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Auch hierin gehe ich mit Ihnen einig. Ich mag es auch nicht, wenn alles so überfüllt ist — und ich gebe zu, daß die Situation heute schon ein unerträgliches Stadium erreicht hat. Aber — andererseits ist es auch illegal und unethisch, hinter unserem Rücken ein Zeitreisebüro zu unterhalten, und dem sollte man Einhalt gebieten.

Was sagen Sie, Quellen — es ist ja schließlich Ihr Ressort …“

Die plötzliche Anrede kam wie eine kalte Dusche. Quellen versuchte immer noch verzweifelt, herauszubekommen, wovon eigentlich die Rede war. Er lächelte und schüttelte den Kopf.

„Keine Meinung?“ fragte Koll scharf. Quellen sah ihn an. Er war einfach nicht imstande, Koll in die stechenden Augen zu sehen, und blickte statt dessen auf die Backenknochen seines Vorgesetzten. „Keine Meinung, Quellen? Das ist wirklich bedauerlich. Das spricht aber nicht für Sie.“

Quellen schauderte. „Ich bin mit der letzten Entwicklung des Falles nicht vertraut. Ich war mit anderen Aufgaben beschäftigt, und …“

Er sprach den Satz nicht zu Ende. Seine übereifrigen Assistenten waren zweifellos bestens im Bilde, dachte er. Warum habe ich mich nur nicht erst bei Brogg erkundigt!

„Ist Ihnen bekannt, daß seit Anfang dieses Jahres viertausend Proleten spurlos verschwunden sind?“

„Nein, Sir. Ich meine natürlich, ja, Sir. Es ist nur so, daß wir bis jetzt dieserhalb nichts unternehmen konnten.“ Sehr fadenscheinig, tadelte er sich gleichzeitig in Gedanken selbst. Natürlich weißt du nichts von der Geschichte, wenn du die ganze Zeit in deinem Versteck in Afrika herumsitzt. Aber Brogg ist vermutlich genau im Bilde. Er ist sehr tüchtig.

„Nun, wohin meinen Sie, daß sie verschwunden sind?“ fragte Koll. „Vielleicht sind sie alle nacheinander in einen Transmat gesprungen und haben sich woanders nach Arbeit umgesehen. In Afrika vielleicht?“

Quellen zuckte zusammen und war verzweifelt bemüht, seine Reaktion nicht merken zu lassen.

„Ich habe wirklich keine Ahnung, Sir.“

„Dann haben Sie Ihre Geschichtsbücher nicht besonders gut studiert, Quellen. Denken Sie doch, Mann, was war die bedeutendste historische Entwicklung der vergangenen zehn Jahrhunderte?“

Ja, was wohl? dachte Quellen. Es gab so vieles, und er war immer schon in Geschichte schwach gewesen. Er begann zu schwitzen.

„Dann will ich es Ihnen sagen. Es war das Auftauchen der ‚Springer’. Und aus diesem Jahr kommen sie.“

„Natürlich“, sagte Quellen und ärgerte sich über sich selbst. Jedermann wußte um die Springer.

„Jemand hat in diesem Jahr die Zeitreise erfunden“, sagte Spanner. „Er fängt jetzt an, die Springer in die Vergangenheit einzuschleusen. Viertausend arbeitslose Proleten sind bereits verschwunden, und wenn wir ihn nicht bald dingfest machen, dann wimmelt bald unsere ganze Vergangenheit von wandernden Arbeitern aus unserer Zeit.“

„So? Das ist es ja gerade, was ich immer sage“, erklärte Koll ungeduldig. „Wir wissen, daß sie bereits in der Vergangenheit eingetroffen sind — das kann man in jedem Geschichtsbuch nachlesen. Wir können uns nur noch in den Lehnsessel setzen und zusehen, wie dieser Bursche unseren Bevölkerungsüberschuß über die ganze Vergangenheit verstreut.“

Spanner wirbelte herum und sah Quellen an. „Was meinen Sie?“ wollte er wissen. „Sollten wir diesen Burschen fangen und mit den Springern ein Ende machen? Oder sollten wir den Dingen ihren Lauf lassen, wie Koll das will?“

„Ich brauche etwas Zeit, um das alles richtig zu durchdenken“, sagte Quellen argwöhnisch. Es gab nichts, wovor er so Angst hatte wie davor, eine Entscheidung zu treffen, die einem seiner Vorgesetzten gegenüber dem anderen den Vorzug gab.

„Ich habe eine Idee“, sagte Spanner zu Koll. „Warum fangen wir diesen Halunken nicht und zwingen ihn, seine Zeitmaschine oder wie der Apparat heißt, der Regierung auszuhändigen? Dann könnten wir eine Regierungsdienststelle aufbauen und den Springern eine Gebühr dafür abnehmen, daß sie zurückgeschickt werden. Damit wäre doch alles in Ordnung. Wir hätten unseren Mann gefangen, die Regierung bekäme die Technik der Zeitreise hübsch auf einem silbernen Tablett überreicht, die Springer könnten weiterhin in die Vergangenheit reisen, und wir alle würden einen Batzen Geld an der Geschichte verdienen.“

Kolls Gesichtszüge erhellten sich. „Eine ausgezeichnete Lösung“, sagte er. „Wirklich brillant, Spanner. Quellen …“

Quellen richtete sich auf. „Ja, Sir?“

„Sie fangen sofort damit an — und zwar schnell. Fangen Sie diesen Burschen und schaffen Sie ihn auf die Seite — aber nicht bevor er sein Geheimnis herausgerückt hat. Und sobald Sie ihn haben, kann die Regierung den Transport der Springer übernehmen.“

2.

Kaum war er wieder in seinem eigenen Büro hinter seinem eigenen kleinen — aber nur ihm gehörenden — Schreibtisch, da fing Quellen wieder an, sich wichtig vorzukommen. Er läutete nach Brogg und Mikken, und die beiden Untersekretäre standen wie aus dem Boden gewachsen vor ihm.

„Freut mich, Sie wiederzusehen“, sagte Brogg säuerlich. Quellen öffnete das Ventil und ließ Sauerstoff in das Zimmer strömen, bemüht, dabei den patriarchalischen Blick nachzuahmen, den er an Koll bemerkt hatte, als dieser vor zehn Minuten das gleiche getan hatte.

Mikken nickte kurz. Quellen musterte die beiden. Brogg war derjenige, der das Geheimnis kannte — ein Drittel von Quellens Gehalt wanderte in seine Tasche, um sein Stillschweigen über das zweite geheime Haus seines Vorgesetzten zu erkaufen. Mikken wußte es nicht und interessierte sich auch nicht dafür — er war Brogg unterstellt und bekam seine Anweisungen immer von diesem, nicht von Quellen.

„Ich nehme an, daß Sie mit den letzten Fällen von verschwundenen Proleten vertraut sind“, begann Quellen.

Brogg brachte ein dickes Bündel Akten zum Vorschein. „Ich wollte gerade deshalb mit Ihnen sprechen. Es scheint, daß an die viertausend arbeitslose Proleten verschwunden sind — und das in diesem Jahr.“

„Und was für Schritte haben Sie bis jetzt zur Aufklärung der Fälle unternommen?“ erkundigte sich Quellen.

„Nun“, machte Broog und fing an, in dem kleinen Raum auf und ab zu schreiten und. sich dabei den Schweiß von der Stirn zu wischen. „Ich habe festgestellt, daß das Verschwinden dieser Leute unmittelbar mit dem Auftauchen der Springer gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts und später in Verbindung steht.“ Brogg deutete auf das Buch, das auf Quellens Tisch lag. „Ein Geschichtsbuch. Ich habe es Ihnen hingelegt. Es bestätigt meine Feststellungen.“

Quellen strich sich mit der Hand übers Gesicht und dachte darüber nach, wie es wohl sein mußte, soviel Fett im Gesicht herumzutragen wie Brogg. Brogg schwitzte ungeheuer stark, und seine Augen flehten Quellen förmlich an, das Sauerstoffventil weiter zu öffnen. Dieser Augenblick der Überlegenheit tat dem Kriposek gut, und er machte keine Anstalten, der stummen Bitte des anderen nachzukommen.

„Das habe ich bereits bedacht“, sagte Quellen. „Ich habe bereits einen Aktionsplan aufgestellt.“

„Haben Sie schon mit Koll und Spanner gesprochen?“ erkundigte sich Brogg unverschämt. Seine Wangen zitterten dabei.

„Das habe ich“, sagte Quellen so entschlossen, wie er das nur fertigbrachte, und gleichzeitig verärgert darüber, daß Brogg ihn so leicht seines Triumphes beraubt hatte. „Ich möchte, daß Sie den Halunken aufspüren, der diese Springer in die Vergangenheit schleust. Bringen Sie ihn hierher. Ich möchte, daß er festgenommen wird, ehe er auch nur noch einen Menschen in die Vergangenheit schickt.“