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»Vielleicht ein Ablenkungsmanöver?«

»Unwahrscheinlich – aber möglich!«

Einige Posten hatten ihre Plätze verlassen und sahen dem Schauspiel zu. Der Major verteilte Strafpunkte und wies sie an ihre Plätze zurück. Sie gingen widerwillig.

Das Rennen war erregend. Es war dazu angetan, die Situation vergessen zu lassen. Einige Fahrzeuge wurden aus den Kurven getragen und gerieten auf den Seitenstreifen. Ein Aufschrei aus vielen Kehlen klang durch die Helmlautsprecher (so gefährlich es aber auch aussah – keines der Fahrzeuge kippte um, sie glitten nur beiseite und fuhren dann selbsttätig wieder auf die Bahn, um das Rennen fortzusetzen), und danach wurden Anfeuerungen laut, Bemerkungen, Rufe, und die Unteroffiziere mußten durchgreifen, auf Ordnung dringen, aber ohne den gewünschten Erfolg.

»Schaut! Der Oberst!« Diesmal hatte Josef die Wellenlänge eingeschaltet, auf der sie sich ungestört unterhalten konnten (eine Maßnahme, die kein Privileg war, sondern ihrer späteren Aufgabe dienen sollte).

Der Oberst hatte das Visier des Helms hinaufgeschoben und hob ein Fernglas an die Augen.

»Wenn er schon selbst demonstriert, daß er von den Schutzmaßnahmen nichts hält, dann wird er sie nicht mehr lange durchsetzen können!«

Der Offizier meldete sich wieder. »Ich glaube, wir sollten uns die Sache aus der Nähe ansehen. Vielleicht gibt es Gelegenheit, einen der Einwohner festzunehmen. Dan, Pavel und Josef, kommen Sie! Die anderen bleiben hier!«

Sie zogen los. Etwa zehn Mann, die der Oberst bestimmt hatte, schlossen sich an. Sie überquerten Spielfelder, kletterten über Dämme, stapften durch Flächen, die kniehoch mit weichem Sand bedeckt waren, und näherten sich der nächstgelegenen Bahnkurve.

»Da sind sie wieder, die schwarzen Stäbe!« rief Josef.

Er hatte recht, direkt in der Kurve standen einige nahe beisammen, einige reichten hoch hinauf, andere ragten nur wenig aus dem Sand heraus, und auch längs der Bahngeraden waren einige zu sehen.

»Eine Übertragungsanlage«, meinte Josef. »Fernsehen. Sie verfolgen das Rennen. Wahrscheinlich ist es ein großes Ereignis.«

»Ein großes Rennen ohne Publikum?«

»Auch bei uns gehen die Besucherzahlen zurück«, sagte Dan. »Es ist die logische Folge guter Übertragungen. Niemand setzt sich noch ans Spielfeld.«

Aus dem allgemeinen Kanal drangen Rufe:

»Der Grüne liegt vorn!«

»Hat eine tolle Fahrt drauf!«

»Der Violette überholt ihn noch – was wetten wir!«

»Ich setz auf den Grünen!«

»Der Rote wird letzter«, sagte der Oberst. »Er liegt weit zurück!«

»Interessieren Sie sich für Autorennen?« fragte Sonja.

»Nein«, antwortete der Oberst. »Aber den letzten holen wir uns! Er kommt hier vorbei. Geht in Deckung!«

Er hatte recht. Die Kurve war nicht weit von der Zielgeraden entfernt. Die ersten Renner, die noch eng beisammenlagen und sich gegenseitig überholten, jagten jetzt heran.

Sie lagen hinter der Böschung, hörten das Heulen der wilden Jagd, ein Funkenregen sank auf sie nieder.

»Sie sehen uns trotzdem«, bemerkte Dan und deutete auf die schwarzen Stäbe.

»Keine Sorge«, antwortete der Oberst und gab seiner Mannschaft einige Anweisungen. Als sich die letzten Automobile näherten, zogen die Männer die Pistolen und mähten die Fernsehaugen um. Als der Vorletzte vorbei war, sprangen zwei auf die Fahrbahn und legten an der Mittelschiene der Innenbahn eine Tellermine. Als der letzte Wagen die Stelle erreichte, gab es einen Feuerschlag, das Fahrzeug wurde hochgeschleudert und aus der Kurve getragen. Es prallte gegen die Böschung, überschlug sich mehrmals und blieb liegen – es hatte ein Rad verloren, die rechte Wand war aufgerissen, die Vorderfront eingebeult. Doch es brannte nicht.

Die Soldaten rannten mit gezogenen Pistolen los, umzingelten das Fahrzeug. Sie näherten sich nun langsam, zwei sprangen vor und hoben das eingedrückte Dach ab. Es gab keinen Fahrersitz und kein Lenkrad – an dessen Stelle saß ein metallener Kasten, aus dem eine Drahtleitung lief. Sie führte zu einer Antenne, die jetzt völlig verbogen war. Sonst war der Wagen leer.

*

Ist Ihnen in diesen ersten Stunden im Innern der Stadt etwas aufgefallen – etwas Ungewöhnliches, irgendein Einfluß auf die Mannschaften oder auf Sie selbst?

Nichts Besonderes.

Wie war die Stimmung?

Gut.

Bei allen?

Ich denke, ja.

Hatte das ungewohnte Milieu nicht gewisse Auswirkungen?

Niemand hatte den Eindruck einer unmittelbaren Gefahr.

Aber es gab doch einige ungewöhnliche Ereignisse – zum Beispiel das Auftauchen der schwarzen Stäbe.

Ich glaube, daß alle Angehörigen der Vorhut sorgfältig ausgesucht und geschult waren. Sie hätten mit viel schlimmeren Dingen fertigwerden können.

Wie erklären Sie sich dann die Disziplinlosigkeiten?

Vielleicht lag es daran, daß nichts geschah. Alle brannten vor Ungeduld, am liebsten wären sie in die Stadt einmarschiert. Aber es gab nur Langeweile, tatenloses Warten.

Als Dreizehnjähriger, während Ihrer Kadettenzeit, sind Sie einmal für drei Tage aus einem Ferienlager entwichen. Wissen Sie noch, warum?

Ich erinnere mich nur noch dunkel – ich glaube, ich hatte romantische Ideen, wollte ein ungebundenes Leben führen.

Die Angehörigen des Teams für Sonderaufgaben haben sich eines Verstoßes gegen die Dienstordnung schuldig gemacht. Sie benutzten den allgemeinen Kanal, um sich über Dinge zu unterhalten, die nicht für die Mannschaften bestimmt waren.

Es ist nur einmal geschehen – ein Versehen.

Wirklich nur einmal? Könnte nicht vielleicht auch die Rundfunksendung, die Sie des Nachts abhörten, in die anderen Zelte übertragen worden sein?

Nein.

Auch nicht aus Versehen?

Nein... kaum... niemand hat etwas darüber gesagt. Auch nicht der Oberst.

Der Oberst hat an diesem Abend fest geschlafen.

*

»Fertigmachen für eine Erkundungsfahrt in die Stadt. Es nehmen teiclass="underline" Transporter 1 und 3, ein Lafetten wagen und die Sonderabteilung. Alle anderen halten den Lagerplatz besetzt. Den Befehl hat der OvD.«

Die Fahrzeuge kamen gut voran. Nur selten mußten sie Hindernissen ausweichen, einmal einem Wasserbecken, einmal den Aufbauten eines Schießstandes. Das Gelände, so vorbildlich es angelegt war, machte einen toten Eindruck. Es gab keinen Baum und keinen Strauch, keine Grünfläche, man sah keinen Vogel und kein Insekt. Und nirgends ließ sich ein Mensch blicken.

Die Mauern der Gebäude rückten näher. Es zeigte sich, daß die Zwischenräume zwischen den einzelnen Blocks viel größer waren, als es von ferne den Anschein gehabt hatte – keine Schluchten, sondern steile Täler, terrassenförmig untergegliedert. Während die Wandfläche selbst silbergrau schimmerte, hatten die Balustraden einen anthrazitfarbenen Ton. Es war nicht zu erkennen, wie man die höheren Stockwerke erreichen sollte, doch gab es am Fuße der Bauwerke quadratische Öffnungen, die ins Innere führten.

Die Kolonne blieb am Grund des Tals, in der Mitte der Straße. Die Ränder waren von Schienen gesäumt, auf denen in Abständen von etwa zwanzig Metern flache, elliptische Fahrzeuge standen, oben und vorne offen, mit zwei Sitzen nebeneinander.

Die Soldaten folgten der eingeschlagenen Richtung noch zehn Minuten, dann erreichten sie eine Querstraße. Sie fuhren geradeaus weiter bis zur nächsten Querverbindung und wieder zur nächsten. Sie bogen nach links, umrundeten den Block, erreichten die schon benutzte Straße wieder – es hätte irgendeine andere sein können, sie unterschied sich durch nichts von den übrigen.

Josef arbeitete am Peilgerät, er fing vielerlei Signale auf, Stimmen, die sangen, rezitierten, flüsterten, forderten, Musik, schläfriges Klingen, aber auch aufpeitschendes Trommeln, dazwischen immer wieder eine dunkle Männerstimme, die Anweisungen gab: