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Diesmal waren seine Ideen auf geneigte Ohren gestoßen — seiner Verdienste waren viele, und es bedurfte keiner großen Phantasie, um das schier unbegrenzte militärische Potential einer Zeitmaschine zu erfassen — und das Direktorat für Zeitverschiebungs-Kriegsführung wurde mit Wallis als zivilem Forschungsleiter aus der Taufe gehoben. Die erste Amtshandlung des DZvK bestand darin, mein altes Haus zu beschlagnahmen, das seit meiner Abreise in die Zeit verlassen in Richmond gestanden hatte, und die Relikte meiner Forschungen wurden ausgegraben.

»Aber was wollen Sie von mir? Sie haben doch schon eine Zeitmaschine — den Juggernaut, der mich hergebracht hat.«

Er verschränkte die Arme auf dem Rücken, wobei sein langes Gesicht ernst blickte. »Der Raglan. Natürlich — aber Sie haben dieses Ungetüm ja selbst gesehen. Was seine Zeitreise-Fähigkeit betrifft, beruht diese nur auf dem wenigen, was wir in den Ruinen Ihres Labors gefunden haben. Diese mit Plattnerit angereicherten Quarz- und Messingbrocken — die unmöglich ausbalanciert oder kalibriert werden konnten — machen den Raglan zu einem trägen Ungeheuer mit einer Zukunftsreichweite von kaum einem halben Jahrhundert. Wir konnten den Einsatz des 'Naut gerade noch dafür riskieren, um sicherzustellen, daß es nicht zu einer anachronistischen Interferenz unserer Feinde mit der Entwicklung Ihrer Originalmaschine kam. Aber jetzt — durch Zufall! — haben wir Sie bekommen.

Wir sind jetzt natürlich schon weiter: wir haben Ihre alte Maschine vom Plattnerit befreit und die Hülle im Imperial War Museum ausgestellt. Würden Sie sie gerne sehen? Sie wird ein vielbestauntes Exponat werden.«

Beim Gedanken an ein solches Ende meines treuen Gefährts empfand ich Schmerz — und Besorgnis wegen der Vernichtung meines einzigen Auswegs aus dem Jahr 1938! Ich schüttelte steif den Kopf.

»Wir brauchen Sie, um mehr von der Substanz herzustellen, die Sie Plattnerit nennen — Tonnen davon — zeigen Sie uns, wie es gemacht wird!« verlangte Wallis. Glaubte er also, daß ich das Plattnerit hergestellt hätte?… Ich behielt diesen Gedanken für mich. »Wir wollen Ihre Zeitmaschinen-Technologie verwenden«, fuhr er fort, »und sie weiterentwickeln — Nutzanwendungen erschließen, die Sie sich nicht einmal in Ihren kühnsten Träumen vorstellen können… Es ist die aufregendste technische Herausforderung, die man sich nur denken kann — und sie steht im Dienste der Kriegsanstrengungen.

Mit einem ZVF könnte man die Geschichte bombardieren und ihren Verlauf ändern — genauso wie mein Plan zur Umleitung des Rheins! Warum nicht? — wenn es möglich ist, sollte es auch getan werden.«

»Die Geschichte bombardieren?«

»Bedenken Sie — man könnte zurückgehen und im Frühstadium des Krieges eingreifen. Oder ein Attentat auf Bismarck durchführen — warum nicht? Wäre doch ein Riesending — und den Aufmarsch der Deutschen von vornherein unterbinden.

Begreifen Sie, Sir? Eine Zeitmaschine ist eine Waffe, gegen die es keine Verteidigung geben kann. Wer als erster eine einsatzfähige Zeitverschiebungstechnologie entwickelt, wird zum Herren der Welt — und dieser Herr muß Großbritannien sein!«

Seine Augen leuchteten, und sein hochfliegender Enthusiasmus für all diese Vernichtung und Macht mißfiel mir immer mehr.

Das Hochland der Zukunft

Wir erreichten den Lancaster Walk und marschierten wieder zur Südgrenze des Parks zurück. Nach wie vor wurden wir von unseren diskreten Soldaten flankiert.

»Erzählen Sie mir mehr davon, was geschehen wird, wenn Großbritannien und seine Alliierten diesen Zeitkrieg gewinnen — erzählen Sie mir von Ihrem ›Hochland der Zukunft‹.«

Er rieb sich die Nase und schaute unsicher drein. »Ich bin kein Politiker, Sir. Ich kann nicht…«

»Schon klar. Sagen Sie es in Ihren eigenen Worten.«

»Na schön.« Er sah zur Kuppel auf. »Zunächst — dieser Krieg zerstört eine Menge unserer schönen Illusionen, wissen Sie.«

»Er zerstört?« Das war aber ein ominöser Auftakt — und meine Befürchtungen wurden auch sofort bestätigt!

»Zum einen die Illusion der Demokratie. Sehen Sie, es steht nun mal fest, daß es keinen Sinn hat, die Leute zu fragen, was sie wollen. Man muß zuerst einmal darüber nachdenken, was sie wollen sollten, um die Gesellschaft zu bewahren. Dann muß man ihnen sagen, was sie wollen, und dafür sorgen, daß sie es auch bekommen.

Ich weiß, daß sich das aus der Perspektive Ihres Jahrhunderts seltsam anhört«, konzedierte er, »aber das ist modernes Denken — und ich habe vorhin im Phonographen gehört, daß Ihr berühmter Freund die gleichen Ansichten vertritt! — und er stammt doch auch aus Ihrer Zeit, richtig?

Ich verstehe nicht viel von Geschichte, aber ich habe den Eindruck, daß die modernen Staaten, die sich in Großbritannien und Amerika entwickeln — die Gesellschaftsform, die wir mit dem Rest der Welt teilen wollen — eher den Republiken der Antike vergleichbar sind — Karthago, Athen, Rom — die ja im Grunde aristokratisch waren. Wir haben zwar noch immer Parlamentsmitglieder, aber sie werden nicht mehr durch eine so heikle Sache wie das allgemeine Wahlrecht nominiert.

Und das ganze alte Theater mit der Opposition — nun! Das haben wir alles abgeschafft. Sehen Sie, Leute wie wir wissen, daß die meisten Angelegenheiten eben nicht mit der gleichen Legitimität von zwei Seiten betrachtet werden können. Es ist Unsinn, zu behaupten, daß es doch möglich sei. Es gibt nur einen richtigen Weg und unendlich viele falsche Wege, eine Sache zu tun. Entweder versucht es eine Regierung auf die richtige Art, oder sie ist kriminell. So einfach ist das. Die Opposition der Vergangenheit war überwiegend nur eine stümperhafte Sabotage, von Karrieristen durchgeführte Störmanöver. Und diese Sabotage muß aufhören. Diese ganzen verworrenen Ideen müssen ausgemerzt werden.

Und manche jüngeren Leute gehen noch viel weiter, was ihre Vorstellungen hinsichtlich der Zukunft betrifft. So behaupten sie zum Beispiel, daß die Familie sich auflöst. Sie war, wenn Sie so wollen, die gesellschaftliche Keimzelle in unserer landwirtschaftlich dominierten Vergangenheit. Aber jetzt, in unserer modernen Welt, verliert die Familie ihren besonderen Status und geht in einem größeren Beziehungssystem auf. Die Seßhaftigkeit unserer jungen Leute, einschließlich der Frauen, nimmt stark ab.«

Ich mußte an Captain Hilary Bond denken. »Aber wodurch wird die Familie ersetzt?«

»Nun, die Perspektive ist noch nicht klar, aber die Jungen reden von einer Restrukturierung der Gesellschaft um verschiedene Kerngruppen: Lehrer, Schriftsteller, Redner, die uns zu einer neuen Art des Denkens führen — und uns von diesem Tribalismus in eine bessere Zukunft geleiten.«

»In der Tat ein ›Hochland‹.« Ich bezweifelte, daß das meiste — oder überhaupt etwas! — von dieser Philosophie von Wallis selbst stammte; er war lediglich ein Spiegel seiner Zeit, die von den großmäuligen Meinungsmachern in Regierung und Gesellschaft geprägt wurde. »Und wie stehen Sie zu all dem?«

»Ich?« Er lachte verächtlich. »Oh, ich bin zu alt für solche Veränderungen — und außerdem«, seine Stimme schwankte, »würde ich es hassen, meine Töchter zu verlieren… Aber andererseits will ich sie auch nicht in einer Welt wie…« — er deutete auf die Kuppel, den toten Park und die Soldaten — »…wie dieser aufwachsen sehen! Und wenn das bedeutet, daß sich die Herzen der Menschen ändern, dann soll es eben so sein.

Sehen Sie jetzt, weshalb wir Ihre Kooperation benötigen?« fragte er mich. »Mit einer solchen Waffe wie dem ZVF — einer Zeitmaschine — rückt die Errichtung dieses Modernen Staates in greifbare Nähe. Und wenn wir es nicht schaffen…«