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Im ersten dieser stabilen Zustände würde laut Nebogipfel die Erdoberfläche verbrennen: die Atmosphäre würde so undurchdringlich wie die Wolken über der Venus werden und die Abstrahlung der Sonnenwärme verhindern. Solche kilometerdicken Wolken würden den größten Teil des Sonnenlichts abhalten und nur ein trübes, rötliches Glühen durchlassen; weder die Sonne noch die Planeten und Sterne wären dann von der Erdoberfläche aus zu sehen. In der trüben Atmosphäre würden ständig Gewitter toben, und der Erdboden wäre rotglühend: alles Leben verbrannt.

»So könnte es vielleicht sein«, meinte ich und versuchte ein Schaudern zu unterdrücken, »aber verglichen mit dieser verdammten Kälte klingt das direkt nach einem angenehmen Urlaubsort… Und der zweite deiner stabilen Zustände?«

»Weiße Erde.«

Er schloß die Augen und sprach nicht mehr mit mir.

Aufbruch und Ankunft

Ich weiß nicht, wie lange wir dort lagen, zusammengerollt auf dem Boden des Zeitfahrzeugs, und versuchten, den letzten Rest von Körperwärme zu bewahren. Ich konnte mir vorstellen, daß wir die einzigen noch lebenden Wesen auf dem Planeten waren — mit Ausnahme vielleicht einiger robuster Flechten, die sich an einen gefrorenen Felsen klammerten.

Ich stieß Nebogipfel an und redete auf ihn ein.

»Laß mich schlafen«, murmelte er.

»Nein«, lehnte ich so barsch wie möglich ab. »Morlocks schlafen nicht.«

»Ich schon. Ich bin schon zu lange bei den Menschen.«

»Wenn du schläfst, wirst du sterben, Nebogipfel. Ich glaube, daß wir das Fahrzeug anhalten müssen.«

Er sagte eine Weile nichts. »Warum?«

»Wir müssen ins Paläozän zurück. Die Erde ist tot — erstarrt im Griff dieses ewigen Winters — und daher müssen wir in eine geeignetere Vergangenheit zurückgehen.«

»Das ist eine gute Idee…« — er hustete —, »abgesehen von dem Detail, daß sie undurchführbar ist. Ich hatte nämlich keine Möglichkeit, eine komplexe Steuerung in die Maschine einzubauen.«

»Was willst du damit sagen?«

»Daß dieses Zeitfahrzeug rein ballistisch ist. Ich konnte es wohl in die Zukunft oder in die Vergangenheit vektorieren und auch eine bestimmte Distanz vorgeben — wir könnten zum Beispiel ins Jahr 1891 dieser Historie gelangen — aber nach der Vektorierung und dem Start kann ich seinen Flug nicht mehr beeinflussen.

Begreifst du? Das Fahrzeug folgt einem Pfad durch die Zeit, der durch die ursprünglichen Einstellungen und die Kapazität des deutschen Plattnerits definiert wird. Wir werden im Jahre 1891 ankommen — einem vereisten 1891 — und nicht früher…«

Ich spürte, wie mein Zittern nachließ — aber nicht, weil ich mich jetzt vielleicht besser fühlte, sondern, wie ich nun merkte, wegen meiner nachlassenden Kräfte.

Aber vielleicht hatten wir trotzdem noch nicht verloren, spekulierte ich wild: wenn der Planet nun doch nicht verlassen war — wenn die Menschen die Erde wieder aufbauten — vielleicht fanden wir auch eine bewohnbare Klimazone.

»Und die Menschheit? Was ist mit der Menschheit?« drängte ich Nebogipfel.

Er grunzte, und sein geschlossenes Auge rollte. »Wie hätte die Menschheit denn überleben sollen? Die Menschen haben den Planeten aufgegeben — oder sie sind allesamt ausgelöscht worden…«

»Die Erde aufgegeben?« protestierte ich. »Nicht einmal ihr Morlocks, mit eurer Sphäre um die Sonne, seid so weit gegangen!«

Ich schob mich von ihm weg und stützte mich auf die Ellbogen, so daß ich aus dem Zeitfahrzeug nach Süden sehen konnte. Denn hier — dessen war ich jetzt sicher — in Richtung der Orbitalstadt lag unsere Hoffnung.

Aber was ich dann sah, nahm mir jegliche Hoffnung.

Dieser Gürtel um die Erde war zwar noch da, und die Verbindungen zwischen den leuchtenden Stationen standen so hell wie immer —, aber ich bemerkte, daß die senkrechten Linien, mit denen die Stadt auf dem Planeten verankert gewesen war, verschwunden waren. Während ich mit dem Morlock beschäftigt war, hatten die Bewohner der Orbitalstadt ihre Aufzüge abgebaut und damit die Nabelschnur zur Mutter Erde durchtrennt.

Außerdem sah ich, daß ein gleißendes Licht aus einigen der Stationen drang. Dieses Glühen wurde von den Eisflächen der Erde reflektiert, wie ein Kranz aus Miniatursonnen. Der Metallring verließ seine Position über dem Äquator. Zuerst nahm er nur langsam Fahrt auf; aber dann schien sich die Stadt um ihre Achse zu drehen — glühend wie ein Feuerrad — bis sie sich so schnell bewegte, daß ich die einzelnen Stationen nicht mehr erkennen konnte.

Dann war sie weg, von der Erde losgelöst und im Weltall verschwunden.

Die Symbolik dieser großen Absatzbewegung war überwältigend, und ohne das Feuer aus den großen Triebwerken wirkten die Eisfelder der verlassenen Erde noch kälter und grauer als zuvor.

Ich setzte mich wieder ins Fahrzeug. »Es stimmt«, sagte ich zu Nebogipfel.

»Was stimmt?«

»Daß die Erde aufgegeben ist — die Orbitalstadt hat sich losgelöst und ist verschwunden. Der Planet ist am Ende, Nebogipfel — und wir auch, wie ich befürchte!«

Trotz all meiner Bemühungen, ihn wach zu halten, tauchte Nebogipfel in die Bewußtlosigkeit ab; und irgendwann fehlte mir dann die Kraft, weiterzumachen. Ich schmiegte mich an den Morlock und versuchte, seinen klammen, kalten Körper vor der schlimmsten Kälte zu schützen, aber wie mir klar war, ohne viel Erfolg. Ich wußte, daß unsere Reise in Anbetracht des Zeitreisefaktors nicht länger als insgesamt dreißig Stunden dauern konnte — aber was, wenn das deutsche Plattnerit oder Nebogipfels improvisierte Konstruktion fehlerhaft waren? Dann wäre ich für immer in diesem Kontinuum gefangen und würde langsam tiefgefroren — oder ich konnte jeden Moment auf das ewige Eis stürzen.

Ich muß wohl eingeschlafen sein — oder das Bewußtsein verloren haben.

Ich glaubte, den Beobachter — diesen großen breiten Kopf — vor meinen Augen schweben zu sehen, und hinter seinem gliederlosen Torso konnte ich dieses grünliche Sternenfeld erkennen. Ich versuchte, nach den Sternen zu greifen, denn sie schienen so hell und warm; aber ich konnte mich nicht bewegen — vielleicht träumte ich das alles auch nur — und dann war der Beobachter verschwunden.

Schließlich war die Kapazität des Plattnerits erschöpft; das Fahrzeug schlich nur noch dahin, und dann fiel es wieder in die Realzeit zurück.

Das perlartige Glühen des Himmels löste sich auf, und das blasse Sonnenlicht verschwand, als ob ein Schalter betätigt worden wäre: und ich stürzte in die Dunkelheit.

Der letzte Rest unserer aus dem Paläozän importierten Wärme verpuffte in der kalten Luft. Ich spürte, wie Eis an meinem Fleisch nagte — es brannte wie Feuer — und ich konnte nicht atmen, wobei ich nicht wußte, ob das an der Kälte oder an irgendwelchen Schadstoffen in der Luft lag, und bald spürte ich einen starken Druck auf der Brust, als ob ich ertrinken würde.

Ich wußte, daß ich gleich für längere Zeit das Bewußtsein verlieren würde. Deshalb beschloß ich, mir wenigstens dieses 1891 anzusehen, das sich so sehr von meiner eigenen Welt unterschied, bevor ich starb.

Ich zog die Arme unter den Körper — ich konnte die Hände schon nicht mehr spüren — und stemmte mich hoch, bis ich halb saß.

Die Erde lag in einem silbernen Licht, das an Mondlicht erinnerte (zuerst kam es mir jedenfalls so vor). Das Zeitfahrzeug stand wie ein ramponiertes Spielzeug im Zentrum einer alten Eisfläche. Es war Nacht, und es waren keine Sterne zu sehen — zunächst glaubte ich, daß sie sich hinter Wolken verbargen — aber dann sah ich tief am Himmel die Sichel des Neumondes, und ich konnte mir das Fehlen der Sterne nicht erklären; ich fragte mich, ob meine Augen vielleicht unter der Kälte gelitten hätten. Erfreut stellte ich fest, daß die Schwesterwelt noch immer grün war; vielleicht lebten dort noch Menschen. Wie strahlend mußte die gefrorene Erde am Himmel dieser jungen Welt stehen! Dicht beim Mond leuchtete ein helles Licht: kein Stern, denn dazu war es zu nahe — vielleicht war es der Reflex der Sonne auf einem lunaren Meer.