ihn. Er hatte einige frisch umgeschriebene Seiten des Skripts mitgebracht, die er jetzt auf das blanke Holz knallte. »Die Szene morgen ist doch der Höhepunkt, ja?«

»Ein Höhepunkt«, sagte ich und nickte.

»Der Mann steht unter Anklage, er ist verwirrt, er ist wütend, und er ist unschuldig.«

»Ja.«

»Eben. Unser Freund Howard treibt mich zum Wahnsinn.«

Nash Rourkes gebildeter amerikanischer Akzent mit Bo-stoner Einschlag paßte nicht so ganz zu dem Trainer aus der britischen Oberschicht, den er verkörperte, doch wurde das von praktisch jedermann, auch von mir, als Nebensache angesehen, allerdings (wen hätte es überrascht?) nicht von Howard.

»Howard möchte, daß ich anders rede, und ich soll die ganze Szene mit einem erstickten Flüstern bringen.«

»Hat er das so gesagt?« fragte ich.

Nash zuckte halb verneinend die Achseln. »Er will einen Unterkühlten, einen Mann, der Haltung bewahrt.«

»Und Sie?«

»Der Kerl würde brüllen, Herrgott noch mal. Das ist ein massiger, mächtiger Mann, dem man vorwirft, er habe seine Frau ermordet, richtig?«

»Richtig.«

»Aber er war es nicht. Und er hat einen Haufen alter Muffel vor sich, die ihn auf die eine oder andere Art fertigmachen wollen, richtig?«

»Richtig.«

»Und der Vorsitzende ist mit der Schwester seiner toten Frau verheiratet, ja?«

Ich nickte. »Der Vorsitzende, Cibber, bricht am Ende zusammen. Das haben wir heute klargestellt.«

»Und Howard wieder einmal furchtbar auf die Palme gebracht.« »Wenn wir morgen hier sind«, ich deutete mit der Hand in den potemkinschen Gerichtssaal, »brüllen Sie.«

Nash lächelte.

»Außerdem schlagen Sie gegenüber dem Vorsitzenden Cibber einen ganz schön bedrohlichen Ton an. Sie überzeugen die Mitglieder des Jockey Clubs und das Publikum, daß Sie vom Temperament her imstande sind, einen Mord zu begehen. Streuen Sie ein paar Saatkörner. Sie sind nicht langmütig und passiv.«

Nash lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück. »Howard wird ausklinken. Sie machen ihn rasend.«

»Ich besänftige ihn schon.«

Nash trug wie ich ungebügelte Hosen, ein Hemd mit offenem Kragen und einen dicken weiten Pullover. Er nahm die Skriptseiten, raffte sie ein wenig zusammen und stellte eine Frage.

»Wieweit unterscheidet sich das Drehbuch als Ganzes von der Erstfassung, die ich gelesen habe?«

»Es hat jetzt mehr Handlung, mehr Bitterkeit und wesentlich mehr Spannung.«

»Aber meine Figur - dieser Typ bringt nach wie vor seine Frau nicht um?«

»Nein. Nur bleibt das jetzt bis zum Schluß offen.«

Nash sah gleichmütig drein. »O’Hara hat mich zu der Sache überredet«, sagte er. »Ich hatte drei Monate frei zwischen zwei Projekten. Machen Sie was draus, meinte er. Hübscher kleiner Streifen übers Pferderennen. O’Hara weiß, daß ich Pferdenarr bin. Ein echter Skandal aus dem wirklichen Leben, sagt er mir, zu Papier gebracht von unserem weltberühmten Howard, von dem ich natürlich schon gehört habe. Ein Prestigefilm, keine Ex-und-hopp-Geschichte, sagt O’Hara. Regisseur? frage ich. Der ist jung, sagt O’Hara, mit dem haben Sie noch nicht gearbeitet. Und das stimmt auffallend. Vertrauen Sie mir, sagt O’Hara.«

»Vertrauen Sie mir«, sagte ich.

Nash schenkte mir ein Lächeln, auf das ein Alligator stolz gewesen wäre, das Lächeln, bei dem die Bösen in seinen Wildweststreifen blitzartig in Deckung gingen.