Ich mußte meine Intelligenz nicht übermäßig strapazieren, um zu erkennen, daß die Dunkelheit die Realität war und das Licht von der Brille selbst erzeugt wurde. Die Brille war ein Äquivalent zu Nebogipfels Sehhilfe, die der arme Morlock im Sturm des Paläozäns verloren hatte.
Die Augen stellten sich auf die Helligkeit ein, und ich stand auf und musterte mich. Ich war noch an einem Stück, und, wie es schien, auch heil; ich konnte weder an den Händen noch an den Armen Spuren der Aktionen finden, die dieses diffuse Pyramiden-Wesen auf meiner Haut veranstaltet hatte. Ich bemerkte jedoch im Gewebe meines Tropenanzugs einige weiße Streifen; als ich mit den Fingern daran entlangfuhr, ertastete ich flache, gezackte Nähte, als ob meine Kleidung oberflächlich ausgebessert worden wäre.
Ich befand mich in einer vielleicht zwölf Fuß breiten und annähernd genauso hohen Kammer — und es war der merkwürdigste Raum, in den es mich im bisherigen Verlauf meiner Zeitreisen verschlagen hatte. Um sich eine Vorstellung davon machen zu können, muß man mit einem Hotelzimmer des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts anfangen. Aber das Zimmer entsprach nicht dem zu meiner Zeit üblichen rechteckigen Schnitt; vielmehr war es ein Kegel, so wie das Innere eines Zeltes. Es gab weder eine Tür noch irgendwelches Inventar. Der Boden wurde von einer gleichmäßigen Sandschicht bedeckt, in der ich den Abdruck sehen konnte, wo ich geschlafen hatte.
An den Wänden klebte eine ziemlich ausgefallene Tapete — eine purpurne Velourstapete — und etwas, das wie Fensterrahmen aussah, die mit schweren Vorhängen versehen waren. Aber die Rahmen enthielten kein Glas, sondern nur Bretter, die auch mit dieser Velourstapete überzogen waren.
Der Raum verfügte nicht über eine Lichtquelle. Statt dessen durchdrang ein steter und diffuser Schein die Luft, wie das Licht eines bewölkten Tages. Ich war allerdings davon überzeugt, daß die von mir wahrgenommene Illuminierung eher ein Phänomen meiner Brille als etwas Physikalisches war. Die Decke über mir war reich verziert und mit bemerkenswerten Gemälden geschmückt. Hier und da gelang es mir, in dieser barocken Kaskade Fragmente menschlicher Formen auszumachen, aber so durcheinandergewürfelt und verzerrt, daß ich nichts Genaues erkennen konnte: es war nicht grotesk, sondern nur plump und konfus — als ob der Künstler zwar über die technischen Fähigkeiten eines Michelangelo, aber lediglich über die Vision eines zurückgebliebenen Kindes verfügt hätte.
Und so sah es auch aus: die Stilelemente mußten wohl einem billigen Hotelzimmer meiner Zeit entlehnt sein — aber sie waren entstellt und in diese merkwürdige Geometrie verwandelt worden, wie Traumgebilde!
Ich lief umher, wobei die Stiefel im groben Sand knirschten. Ich fand keine Fuge in den Wänden, keinen Hinweis auf Türen oder Fenster. In einer Ecke des Raums stand ein aus weißem Porzellan bestehender, offener Würfel mit drei Fuß Seitenlänge. Als ich auf diesen Porzellanboden stieg, zischte völlig unerwartet Dampf aus Öffnungen in der Wand. Konsterniert wich ich zurück, und die Strahlen versiegten; die restlichen Dampfschwaden nebelten mich ein.
Dann stieß ich im Sand auf eine Reihe kleiner Schüsseln. Sie waren handbreit und flach, wie Untertassen. Einige der Schüsseln enthielten Wasser und andere Essen: frugales Zeug, Früchte, Nüsse, Beeren und dergleichen, aber nichts, das ich auf Anhieb identifizieren konnte. Weil ich Durst hatte, leerte ich einige der Wasserschalen. Die Schüsseln waren ergonomisch ungünstig geformt; ihr flaches Profil verlieh ihnen die Tendenz, daß mir ihr Inhalt übers Kinn tröpfelte, und sie wirkten auf mich weniger wie Tassen, sondern vielmehr wie Näpfe, in denen man Hunden oder Katzen ihr Fressen serviert. Ich knabberte ein wenig am Essen; die Fruchtstücke schmeckten zwar nach nichts, waren aber genießbar.
Danach klebten meine Hände und Lippen, und ich hielt nach einem Waschbecken oder einer Toilette Ausschau. Natürlich wurde ich nicht fündig; und so behalf ich mich mit dem Inhalt einer weiteren Wasserschüssel, woraufhin ich mir das Gesicht mit einem Hemdzipfel abtrocknete.
Ich fummelte an den Pseudo-Fenstern herum und sprang in die Höhe, um an der kitschigen Deckenverzierung herumzustochern, aber ohne Erfolg; das Material der Wände und der Decke war so glatt und unverwüstlich wie Marmor. Ich führte Grabungen im Sand des Fußbodens durch und ermittelte dabei eine Schichttiefe von zehn bis zwölf Zoll; darunter befand sich ein Mosaik aus bunten Fragmenten in Anlehnung an den römischen Stil — aber anders als die Decke zeigte das Mosaik kein Porträt oder Szenen, die ich hätte deuten können, sondern nur ein bruchstückhaftes Konglomerat von Entwürfen.
Ich war allein, und auch von der anderen Seite der Wände kam kein Laut: kein Laut in meinem Universum, außer dem Kratzen meines Atems und dem Pumpen des Herzens — dieselben Geräusche, deren Rückkehr ich jüngst so freudig begrüßt hatte!
Nach einiger Zeit forderten gewisse menschliche Bedürfnisse ihr Recht. Ich unterdrückte sie, so lange es ging, war aber schließlich doch gezwungen, flache Gruben auszuheben, um mich dort zu erleichtern.
Als ich mich über die erste dieser Gruben hockte, schämte ich mich außerordentlich. Ich fragte mich, was die Sternen-Menschen dieses entfernten 1891 wohl von dieser Vorstellung hielten!
Als ich müde wurde, setzte ich mich mit dem Rücken an die Wand des Zimmers. Anfangs behielt ich die Licht-Brille noch auf, aber dann störte mich das helle Licht beim Einschlafen; also nahm ich sie ab und befestigte sie während des Schlafs an der Hand.
So begann mein Aufenthalt in diesem bizarren käfigartigen Raum. Als sich meine anfängliche Furcht gelegt hatte, überkam mich eine rastlose Langeweile. Dieses Gefängnis erinnerte mich an die Zeit im Lichtkäfig der Morlocks, und auf eine Neuauflage dieser Erfahrung war ich nun wirklich nicht erpicht. Langsam kam ich zu der Überzeugung, daß alles, selbst das Element der Gefahr, noch einem weiteren Verbleib in diesem düsteren, fensterlosen Gefängnis vorzuziehen sei. Mein Exil im Paläozän — fünfzig Millionen Jahre vom nächsten Zeitungsstand entfernt — hatte mich wohl von meinem alten Lese-Drang kuriert; aber dennoch glaubte ich manchmal, daß ich noch verrückt würde, weil ich niemanden zum Reden hatte.
Jedesmal, wenn ich schlief, wurden die Essens- und Wasserschüsseln aufgefüllt. Ich habe nie den Mechanismus ermitteln können, mit dem das geschah. Es gab keinen Hinweis auf Extruder, wie sie die Morlocks verwendeten; doch genausowenig sah ich jemals, daß die Schalen von einem Lebewesen aufgefüllt wurden. Einmal schlief ich versuchsweise mit einer unter dem Körper vergrabenen Schüssel. Ein sogartiges Gefühl unter den Rippen weckte mich. Als ich mich erhob, war die Schüssel wie durch einen wundersamen Vorgang wieder mit Wasser gefüllt.
Zögernd gelangte ich zu dem Schluß, daß eine unsichtbare Maschinerie in den Schalen selbst irgendwie den Inhalt zubereitete — entweder aus der Materie der Schalen oder aus der Luft. Ich hielt es für möglich — obwohl ich es gar nicht so genau wissen wollte! —, daß meine verscharrten Exkremente von derselben verborgenen Mechanik wiederaufbereitet wurden. Es war eine bizarre, und nicht sehr appetitanregende Vorstellung.
Experimente und Reflektionen
Nach drei oder vier Tagen verspürte ich das Bedürfnis, mich gründlich zu säubern. Wie ich schon sagte, gab es hier nichts, was auf sanitäre Einrichtungen hindeutete, und langsam genügte mir die Katzenwäsche nicht mehr, die ich mit dem Trinkwasser aus den Schüsseln durchführte. Ich sehnte mich nach einem Bad, oder, noch besser, einer Runde Schwimmen im Ozean des Paläozäns.
Es dauerte eine Weile — man mag mich in dieser Hinsicht für eine ziemliche Trantüte halten —, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder diesem Porzellanwürfel widmete, den ich seit der ersten zögerlichen Erkundung der Kammer nicht mehr beachtet hatte. Nun ging ich auf diesen Würfel zu und setzte vorsichtig einen Fuß auf die Porzellanfläche. Erneut trat sofort Dampf aus den Wänden aus.