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Als ich zum erstenmal Nebogipfels Beinschienen abnahm, befand sich das aufgerissene Fleisch im Heilungsprozeß. Nebogipfel testete die Funktionsfähigkeit seiner Gelenke und beanstandete, daß sie nicht korrekt gerichtet worden wären. Das überraschte mich nicht, aber keiner von uns wußte, wie man dem hätte abhelfen können. Dennoch war Nebogipfel nach einiger Zeit in der Lage, zu gehen, indem er sich eine Krücke aus einem gebogenen Ast fabrizierte.

Sein Auge indessen — das ich durch meinen Hieb in der Werkstatt des Zeitfahrzeuges zerstört hatte — regenerierte sich nicht wieder und blieb zu meinem tiefen Bedauern und meiner Beschämung blind.

In seiner Eigenschaft als Morlock fühlte sich Nebogipfel in der glühenden Sonne alles andere als wohl.

Deshalb schlief er tagsüber in der von mir errichteten Hütte und humpelte mit Hilfe seiner Krücke in der Dunkelheit umher. Ich war immer am Tage unterwegs, und so verbrachten wir unsere Wachphasen überwiegend allein. Wir trafen und unterhielten uns nur in der Morgen- und Abenddämmerung, obwohl ich gestehe, daß ich nach ein paar Wochen im Freien, der Hitze und harter körperlicher Arbeit ziemlich geschafft war, wenn die Sonne unterging.

Die Palmen hatten breite Wedel, und ich beschloß, mir einige davon zu holen, um daraus eine bessere Behausung zu errichten. Aber alle meine Bemühungen, irgendwelche Brocken in die Bäume zu werfen, blieben erfolglos, und ich hatte auch keine Möglichkeit, eine Palme zu fällen. Also mußte ich mich bis auf die Hose ausziehen und wie ein Affe den Baum hinaufklettern. Als ich erst einmal die Baumkrone erreicht hatte, war es nur noch eine Angelegenheit von wenigen Augenblicken, die Blätter vom Stamm abzureißen und zu Boden fallen zu lassen. Diese Kletterei war anstrengend. In der frischen Seeluft und der Sonne wurde ich fitter und kräftiger; aber ich bin kein junger Mann mehr und stieß daher ziemlich schnell an die Grenzen meiner athletischen Fähigkeiten.

Mit den ergatterten Blättern baute ich uns eine solidere Hütte, indem ich abgefallene Äste mit geflochtenen Palmwedeln bedeckte. Außerdem bastelte ich aus diesen Blättern einen breitkrempigen Hut für Nebogipfel. Als er im Schatten saß, diese modische Kreation auf dem Kopf und ansonsten nackt, sah er über die Maßen absurd aus.

Was mich betraf, so hatte ich schon immer einen blassen Teint gehabt, und als ich mir nach ein paar Tagen einen schlimmen Sonnenbrand eingefangen hatte, wurde ich etwas vorsichtiger. Die Haut schälte sich von Rücken, Armen und Nase. Ich ließ mir einen Vollbart wachsen, um das Gesicht vor der Sonne zu schützen, aber dafür sprangen die Lippen auf höchst unangenehme Art auf — und am schlimmsten war der starke Sonnenbrand auf der kahlen Stelle an meinem Hinterkopf. Zur Behandlung dieser Verbrennungen badete ich im Meer und trug die ganze Zeit einen Hut und das, was noch von meinem Hemd übriggeblieben war.

Eines Tages, vielleicht einen Monat später, als ich mich gerade rasierte (mit Fragmenten des Zeit-Fahrzeugs als Klinge und Spiegel) realisierte ich plötzlich die Veränderungen, die mit mir vorgegangen waren. Meine Zähne blitzten in strahlendem Weiß aus einem mahagonibraunen Gesicht, mein Bauch war so flach wie zu College-Zeiten, und ich lief so unbefangen mit einem Palmblatthut, abgeschnittener Hose und barfuß herum, als ob ich in diesem Zustand geboren worden wäre.

Ich wandte mich Nebogipfel zu. »Sieh mich mal an! Meine Freunde würden mich kaum wiedererkennen — ich verwandele mich in einen Eingeborenen.«

Sein kinnloses Gesicht blieb ausdruckslos. »Du bist ein Eingeborener. Wir sind hier in England, erinnerst du dich?«

Nebogipfel bestand darauf, daß wir die Bestandteile unseres zerstörten Zeit-Fahrzeuges aus dem Wald holten. Ich erkannte die Logik seines Ansinnens, denn ich wußte, daß wir in der nächsten Zeit jedes bißchen Material brauchen würden, insbesondere Metalle. Also bargen wir das Fahrzeug und deponierten die Überreste in einer Sandgrube. Als unsere vordringlichen Überlebensbedürfnisse befriedigt waren, verbrachte Nebogipfel viel Zeit mit diesem Schrott. Zunächst fragte ich nicht nach Einzelheiten, denn ich vermutete, daß er irgendeine Erweiterung unserer Hütte konstruierte oder vielleicht eine Jagdwaffe.

Eines Morgens jedoch, als er eingeschlafen war, studierte ich sein Projekt. Er hatte den Rahmen des Zeit-Fahrzeuges rekonstruiert; er hatte die (noch gebrauchsfähigen) Chassisteile restauriert und einen Käfig darüber errichtet, der mit Drahtstücken befestigt war, die wir von der Lenksäule gerettet hatten. Er hatte sogar diesen blauen Kippschalter gefunden, mit dem der Plattnerit-Kreis geschlossen worden war.

Als er wieder erwachte, stellte ich ihn zur Rede. »Du versuchst, eine neue Zeitmaschine zu konstruieren, nicht wahr?«

Er grub sein kleines Gebiß in Kokosnußfleisch. »Nein. Ich rekonstruiere eine.«

»Deine Absicht ist offensichtlich. Du hast den Rahmen wiederhergestellt, in dem sich der Plattneritkreislauf befunden hatte.«

»Wie du schon sagtest, es ist offensichtlich.«

»Aber das ist doch sinnlos, Mann!« Ich musterte meine schwieligen und blutigen Hände und wurde ärgerlich wegen seines Zeitvertreibs, während ich mich abkämpfte, uns am Leben zu erhalten. »Wir haben kein Plattnerit mehr. Das Zeug, mit dem wir hier angekommen sind, ist erschöpft und zudem überall im Urwald verstreut; und wir haben auch nicht die geringste Möglichkeit, wieder welches herzustellen.«

»Wenn wir eine Zeitmaschine bauen«, meinte er, »kommen wir vielleicht nicht aus diesem Zeitalter weg. Aber wenn wir keine bauen, kommen wir sicher nicht mehr weg.«

Ich grummelte. »Nebogipfel, ich glaube, daß du dich den Tatsachen stellen solltest. Wir sind hier gestrandet, in der tiefen Vergangenheit. Wir werden hier nie Plattnerit finden, weil es keine natürlich vorkommende Substanz ist. Wir können es nicht herstellen, und es wird uns auch niemand eine Probe davon vorbeibringen, weil nämlich niemand auch nur die leiseste Ahnung hat, daß wir uns fünfzig Millionen Jahre in der Vergangenheit befinden!«

Als Antwort leckte er an dem saftigen Mark seiner Kokosnuß.

»Pah!« Frustriert und zornig verließ ich den Unterstand. »Du wärst besser beraten, deine Phantasie und deinen Fleiß in die Herstellung einer Waffe zu investieren, damit ich ein paar von diesen Affen erlegen kann.«

»Das sind keine Affen«, korrigierte er mich. »Die häufigsten Spezies sind Miacis und Chriacus…«

»Egal — was auch immer sie sind —… oh!«

Erzürnt stiefelte ich von dannen.

Meine Argumente verhallten natürlich ungehört, und Nebogipfel setzte seine geduldige Rekonstruktion fort. Aber wenigstens unterstützte er mich auf mannigfaltige Art in unserem Überlebenskampf, und nach einiger Zeit akzeptierte ich allmählich die Präsenz der rudimentären Maschine, die glitzernd und komplex und ausgesucht nutzlos auf diesem urzeitlichen Strand stand.

Wir alle brauchen Hoffnung, um unserem Leben einen Sinn und eine Richtung zu geben, überlegte ich — und diese Maschine, so fluguntauglich wie ein Diatryma gigantica, stellte eben Nebogipfels letzte Hoffnung dar.

Krankheit und Genesung

Ich wurde krank. Ich war nicht in der Lage, mich von der provisorischen Pritsche aus Palmblättern und getrockneten Blättern zu erheben, die ich mir gebaut hatte. Nebogipfel war gezwungen, mich zu pflegen, eine Pflicht, der er zwar kaum nachkam, indem er ständig an meinem Bett saß, aber doch mit Geduld und Ausdauer.

Einmal, es war finsterste Nacht, verfiel ich in einen halbwachen Zustand und spürte die weichen Finger des Morlocks im Gesicht und am Hals. Ich glaubte, wieder in diesem Podest der weißen Sphinx eingeschlossen zu sein, mit den sich um mich drängenden Morlocks, die mich vernichten wollten. Ich schrie auf, und Nebogipfel wich hastig zurück; doch nicht schnell genug — ich versetzte ihm mit der Faust einen Schlag gegen die Brust. Trotz meiner Schwäche war ich noch kräftig genug, den Morlock niederzuwerfen.