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»Stimmt, und dass wir schon einiges übereinander wissen.«

»Was nicht der Fall ist …«

»Immerhin genug, um jetzt hier zusammenzusitzen.«

Ein Lächeln breitete sich auf Elis Gesicht aus. »Was hat er angestellt … Ihnen ein Glas Rotwein übers Kleid geschüttet? Gesagt, Ihre Augen würden ihn an seine Ex erinnern?«

»Wer?«

»Der Typ, der Ihnen die Freude an ersten Rendezvous verdorben hat.«

Shelby faltete ihre Serviette. »Ehrlich gesagt, das hier ist mein erstes Rendezvous. Ich stütze mich da nur auf Hörensagen.«

»Das kann ich nicht glauben.«

»Oh, ich könnte Ihnen Geschichten erzählen, die …«

»Nein«, fiel Eli ihr ins Wort. »Ich meine, ich kann nicht glauben, dass das hier Ihr erstes Rendezvous ist.«

»Ich meinte, seit ich Ethan habe.«

Eli gab sich unbekümmert. »Was ist aus Ethans Dad geworden?«

»Als ich zuletzt was von ihm gehört habe, wohnte er in Seattle. Wir haben kaum Kontakt.« Shelby schob ihr Essen auf dem Teller herum. »Er hat sich nach Ethans Geburt von mir scheiden lassen. Er kam nicht klar damit, dass sein Kind XP hat.«

»XP«, wiederholte er.

»So heißt Ethans Krankheit … er darf keinem Sonnenlicht ausgesetzt sein. Es ist eine genetisch bedingte Hautkrankheit – sehr selten.«

Eli hatte kurz mit Ethan darüber gesprochen. Er konnte sich nur noch erinnern, dass der Junge gesagt hatte, er würde nicht lange leben. »Wird er … wird er wieder gesund?«

»Nein«, sagte Shelby leise. »Das wird er nicht.«

Eli legte seine Gabel hin. »Die Ärzte können nichts tun?«

»Nein.«

Eli und seine Frau hatten keine Kinder bekommen. Er fragte sich jetzt, was er getan hätte, wenn sie ihn nicht nur verlassen, sondern auch sein Kind mitgenommen hätte.

»Ethan ist ein toller Junge«, sagte Eli.

Sie lächelte. »Er hat mir heute Abend einen Ratschlag mit auf den Weg gegeben. Ross auch.«

»Ach ja?«

»Ross hat gesagt, ich sollte keinem Mann trauen, der sein Geld damit verdient, andere Leute zu einem Geständnis zu bringen.«

»Und Ethan?«

»Seine weisen Worte behalte ich vielleicht besser für mich«, sagte Shelby lachend.

Eli lehnte sich zurück. »Ihr Bruder ist ein interessanter Mann.«

»Das haben Sie aber nett gesagt«, erwiderte Shelby und strich etwas Butter auf ein Stück Brot. »Die meistens halten ihn für einen ziellosen Vagabunden und Versager.«

»Aber Sie doch wohl nicht.«

»Nein. Ich glaube, er hat sich verirrt. Und das ist ein Zustand, der nur so lange andauert, bis man von jemandem gefunden wird.« Eine Strähne löste sich aus ihrem hochgesteckten Haar; sie schob sie sich hinters Ohr. »Das Glück fällt manchen Menschen leichter zu als anderen. Ross möchte glücklich sein, mehr als sonst jemand, den ich kenne. Aber es gelingt ihm einfach nicht.«

»Und Sie?«, fragte er. »Wer ist für Sie da?«

Eli griff nach Shelbys Hand, mit der sie fest den Stiel ihres Weinglases umklammerte. Er sah, wie ihr Mund sich entspannte, doch dann entzog sie ihm ihre Hand wieder. »Was mache ich denn, fabuliere hier so vor mich hin …«

»Warum tun Sie das?«, fragte er.

»Was?«

»Warum benutzen Sie dauernd diese Fremdwörter?«

»Fabulieren? Aber das bedeutet …«

»Ich möchte bloß wissen, warum Sie nie sagen, was Sie wirklich meinen.«

Eli dachte, sie würde der Frage ausweichen, aber sie blickte ihm direkt in die Augen. »Bei Wörtern weiß ich, was ich habe. Wenn ich die richtigen wähle, gibt es keine Überraschungen.«

Er beugte sich ein wenig vor. »Na los. Wagen Sie einen Vorstoß.«

Sie zögerte, senkte dann die Stimme, als wären noch andere Leute da. »Wieso gerade ich, Eli?«

Er stand auf und zog sie an sich, als wäre das die Antwort auf ihre Frage.

»Wieso?«, wiederholte Shelby.

»Weil beim zweiten Rendezvous nun mal getanzt wird«, sagte Eli, als hätte er sie missverstanden. Er zog sie enger an sich, spürte ihren Kopf unter seinem Kinn, ihre Wange an seinem Schlüsselbein.

»Wir haben keine Musik.«

»Glaubst du?«, sagte Eli leise und wiegte Shelby weiter in den Armen, bis auch sie den silbernen Klang von gar nichts hörte.

Ross stand an der höchsten Stelle der Granitwand im Steinbruch und sah zu, wie sein Neffe über riesige Felsbrocken kletterte. Er war überrascht, dass es ihn, wo er doch immer so leichtsinnig mit seinem Leben umgegangen war, so nervös machte zuzusehen, wie jemand, den er liebte, ein Risiko einging. Aber Ethan hatte sich eine abenteuerliche Nacht gewünscht. Und Ross hatte ihm den Wunsch unbedingt erfüllen wollen.

Er hatte sich die Erlaubnis vom Wachmann geholt, von Az Thompson. Da Shelby zu ihrem nächtlichen Rendezvous gegangen war, wusste Ross, dass er für den Ausflug mit Ethan ein paar Stunden Zeit hatte. Az stand neben Ross und schaute zu, wie Ethan ein langes, rosafarbenes Granitstück hinabrutschte. »Sie kriegen doch hoffentlich keinen Ärger deswegen, oder?«, fragte Ross.

»Nur wenn dem Jungen was passiert.«

»Der soll sich hüten.«

»Kriegen Sie denn Ärger?«, fragte Az.

»Wahrscheinlich«, gab Ross zu. »Ich soll schließlich auf ihn aufpassen.« Er trat gegen einen Kieselstein, der über den Rand der Wand in die Tiefe fiel. »Übrigens, ich hab mich noch gar nicht wegen neulich bedankt.«

»Nicht der Rede wert.«

Ross schüttelte den Kopf. »Ich … also, es war eine Menge passiert, kurz bevor Sie aufgetaucht sind. Ich hab meinen Geist gefunden.«

»Hab ich gehört.«

»Sie klingen nicht überrascht.«

»Mich musste man ja auch nicht mehr überzeugen«, erwiderte Az.

»Eli Rochert hat gesagt, Sie haben eine Art Zeremonie vor.«

»Freitag, im Morgengrauen. Kommen Sie?«

Ross verschlug es die Sprache. Eli hatte gesagt, an dem Ritual sollten nur die für die Exhumierung der sterblichen Überreste erforderlichen Vertreter der entsprechenden Behörden sowie die spirituellen Führer der Abenaki teilnehmen, weshalb Ross sich keine Illusionen gemacht hatte, eingeladen zu werden. Und er hatte sich eingeredet, wenn er die Gebeine der Frau sehen würde, die nur für ihn wieder lebendig geworden war, wäre das, als würde er sie ein zweites Mal verlieren.

Aber andererseits wünschte er sich sehnlichst, dabei zu sein. Denn es bestand die Möglichkeit, dass Lias Geist Zeuge sein wollte, wenn Lias Körper zur letzten Ruhe gebettet wurde. Und wenn sie Ross sähe, würde sie diesmal vielleicht nicht wieder gehen.

»Ich komme«, sagte Ross leise.

Az verschränkte die Arme vor der Brust. »Statt dieses Grab zu öffnen, sollten sie lieber Spencer Pike lebendig begraben.«

Ross blickte Az forschend an. Az, der gegen das Bauprojekt auf dem Pike-Grundstück schon protestiert hatte, bevor konkrete Beweise vorlagen. Az, der so alt war, dass er von Spencer Pikes Feldzug für die Sterilisation gehört haben musste. Eli hatte ihm erzählt, dass der alte Mann in den Siebzigerjahren aus dem Mittleren Westen nach Comtosook gezogen war. Aber Shelby hatte gesagt, dass einige Abenaki in den Dreißigerjahren vor den Geschehnissen in Vermont geflüchtet waren – zum Stamme der Ojibway in Michigan und Minnesota und Wisconsin. Sie hatten ihre Geschichten mitgenommen. Und Az hatte sie sicherlich gehört.

»Wie viel haben Sie gewusst?«, fragte Ross.

Az zuckte die Achseln. »Genug.«

»Aber Sie haben es niemandem gesagt. Sie hätten Eli doch die Sache mit Spencer Pike und den Eugenikern direkt erzählen können.«

»Was nützt es, alte Wunden aufzureißen, wenn sich daraufhin doch nichts verändert?«

»Doch. Es verhindert, dass so etwas noch einmal passiert.«

Az blickte skeptisch. »Glauben Sie das wirklich?«

Ross wollte schon nicken, doch dann wurde ihm klar, dass es eine Lüge wäre. Die Wahrheit war, dass Geschichte sich Tag für Tag wiederholte, dass die gleichen Fehler immer wieder gemacht wurden. Die Menschen wurden genauso von ihren Taten verfolgt wie von dem, was sie nicht mehr hatten tun können. »Gray Wolf«, sagte er unvermittelt. »Sie wissen, was aus ihm geworden ist, nicht?«