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Er hätte sein Erlebnis mit Sonja gern für sich behalten. Es hatte nichts mit den weiteren Geschehnissen zu tun, betraf nur sie beide. Sie hatten nie davon gesprochen, waren mit keiner Andeutung, keiner Geste darauf zurückgekommen.

Er hatte versucht, zu schweigen, aber als der Arzt mit der Spritze kam, hatte er geredet. Vielleicht hatte er Angst, zu viel zu sagen, mehr, als wirklich gewesen war. Er hatte von Sonja gesprochen, und zwanzig Sachverständige hatten zugehört, Notizen gemacht, Tonbandaufzeichnungen. Der Arzt hatte weggesehen, das blonde Mädchen gelacht. Wo war sie jetzt? Beobachtete sie ihn durch ein Loch in der Wand?

Er hatte alles erzählt, als ob es wirklich geschehen wäre, und war sich doch nicht sicher.

Und selbst, wenn es stimmte, so bedeutete es nichts. Er war überzeugt, daß sie ihn nicht geliebt hatte, sie hatte keinen von ihnen geliebt. Es war eine Geste des Vertrauens, der Zusammengehörigkeit gewesen, vielleicht aus einem Gefühl der Einsamkeit heraus, und dazu die schmeichelnde Musik, die fordernde Stimme...

Doch das alles konnte doch nicht der Grund dafür sein, daß man ihn hier festhielt – es war keine Verletzung der Dienstordnung, um derentwillen man zwanzig Offiziere bemüht.

Was war es?

Wußte es die blonde Krankenschwester?

Er stand auf und trat an die Tür ihres Zimmers.

Wenn sie es mir nicht verraten will, so prügle ich es aus ihr heraus, nahm er sich vor.

*

»Ich gebe Ihnen einen Wagen und zehn Mann als Begleitschutz«, sagte der Oberst. »Den Befehl hat Leutnant Roszanue. Er steht Ihnen zur Verfügung. Sie können sich frei im Gelände bewegen, ich lege Ihnen keinerlei Beschränkungen auf. Ich bitte Sie nur um Vorsicht. Wir bleiben in Funkverbindung. Halten Sie mich auf dem laufenden. Viel Glück!«

Eine halbe Stunde später befanden sie sich an der Gebäudefront, auf der Suche nach einem Eingang. Es sah so aus, als ob es im Parterre keine Eingänge gäbe, und sie stiegen vom Wagen, um sich zu Fuß umzusehen. Die Soldaten blieben bei den Fahrzeugen.

Um an das Gebäude heranzukommen, mußten sie den Weg überqueren, in dessen Mitte die Führungsschiene für die kleinen zweisitzigen Wägelchen lag. Als sie sich näherten, setzten sich die Fahrzeuge in Bewegung. Auf der einen Seite des Mittelstreifens ging es nach links, auf der anderen nach rechts, in flottem Tempo, lautlos, ein Wagen hinter dem anderen.

»Wollen wir fahren?« fragte Tibor.

»Wo ist die Haltestelle?«

»Vielleicht hier?« Josef berührte einen Metallpfahl, einen von vielen, die die Schienenbahn in regelmäßigen Abständen säumten. Zuerst war keine Reaktion zu sehen, doch dann beschleunigte eine herankommende Sitzgondel ihr Tempo, rückte an die vordere auf, hielt dann vor der Rufsäule, blieb stehen, bis der nächste Wagen herankam, setzte sich in Bewegung, beschleunigte und nahm weiter vorn den Mittelplatz zwischen ihren Nachbarn wieder ein.

»Du hättest Zeit genug zum Einsteigen gehabt!«

»Wollen wir es versuchen?«

»Haben wir nichts Besseres zu tun?«

»Es ist gleichgültig, wo wir ansetzen; warum nicht hier? Ich wette, wir lernen eine Menge.«

Josef hatte die Kontaktscheibe wieder niedergedrückt. Das Schauspiel von vorher wiederholte sich. Josef stieg ein, setzte sich, Greg folgte ihm. Schon fuhren sie ab.

»Kommt ihr mit? Oder bleibt ihr da?«

»Wir sollten uns nicht trennen!«

Zehn Minuten später beherrschten sie ihr neues Fortbewegungsmittel. Es gab eine Kontaktscheibe an der Seitenwand, einen Schalter, der die Gondeln zum Halten brachte. An den Kreuzungsstellen ging es normalerweise geradeaus, doch konnte man auf eine Querschiene einschwenken, wenn man einen Hebel nach rechts oder nach links stellte. Von dieser Querschiene wechselte dann ein Wagen auf die Schiene der ursprünglichen Richtung, so daß die Fahrtordnung beibehalten blieb. Verließ man die Bahn und auch den daran anschließenden Wegstreifen, so hielt die Kette der Fahrzeuge an.

»Das System ist idiotensicher«, sagte Pavel. »Ich wette, der Zugang zu den oberen Etagen ist ähnlich leicht.«

Sie waren einige Male um den Block gefahren, an den Soldaten vorbei, die ihnen zweifelnd nachsahen. Dann hatten sie eine Erkundungsfahrt gegen das Zentrum gemacht, ohne etwas entscheidend Neues zu finden.

»Versuchen wir es! Ich glaube nicht, daß wir uns in Gefahr begeben.«

Sie hatten keinen Leiter, sie waren ein Team ohne Befehlshierarchie, gerade von der richtigen Größe, um funktionsfähig zu sein. Jeder konnte das Kommando übernehmen, wenn es um Fragen seiner Spezialfächer ging, aber selbst dann erteilte niemand Befehle. Normalerweise gab es nur Vorschläge, denen alle folgten oder, wenn es einen triftigen Einwand gab, auch nicht.

Jetzt gingen sie die Gebäudefront entlang, und es war nicht schwer, einen ähnlichen Kontaktschalter zu finden wie jenen für die Gondelbahn. Er befand sich in einer Vertiefung an der Mauer, um ihn herum im Boden eine leichte Rille, die im Rechteck herumlief.

»Stellt euch hier herein!« Josef drückte den Schalter nieder – aus der Rille erhob sich eine Glaswand, schloß sie ein, der Boden hob sich, und sie fuhren in einer durchsichtigen Kabine schräg aufwärts. Die Straße fiel unter ihnen zurück, die gegenüberliegende Mauerfront entfernte sich. Plötzlich hielten sie sanft, die Glaswand versank im Boden, sie standen auf einer Terrasse, vielleicht 100 Meter hoch, ein hüfthohes Geländer schirmte sie ab.

»Hast du uns gestoppt?«

»Ja, ich habe den Mechanismus ausprobiert. Er ist ganz einfach: unter diesem Plättchen erscheinen Leuchtziffern – man drückt darauf, und der Aufzug hält. Wollt ihr noch höher?«

»Nein! Sehen wir uns um!«

Es war eine einfache Eingangsöffnung ohne Tor oder sonstige Sperre. Sie führte in einen langen Korridor, der geradeaus ins Innere lief, von einem Lumineszenzstreifen an der Decke diffus beleuchtet – nicht sehr hell, aber ausreichend. Er war völlig leer, auch Türen waren nicht zu bemerken. Sie folgten ihm mehrere Minuten, das Tageslicht versiegte hinter ihnen, bis nur noch ein helles Quadrat zu sehen war. Da endete die gerade Strecke, ein Quergang führte nach links und rechts.

»Gehen wir weiter?«

»Was sonst?«

»Werden wir zurückfinden?«

»Kein Problem.«

»Besser, wir markieren den Weg.«

Greg zog einen Filzstift aus der Jackentasche und zeichnete einen Pfeil auf den makellos sauberen Boden.

Sie wandten sich nach links.

Ein leichter, warmer Luftzug war zu verspüren, der aus dem Inneren kam.

»Eine Ventilation.«

»Dieses Riesengebäude muß eine Klimaanlage besitzen.«

»Hört ihr nichts?«

Sie lauschten.

»Es kommt von hinten!«

»Nein, von vorn.«

Plötzlich ein lauteres Geräusch, ein Kratzen und Winseln.

Tibor spurtete los, bis zu einer Gangkreuzung. »Da war ein Mensch!«

Die anderen rannten ihm nach. Der Gang war leer.

»Wo ist er?«

»Dort vorn... verschwunden!«

»Hast du dich nicht getäuscht?«

»Sicher nicht!«

»Sehen wir nach!«

Wieder zeichnete Greg einen Pfeil auf den Boden.

»Seht, ich habe recht gehabt!«

Wieder eine Gangmündung, diesmal schmaler, niedriger.

»Hier muß er untergetaucht sein.«

»Hat er dich gesehen?«

»Ich weiß es nicht, sah ihn nur von hinten.«