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Wieder ein kaum vernehmbares Wischen.

»Das kam bestimmt von hinten!« Sonja lief zurück. Dan folgte ihr. Die anderen blieben unschlüssig stehen.

Die beiden standen wieder an der Kreuzung. Nichts zu sehen. Leere Gänge in drei Richtungen.

»Da! Der Pfeil ist verschwunden!«

»Kommt her!«

»Da muß es gewesen sein!«

»Greg, weißt du noch genau, wo du den Pfeil hingezeichnet hast?«

»Hier.« Er kniete am Boden, suchte nach einer Spur. Nichts.

»War jemand hier?«

»Wieder ein Automat? Eine Art Reinigungsdienst vielleicht – Boden und Wände nicht beschmutzen! Das wird es sein!«

Sonja gab einen flüsternden Laut von sich, packte Pavel, der neben ihr stand, am Arm. Jetzt sahen auch die anderen: Auf einem Rollstuhl näherte sich eine Gestalt, glitt vorbei, unwillkürlich wichen sie zurück. Das Gefährt mit seiner Last verschwand hinter einer Ecke.

Greg faßte sich zuerst, rannte hinterdrein, prallte zurück – vor ihm war eine Wand heruntergegangen.

*

Es stand also fest, daß es noch Menschen in der Stadt gab.

Ja.

Warum haben Sie den Mann mit dem Rollstuhl nicht aufgehalten?

Er fuhr nicht besonders schnell. Wir hätten ihn leicht eingeholt. Wir wollten wissen, wohin er fuhr.

War das wirklich Ihre Überlegung gewesen? War es nicht vielmehr die Überraschung? Oder wollten Sie ihn schonen?

Wir waren überrascht. Es kam unerwartet. Wir hatten keinen Grund, ihn zu schonen, aber auch keinen, ihn zu verletzen.

Hat jemand eine Waffe gezogen? Es hätte sich um einen Angriff handeln können.

Ich kann mich nicht erinnern... ich glaube nicht... doch: Sonja hielt eine Pistole in der Hand.

Sie schoß nicht.

Nein.

Hat sie jemand daran gehindert?

Nein. Es gab keinen Grund zum Schießen.

Was haben Sie nach der Begegnung unternommen?

Wir haben die Sperre, die heruntergelassene Wand, untersucht.

Das Ergebnis?

Massiver Kunststoff.

Zu massiv, um ihn aufzusprengen?

Kaum.

Warum haben Sie nicht gesprengt?

Wir konnten es später immer noch tun.

Können Sie Lärm gut vertragen? Erschrecken Sie bei einem plötzlichen Geräusch?

Lärm macht mir nichts aus, auch kein überraschender Schuß.

Was geschah dann?

Wir sind auf dem schnellsten Weg zum Lager zurückgekehrt.

Eine Flucht?

Die Konsequenz logischer Überlegungen. Wir mußten die Nachricht weitergeben.

Warum nicht per Funk?

Die Verbindung war unterbrochen. Nein, wir mußten zurück. Die Kameraden waren ahnungslos...

... und benahmen sich leichtsinnig.

Alles sah unbedenklich aus.

Zwei Tage ohne Feindberührung berechtigen nicht zum Leichtsinn. Die Männer haben sich ohne Erlaubnis vom Lager entfernt, sie haben die Sportanlagen benützt. Einige sind bis zur Gondelbahn vorgedrungen und haben Vergnügungsfahrten unternommen.

Darauf hatten wir keinen Einfluß.

Die Soldaten haben – trotz Verbots – stadteigene Sender abgehört.

Möglich.

Wie wurden ihnen die Wellenlängen bekannt?

Es waren die üblichen Wellenlängenbereiche, die auch wir benützen. Man brauchte nur an den Knöpfen zu drehen.

Und die Modulation?

Sie hatten einen Sender gefunden, der unsere Art der Modulation benützte.

*

Sie waren ihm nicht freundschaftlich gesinnt, das stand fest, sie sahen keinen Helden in ihm, sie versuchten, ihn zu überführen... Verrat, Sabotage, fehlerhaftes Verhalten...

Doch er hatte keinen Fehler gemacht – keiner des Teams hatte sich falsch verhalten. Sie alle waren dem Plan gefolgt, hatten so gehandelt, wie sie es gelernt hatten, waren nicht abgewichen, hatten sich keine eigenen Gedanken erlaubt, kein Ausbrechen aus dem Schema der bedingten Befehle... und doch – sie hatten ihr Ziel nicht erreicht. Ihr Wissen, ihre sorgfältig übertragenen Kenntnisse, Zehntausende von Daten, Verfahren, Lösungswege hatten nichts genützt. Nicht, daß sie sie falsch angewandt hatten – sie waren gar nicht dazu gekommen, sie anzuwenden. Sie hatten so gehandelt, wie man es ihnen eingedrillt hatte, und gerade deshalb falsch gehandelt. Lag der Fehler in der Wissenschaft oder in der Technik? Mußte er alles durchforschen, was er gelernt hatte, um ihn zu entdecken? Stimmte die Mathematik nicht, die Logik, die Kybernetik? Lag es an falschen Daten, an Approximationen, an Fehlergrenzen, an unerlaubten Verallgemeinerungen? Lag es in einem Irrtum, an einer Gedächtnislücke, an einem Übertragungsfehler, an einem mangelhaften Code? Lag es im Prinzip – in der Anwendbarkeit, an der Übertragbarkeit, an der Deutung? Lag es am Menschen oder an der Maschine?

Sie hatten sich mehrfach gesichert.

Theorie.

Experiment.

Zahllose Berechnungen, zahllose Versuche.

Das Durchspielen im mathematischen Modell. Die Simulation. Der Test. Vortäuschung der Wirklichkeit. Übung am realen Objekt.

Entscheidungssimulationen machen die strategische Grundproblematik deutlich. Umgekehrt dienen sie der gruppendynamischen Untersuchung des ausgewählten Teams.

Während der Simulation wird das Verhalten der Teammitglieder untereinander, ihre Einstellungen, Spannungen, Bedürfnisse und Kommunikationen, untersucht. Das Ergebnis bildet die Grundlage für die Aufstellung eines Persönlichkeitsmodells. An diesem werden weitere, durch Tests nicht erfaßbare Situationen und Konstellationen durchgespielt.

Jede Gruppe erarbeitet ihre Kriterien selbständig, bestimmt ihre Ziele und Präferenzordnungen. Im Laufe des Versuchs revidiert sie ihre Kriterien nach partiellen Optimierungen und sequentiellen Lernprozessen –

Mathematik

Logistik

Semiotik

Informationstheorie

Codierungstheorie

Boolesche Algebra

Automatentheorie

Theorie adaptiver Systeme

Regelungstheorie

Spieltheorie

Systemkomplextheorie

Organisationskybernetik kybernetische Pädagogik

Theorie der Beeinflussung

Regierungstheorie – geschlossene Denkmodelle, logische Abhängigkeiten, kausale Erklärungen, Wechselbeziehungen und Kreisrelationen, das Weltbild hat sich geschlossen, die Übersicht ist lückenlos, die Wissenschaft ist unteilbar, ihre Aussagen sind unwidersprüchlich formulierbar, allumfassend praktikabel...

Wo lag der Fehler?

Nicht in den Praktiken, Routinen, Denkweisen, nicht in den wissenschaftlichen Methoden. Energetische und informationelle Größen. Physikalische, biologische, soziologische Systeme. Die Modelle sind allgemeingültig, die Theorie operiert auf höchster abstrakter Ebene, die Schemata sind beliebig einkleidbar, die Schlüsse zwingend, die Resultate übertragbar. Es gibt keine verborgenen Parameter, keine Unschärfen, keine singulären Stellen, der Anwendungsbereich ist unendlich, die Gültigkeit universell. Das Unbekannte ist vorweggenommen – das leere Schema mit Daten füllen ins Konkrete gehen

Konstanten bestimmen

Meßwerte einlesen

Realität als Variationsproblem optimieren maximieren

Wendepunkte bestimmen numerische Lösungen suchen

Zeichenreihen

Listen

Zuordnungen die Wirklichkeit als Spezialfall des Denkbaren

Vielleicht lag hier der wunde Punkt? Das Spektrum der Möglichkeiten, das realisierte Weltmodell, der Zusammenhang nicht ein-eindeutig, das Einzelne liegt dem Unendlichen eingebettet, das Unendliche läßt stets noch Varianten zu. Der Schluß vom Allgemeinen aufs Spezielle? Irrtum der Philosophie?

Ihr System war eine stabile Lösung des Problems, aber es war nicht die einzige, es gab andere. Dann aber taugte das Argument der Stimmigkeit nichts mehr, oder es galt ebenso für jede andere Lösung, aber nur eine konnte die beste sein, aber welche Kriterien zur Wertung heranziehen, der Katalog der Kriterien war erschöpft, gab es andere, aber in welchen Bereichen, dann verlor ihre Lösung den Rang einer Zielvorstellung, dann waren andere Realisationen gleichwertig, und die Sicherheit, die bisher den vieldimensionalen Raum der gesellschaftlichen Fragen als Koordinatennetz durchzogen hatte, erwies sich als leeres Schema.