Выбрать главу

»Mein Glück ist nicht minder groß«, korrigierte ihn Leslie mit einem fröhlichen Lächeln.

»Werden Sie sich irgendwo heimlich trauen lassen?«

»Nein. Oliver wünscht eine echte Hochzeit. Wir heiraten in der Calvary Chapel.«

»und wann findet das Ereignis statt?«

»In sechs Wochen.«

Einige Tage später berichtete das State Journal auf der Titel-seite: »Die Frau, deren Leiche im Kentucky River gefunden und die inzwischen als die Anwaltssekretärin Lisa Burnette identifiziert wurde, ist laut Obduktionsbericht an einer Überdosis der gefährlichen, gesetzlich verbotenen Droge gestorben, die im Volksmund als flüssiges Ecstasy bekannt ist ...«

Flüssiges Ecstasy. Leslie erinnerte sich an den Abend mit Oliver und dachte: Welch ein Glück, daß er die Flasche weggeworfen hat.

Die nächsten Wochen waren mit hektischen Hochzeitsvorbereitungen erfüllt. Es gab unendlich viel zu erledigen: da mußten die Einladungen an zweihundert Personen verschickt werden. Leslie hatte ihre Brautjungfer zu wählen und das Brautjungfernkleid auszusuchen. Sie entschied sich für eines in Balleri-nenkleidlänge mit farblich abgestimmten Schuhen und Handschuhen, die bis an die Ellbogen reichten. Für sich selbst ging sie in der Fayette Mall an der Nicholasville Road einkaufen und wählte eine bis auf den Boden reichende Robe mit Rock und Schleppe, dazu passende Schuhe und ebenfalls lange Handschuhe.

Oliver orderte einen schwarzen Cut mit gestreifter Hose, grauer Weste, Hemd mit Eckenkragen und eine breite, gestreifte Ascot-Krawatte. Sein Trauzeuge war ein Anwaltskollege aus seiner Kanzlei.

»Es ist alles geregelt«, teilte Oliver Leslie mit. »Auch für den Empfang im Anschluß an die kirchliche Trauung. Und es haben fast alle Eingeladenen zugesagt.«

Leslie lief ein leiser Schauer über den Rücken. »Ich kann es gar nicht abwarten, Darling.«

Am Donnerstag vor der Hochzeit kam Oliver abends zu Les-lie in die Wohnung.

»Bitte entschuldige, Leslie, aber da ist leider ein unvorhergesehener Auftrag hereingekommen. Ein Klient hat Probleme. Ich werde nach Paris fliegen müssen, um die Sache für ihn zu erledigen.«

»Nach Paris? und wie lange wirst du fort bleiben?« »Die Angelegenheit dürfte eigentlich nicht länger als zwei bis drei, maximal vier Tage beanspruchen. Zu unserer Hochzeit bin ich wieder zurück.« »Dann sag dem Piloten, daß er gut fliegen soll.« »Versprochen.«

Als Oliver gegangen war, nahm Leslie die Zeitung vom Tisch und schlug ihr Horoskop von Zoltaire auf. Es lautete:

Löwe (23. juli - 22. august) für Planänderungen ist heute kein guter Tag. Das Eingehen von Risiken könnte ernsthafte Probleme verursachen.

Leslie wurde nervös. Sie studierte das Horoskop ein zweites Mal und war fast versucht, Oliver anzurufen und ihn aufzufordern, nicht abzureisen. Aber das wäre doch lächerlich, dachte sie. Wegen eines dummen Horoskops!

Am Montag hatte Leslie noch immer nichts von Oliver gehört. Sie rief in seiner Kanzlei an, aber dort wußte man auch nichts. Am Dienstag traf von ihm ebenfalls keine Nachricht ein. Leslie geriet langsam in Panik. Am Mittwoch wurde sie um vier Uhr früh durch das hartnäckige Läuten des Telefons geweckt. Sie setzte sich auf dem Bett auf und dachte: Das ist bestimmt Oliver! Gott sei Dank. Eigentlich müßte sie ihm böse sein, weil er nicht früher angerufen hatte; aber das war nun nicht mehr wichtig.

Sie nahm den Hörer ab. »Oliver ...« Eine fremde Männerstimme sagte:

»Al Towers von der Nachrichtenagentur Associated Press. Wir haben da eine Story, die gleich an die Medien herausgehen soll, Miss Stewart, und hätten gern gewußt, was Sie dazu sagen.«

Leslie erschrak. Es mußte etwas Furchtbares geschehen sein.

Oliver war tot.

»Miss Stewart?«

»Ja.« Sie stieß es mit einem erstickten Flüstern hervor.

»Könnten wir von Ihnen eine Stellungnahme zu dem Ereignis haben?«

»Eine Stellungnahme?«

»Ihren persönlichen Kommentar zu der Tatsache, daß Oliver Russell in Paris die Tochter von Senator Todd Davis geheiratet hat.«

Im ersten Moment schien sich das Zimmer vor ihren Augen zu drehen.

»Sie sind doch mit Mr. Russell verlobt gewesen, nicht wahr? Könnten wir da nicht von Ihnen einen Kommentar .«

Sie saß da, als ob sie erfroren wäre.

»Miss Stewart.«

Sie fand ihre Stimme wieder. »Ja. Ich - ich - kann den beiden nur alles Gute wünschen.« Wie betäubt legte sie auf. Das konnte doch wohl nur ein Alptraum gewesen sein. Nur ein paar Minuten, dann würde sie aufwachen und feststellen, daß sie geträumt hatte.

Es war aber kein Traum. Sie war wieder einmal verlassen, sitzengelassen worden. »Dein Vater kommt nie mehr zurück.« Sie schritt ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Das Gesicht war bleich. »Wir haben da eine Story, die gleich an die Medien herausgehen soll.« Oliver hatte eine andere geheiratet. Aber warum? Was habe ich denn falsch gemacht? Habe ich ihn je im Stich gelassen, enttäuscht, verraten? Im tiefsten Innern war ihr jedoch völlig klar, daß es Oliver war, der sie im Stich gelassen und verraten hatte. Er war fort. Wie sah ihre Zukunft aus?

Die Kollegen gaben sich alle Mühe, Leslie nicht anzustarren, als sie an diesem Morgen in der Agentur eintraf. Jim Bailey sagte nach einem kurzen, forschend-prüfenden Blick auf ihr blasses Gesicht: »Sie hätten heute nicht zur Arbeit kommen

sollen, Leslie. Warum gehen Sie nicht einfach heim und .«

Sie holte tief Luft. »Nein, danke. Ich komm schon durch.«

Rundfunk- und Fernsehnachrichten sowie die Abendzeitungen brachten ausführliche Berichte über die Pariser Hochzeit; denn Senator Todd Davis war ohne Zweifel der einflußreichste Bürger des Staates Kentucky; und daß seine Tochter geheiratet und ihr Bräutigam ihretwegen seine Verlobte Leslie Stewart sitzengelassen hatte, war eine Sensation.

In Leslies Büro hörten die Telefone nicht mehr auf zu klingeln.

»Hier spricht der Courier-Journal. Miss Stewart, könnten Sie bitte eine Stellungnahme zu der Hochzeit abgeben?«

»Ja. Mir liegt einzig und allein das Glück Oliver Russells am Herzen.«

»Aber es war doch beschlossene Sache, daß Sie und er .«

»Es wäre falsch gewesen, wenn wir geheiratet hätten. Senator Davis' Tochter war vor mir in sein Leben getreten. Ich wünsche den beiden alles Gute.«

»Hier spricht das State Journal

So ging das ununterbrochen weiter.

Leslie gewann den Eindruck, daß halb Lexington sie bemitleidete und die andere Hälfte der Bevölkerung ihr Mißgeschick mit Schadenfreude registrierte. Wo immer sie auftauchte, bemerkte sie Getuschel und ein hastiges Abbrechen der Gespräche. Sie war wild entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, was sie empfand.

»Wie können Sie es ihm einfach durchgehen lassen, Ihnen so etwas anzu...?«

»Wenn man einen Menschen wahrhaft liebt«, widersprach Leslie mit fester Stimme, »hegt man nur den Wunsch, daß er glücklich wird. Ich habe nie einen feineren Menschen als Oliver Russell kennengelernt. Ich wünsche den beiden Glück in ihrem gemeinsamen Leben.«

Allen Gästen, die zu ihrer eigenen Hochzeit mit Oliver Rus-sell eingeladen worden waren, schrieb sie ein Entschuldi-gungskärtchen, die bereits eingegangenen Geschenke schickte sie zurück.

Den Anruf Olivers hatte Leslie teils erhofft, teils befürchtet. Als der Anruf dann schließlich kam, erwischte er sie trotzdem gänzlich unvorbereitet. Der vertraute Klang seiner Stimme warf sie um.

»Leslie ... Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«

»Es stimmt, nicht wahr?«

»Ja.«

»Dann gibt es nichts zu sagen.«

»Ich habe nur den Wunsch gespürt, dir zu erklären, wie es dazu gekommen ist. Jan und ich waren so gut wie verlobt, als ich dich kennenlernte. Und als ich ihr dann zufällig wiederbegegnet bin, da - da wurde mir - klar, daß ich sie noch immer liebte.«