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Wallis nutzte unseren Marsch für einen Vortrag. Er war ein angenehmer Begleiter, und ich hatte immer mehr den Eindruck, daß er zu jenen Menschen gehörte, die ich — in einer anderen Zeit — möglicherweise als Freund bezeichnet hätte.

Ich erinnerte mich an den Hyde Park als einen zivilisierten Ort: attraktiv und ruhig, mit seinen breiten Wegen und Baumgruppen. Einige dieser Merkmale existierten auch jetzt noch — ich erspähte die mit Grünspan bedeckte Kupferkuppel des Orchesters, wo ich einen walisischen Bergmannschor in verzerrter Harmonie Hymnen singen hörte — aber diese Version des Parks war ein Ort des Schattens, der nur dort, wo Laternen standen, von Lichtinseln unterbrochen wurde. Das Gras war verschwunden — ohne Zweifel durch den Ausschluß der Sonne abgestorben — und ein großer Teil der blanken Erde war mit Holzplatten kaschiert worden. Ich fragte Wallis, warum sie den Park nicht einfach in eine Betonwüste verwandelt hatten; er gab mir zu verstehen, daß die Londoner dem Glauben nachhingen, die häßliche Kuppel über ihrer Stadt könne eines Tages wieder sicher entsorgt werden und ihre Heimat wieder in alter Schönheit auferstehen — einschließlich der Parks.

Ein Abschnitt des Parks, in der Nähe des Orchesters, war zu einer Art Feldlager mutiert. Da standen Hunderte von Zelten, die sich um schlichte Betonbauten drängten und als Gemeinschaftsküchen und Badehäuser erwiesen. Erwachsene, Kinder und Hunde schlichen auf dem trockenen, festgestampften Boden zwischen den Zelten umher und gingen ihren endlosen, freudlosen Verrichtungen nach.

»Das arme alte London hat in den letzten Jahren eine Menge Flüchtlinge aufgenommen«, erläuterte Wallis. »Die Bevölkerungsdichte ist um einiges höher als früher… und trotzdem gibt es für jeden sinnvolle Arbeit zu tun. Natürlich leiden sie in diesen Zelten — aber sie können nirgendwo sonst untergebracht werden.«

Wir verließen den Lancaster Walk und näherten uns dem Round Pond im Zentrum des Parks. Dieser Mittelpunkt war einmal ein attraktiver, freier Platz gewesen und hatte einen ungehinderten Blick auf den Kensington Palace gewährt. Der Teich existierte zwar noch, war jetzt aber eingezäunt; Wallis sagte mir, daß er als Wasserreservoir für die gewachsene Bevölkerung diente. Und der Palast war nur noch eine Ruine, offensichtlich ausgebombt und aufgegeben.

Wir hielten an einem Stand, wo wir eine ziemlich warme Limonade serviert bekamen. Die Menschen wogten vorüber, manche auf Fahrrädern. In einer Ecke des Parks wurde gerade ein Fußballspiel ausgetragen, wobei die Tore durch aufgestapelte Gasmasken improvisiert wurden; ich vernahm sogar vereinzeltes Gelächter. Wallis erzählte mir, daß die Leute sich noch immer an der Speaker's Corner versammelten, um der Heilsarmee zuzuhören, der National Secular Society, der Catholic Evidence Guild, der Liga gegen die Fünfte Kolonne (die einen Feldzug gegen Spione, Verräter und überhaupt jeden führte, der den Feind auf die eine oder andere Art unterstützte), etc.

So fröhlich hatte ich die Menschen in dieser düsteren Zeit bisher noch nicht erlebt; abgesehen von den allgegenwärtigen Epauletten und Gasmasken — und dem toten Boden und diesem schrecklichen, dräuenden Dach über unseren Köpfen — hätte es sich hier um eine Feiertagsversammlung aus einer beliebigen Epoche handeln können, und ich wurde aufs neue von der Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes überwältigt.

Die Schwätzmaschine

Nördlich vom Round Pond waren einige Reihen schmutziger Klappstühle aufgestellt worden, damit die Leute sich die an das Dach über uns projizierten Nachrichten anschauen konnten. Die Stühle waren zum größten Teil besetzt; Wallis entrichtete dem Aufsichtspersonal einen Obolus — die Münzen waren Metallplättchen, viel kleiner als die Währung meiner Zeit — und wir ließen uns nieder und legten den Kopf in den Nacken.

Unsere stummen Soldaten-Gouvernanten bezogen in unserer Nähe Position und beobachteten sowohl uns als auch die Menge.

Staubige Lichtfinger stachen aus den Aldis-Lampen in Portland Place (so sagte mir Wallis) und versprühten graue und weiße Farben über die Kuppel. Verstärkte Stimmen und Musik fluteten auf die passive Menge hinab. Die Innenseite der Kuppel war getüncht worden, und daher waren die kinematographischen Abbildungen recht scharf. Die erste Sequenz zeigte einen dünnen, ziemlich martialisch aussehenden Mann, der einem anderen die Hand schüttelte und dann vor etwas posierte, das wie ein Stapel Ziegelsteine aussah; die Stimmen waren zwar nicht so richtig mit den Mund- und Körperbewegungen synchronisiert, aber die Musik ging ins Blut, und die allgemeine Botschaft kam auch rüber.

Wallis lehnte sich zu mir herüber. »Wir haben Glück! — es ist ein Beitrag über das Imperial College. Das ist Kurt Gödel — ein junger Wissenschaftler aus Österreich. Sie werden ihm vielleicht mal begegnen. Vor kurzem ist es uns gelungen, ihn dem Reich ›abzuwerben‹; offensichtlich wollte er überlaufen, weil er der irrigen Auffassung ist, der Kaiser sei tot und durch einen Diktator ersetzt worden… Unter uns, ein ziemlich wunderlicher Bursche, aber eine Koryphäe auf seinem Gebiet.«

»Gödel?« Ich spürte Interesse aufflackern. »Der Mann mit der Unvollkommenheit der Mathematik und all dem Kram?«

»Ja, warum?« Er sah mich fragend an. »Woher wissen Sie denn davon? — es ist doch nach Ihrer Zeit gewesen. Nun«, meinte er dann, »wir brauchen ihn auch nicht wegen seiner Leistungen in der mathematischen Philosophie. Wir haben ihn in Princeton mit Einstein zusammengebracht…« — ich verkniff mir die Frage, wer dieser Einstein war —, »…und er wird eine Forschungsreihe wiederaufnehmen, mit der er im Reich begonnen hatte. Wir hoffen, daß er uns eine weitere Option der Zeitreise eröffnet. Es war ein ganz schöner Coup — ich kann mir vorstellen, daß die Mannen des Kaisers sich jetzt ordentlich in den Haaren liegen…«

»Und die Ziegelkonstruktion neben ihm? Was ist das?«

»Oh, ein Experiment.« Er blickte sich vorsichtig um. »Ich will nicht vorgreifen — die Sprechmaschine wird kurz darauf eingehen. Es hat mit Kernspaltung zu tun… Ich kann es Ihnen später erklären, wenn es Sie interessiert. Gödel betreibt diesbezüglich besonders intensive Forschungen; ich glaube sogar, daß er schon einige praktische Versuche durchgeführt hat.«

Jetzt präsentierte man uns das Bild einer Truppe ziemlich alt aussehender Männer in schlecht sitzenden Kampfanzügen, die in die Kamera grinsten. Einer von ihnen, ein dürrer Bursche mit stechendem Blick, trat vor. »Die Territorialverteidigung… Männer und Frauen, die aufgrund ihres Alters für den Kampfeinsatz nicht mehr in Frage kommen«, erklärte Wallis, »die aber trotzdem noch im paramilitärischen Einsatz sind, falls eine Invasion Englands erfolgen sollte. Das ist Orwell. George Orwell. Ein Schriftsteller — ich glaube nicht, daß Sie ihn kennen.«

Die Nachrichten schienen beendet zu sein, und eine neue Unterhaltungssendung entfaltete sich über unseren Köpfen. Es war ein Cartoon — eine Art belebter Zeichnung mit ausgeprägtem musikalischen Hintergrund. Soviel ich mitbekam, gab es einen Helden namens Desperate Dan, der in einem oberflächlich hingepinselten Texas lebte. Nachdem er ein großes Steak verzehrt hatte, versuchte dieser Dan, sich einen Anzug aus Draht zu stricken, wobei er Telegraphenmasten als Nadeln verwendete. Unfreiwillig kreierte er jedoch eine Kette; als er sie dann ins Meer warf, versank sie. Dan fischte die Kette wieder heraus — und stellte fest, daß er nicht weniger als drei riesige deutsche Unterseeboote am Haken hatte. Ein Marineoffizier, der das beobachtet hatte, gab Dan zur Belohnung fünfzig Dollar… und so ging das weiter.