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Die langen Stunden, die wir in diesem schwülen gruftartigen Gewächshaus verbrachten, vergingen langsamer als je zuvor, und ich machte ein kleines Schläfchen. Als ich aufwachte, schien sich die Qualität des Grüns um mich herum verändert zu haben — es war durchsichtiger, annähernd vom Farbton des Plattnerits, und ich glaubte, die Andeutung von Sternenballungen zu erkennen — es kam mir so vor, als ob ich eher von Smaragden als von Blättern umgeben wäre.

Dann sah ich es: Es schwebte in der feuchten, düsteren Luft der Kabine, unbeeindruckt von dem Stampfen des Fahrzeugs, mit seinen großen Augen, dem vollen V-förmigen Mund und diesen herabhängenden Tentakeln, die jedoch nicht den Boden berührten. Dies war keine Einbildung — ich konnte durch es hindurchsehen, zu den Details des draußen liegenden Waldes — und es war so real wie ich, Nebogipfel oder die Stiefel, die ich auf die Bank gestellt hatte.

Der Beobachter musterte mich mit einem kühlen, analytischen Blick.

Ich verspürte keine Angst. Ich streckte eine Hand nach ihm aus, aber sie stach nur durch die Luft. Ich hatte keinen Zweifel, daß seine grünen Augen auf mein Gesicht fixiert waren. »Wer bist du?« erkundigte ich mich. »Kannst du uns helfen?«

Wenn es mich verstehen konnte, antwortete es nicht. Aber die Lichtverhältnisse änderten sich bereits; diese lichtdurchdrungene Anmutung der Luft wich wieder einem Gemüse-Grün. Dann verspürte ich ein Gefühl, als ob ich rotieren würde — dieser große Schädel war wie ein Kreisel, der sich um seine vertikale Achse drehte — und dann war es auch schon wieder verschwunden.

Nebogipfel kam zu mir in das Heckabteil, wobei seine langen Füße über den geriffelten Boden schlurften. Er hatte seine Neunzehnte-Jahrhundert-Klamotten abgelegt und ging nackt, abgesehen von seiner zerbrochenen Brille und dem weißen Haarpelz auf seinem Rücken, der inzwischen verfilzt und struppig war. »Was ist los? Bist du krank?«

Ich erzählte ihm von dem Beobachter, aber er hatte nichts dergleichen gesehen. Ich legte mich wieder auf der Bank zur Ruhe und fragte mich, ob das, was ich gesehen hatte, real gewesen sei — oder nur ein Tagtraum.

Die Hitze war drückend, und die Luft in der Kabine wurde stickig.

Ich dachte an Gödel, und an Moses.

Dieser unscheinbare Mann, Gödel, hatte die Existenz Multipler Historien ausschließlich von ontologischen Prinzipien deduziert — während ich, armer Narr, der ich bin, erst mehrere Zeitreisen unternehmen mußte, um auch nur auf diese Möglichkeit zu stoßen! Aber nun lag dieser Mann, der diese großartigen Träume von der Finalen Welt gehabt hatte, einer Welt, in der alle Bedeutung aufgelöst wird, zerschmettert und erschlagen unter einem Trümmerhaufen aus Steinen — getötet durch die Engstirnigkeit und Dummheit seiner Mitmenschen…

Und was Moses betraf, so verspürte ich einfach Trauer. Es mußte wohl dem desolaten Gefühl ähneln, das man beim Tode eines Kindes oder jüngeren Bruders verspürt. Moses war mit sechsundzwanzig gestorben; und doch war ich — die gleiche Person — noch mit vierundvierzig am Leben! Meine Vergangenheit war hinter mir gelöscht worden; es war, als ob meine Fundamente verdampft wären und ich frei in der Luft hinge. Aber darüber hinaus hatte ich Moses, wenn auch nur kurz, als eine eigenständige Person kennengelernt. Er war fröhlich, impulsiv, etwas unvernünftig — genau wie ich! — und sehr sympathisch gewesen.

Noch ein Tod, den ich zu verantworten hatte.

Nebogipfels ganzes Gerede von einer Multiplizität der Welten — all die möglichen Argumente, daß der Moses, den ich gekannt hatte, am Ende niemals ich sein sollte, sondern nur eine andere Variante von mir — nichts von alledem machte einen Unterschied hinsichtlich der Art, wie ich mich fühlte, ihn verloren zu haben.

Meine Gedanken zerflossen in halb zusammenhängende Fragmente — ich kämpfte, die Augen offenzuhalten, weil ich befürchtete, nicht mehr aufzuwachen — doch erneut schlief ich ein, überwältigt von Verwirrung und Kummer.

Als mein Name in dem seltsamen, flüssig-gutturalen Tonfall der Morlocks gerufen wurde, wachte ich auf. Die Luft war so schlecht wie zuvor, und ein neues Pulsieren, das durch die Hitze und den Sauerstoffmangel verursacht wurde, wollte sich neben den Überresten meiner früheren Beschwerden noch Einlaß in den Kopf verschaffen.

Nebogipfels zerschlagenes Gesicht war dem Waldesdunkel zugewandt. »Schau dich mal um«, verlangte er.

Über uns lastete das Grün genauso drückend wie zuvor — und doch schien sich seine Struktur verändert zu haben. Ich bemerkte, daß ich — wenn ich mich bemühte — die Rückbildung einzelner Blätter an den zahlreichen Ästen mitverfolgen konnte. Jedes Blatt verkleinerte sich, kroch in sich zusammen zu einer Knospe und verschwand im Holz in weniger als einer Sekunde, doch selbst…

»Wir werden langsamer«, keuchte ich.

»Ja. Ich glaube, daß das Plattnerit seine Energie verliert.«

Ich stieß ein Dankgebet aus — denn ich hatte wieder soviel Kraft gefunden, daß ich mir nicht mehr wünschte, auf einer atmosphärelosen, felsigen Ebene der jungfräulichen Erde zu zerschellen!

»Weißt du, wo wir sind?«

»Irgendwo im Erdzeitalter des Paläozän. Wir sind zwanzig Stunden unterwegs gewesen. Und jetzt befinden wir uns vielleicht fünfzig Millionen Jahre vor der Gegenwart…«

»Wessen Gegenwart? — meiner von 1891, oder deiner?«

Er berührte das verkrustete Blut, das noch immer sein Gesicht bedeckte. »Bei einem solchen zeitlichen Maßstab ist das kaum noch von Belang.«

Die Rückentwicklung der Blätter verlief jetzt ganz langsam — wurde fast schon statisch. Ich bemerkte, daß in gelegentlichen Schüben eine tiefere Dunkelheit aufflackerte, die sich über die vorherrschende grüne Düsternis legte. »Ich kann schon zwischen Tag und Nacht unterscheiden«, sagte ich. »Wir werden wirklich langsamer.«

»Ja.« Der Morlock saß mir auf der Bank gegenüber und packte mit seinen langen Fingern ihre Kante. Ich fragte mich, ob er sich fürchtete — er hätte auch allen Grund dazu gehabt! Ich glaubte, eine Bewegung unter dem Fahrzeugboden wahrzunehmen, eine leichte konvexe Ausbeulung unter Nebogipfels Bank.

»Was sollen wir tun?«

Er schüttelte den Kopf. »Wir können nur der Dinge harren, die da kommen. Wir haben die Lage nicht unter Kontrolle…«

Der Übergang zwischen Tag und Nacht verlangsamte sich weiter, bis er zu einem stetigen Pulsieren um uns herum wurde — wie ein Herzschlag. Das Fahrzeug ratterte und bockte und wurde von so wuchtigen Schlägen hin und her geworfen, daß die Schweißnähte platzten und sich die Stahlplatten voneinander lösten.

Plötzlich begriff ich.

Wir waren in einen Wald aus dicht beieinanderstehenden Bäumen geraten, die unser Fahrzeug zwischen sich zu zermalmen drohten, während Äste wie Arme von Riesen nach uns griffen und wieder zurückgezogen wurden.

»Sieh nach draußen!« schrie ich, streckte einen Arm aus und packte Nebogipfel an den Schultern. Er wehrte sich nicht. Ich hob ihn mit einer Leichtigkeit an, als ob er ein knochiges, haariges Kind wäre, und stolperte zurück…

…wie aus dem Nichts stand plötzlich ein Baumstamm mitten im Fahrzeug. Die Stahlplatten zerknitterten, als ob sie aus Papier bestehen würden.

Mit Nebogipfel im Arm fiel ich nach hinten gegen die übriggebliebene Bank. Mit einem markerschütterndem Krachen flog das Fahrzeug auseinander, und Trümmer des Kabinendachs stürzten auf uns herab.