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Das Geräusch, das ihn geweckt hatte – ein kaum vernehmbares Hallen, Luftzug... Schritte.

»Gut, daß Sie nicht angerufen haben. Die Sache hat Staub aufgewirbelt. Nein, nein, man beobachtet mich nicht... trotzdem...« Pamela setzte sich zu Daniel ans Bett. Sie zog ihren Karatekittel aus, legte ihn sorgfältig zusammen, angelte mit dem Fuß den Schemel heran, legte die Jacke darüber. Sie ließ die Sandalen fallen, schob sie unter das Lager. Als sie zu Daniel unter die Decke schlüpfte, streifte sie auch die halblange Hose ab. Sie trug keine Unterwäsche, schmiegte sich nackt an Daniel, dessen Erschöpfung weder eine Geste der Abwehr noch der Ermunterung zuließ.

»Oder haben Sie unsere Verabredung vergessen?« Sie stützte sich ein wenig mit dem Ellbogen hoch, blickte Daniel ins Gesicht.

»Das war etwas viel am ersten Tag, nicht wahr? Alles ungewohnt, niemand, mit dem man reden kann.« Sie ließ sich wieder aufs Kissen zurücksinken, schlang ihren Arm um Daniels Brust. Ihr Körper war warm und weich – ihn zu fühlen, war wie ein heißes Bad, angenehm, doch einschläfernd.

»Aber Sie sind nicht allein. Sie werden mir alles erzählen? Was für ein Glück für Sie, daß Sie mich getroffen haben! Ich stecke noch nicht so tief drin. Wir passen gut zusammen, glaube ich.«

Sie drückte sich an ihn, begann ihn zärtlich zu streicheln.

»Wirklich, ich rate Ihnen, lassen Sie sich nicht zu schnell überreden! Sie wären der Typ dafür.«

Durch seine Müdigkeit hindurch spürte er langsam die Erregung hochsteigen. Er überlegte, ob er sich nicht vielleicht doch noch fünf Minuten wach halten könnte. Er legte seine Hand an ihre Hüfte, ließ sie tiefer gleiten und beobachtete an sich selbst, daß sein Herz klopfte und die Müdigkeit nachließ.

»Sie brauchen keine Bedenken zu haben – man ist völlig korrekt. Das Prinzip der Freizügigkeit... man nimmt es hier genau. Sie merken es an mir, nicht wahr?« Wie zum Beweis drehte sie sich halb über ihn, und er hatte Mühe zu atmen. Wenn sie sich ganz auf mich legt, dachte er, werde ich auf angenehme Weise erdrückt...

Plötzlich blinzelte er – der Raum schien heller geworden zu sein, mühsam schob er Pamela von sich herab und hob den Kopf. Die perlgraue Wand war verschwunden, man blickte in einen andern Raum: drei Kyborgs höherer Grade saßen ihm zugewandt, zwei von ihnen hatten noch menschliche Köpfe, der dritte war mit einem Weitwinkelobjektiv an einem Schwenktubus ausgestattet.

»Wir hoffen, Sie hatten einen schönen Tag.«

Daniel war irritiert, doch da der Gruß höflich klang, murmelte er eine Zustimmung.

»In Ihrem Protokoll besteht eine Lücke... Wir kommen nicht weiter im Programm – Sie verstehen.«

Daniel verstand nicht. Er fühlte, wie sich Pamela unter der Decke verkroch, doch offenbar nicht aus Angst, denn sie tätschelte und kitzelte ihn da und dort – vielleicht erschien es ihr nur peinlich, erkannt zu werden, oder sie wollte sich einfach gegen die Störung abschirmen. Daniel entschloß sich zu einem höflichen Protest.

»Es ist spät«, sagte er. »Ich bin sehr müde... muß es jetzt sein? Ich stehe Ihnen gern zur Verfügung... vielleicht morgen. Ich würde Sie bitten...«

»Nur ein paar kurze Fragen. Wir sind sofort fertig, eine pure Formalität!«

Pamela, die unter der Decke unruhig umherrückte, flüsterte ihm etwas zu, was er nicht verstand.

»Sie brauchen uns nur eine Auskunft zu geben. Sie kamen um 14 Uhr 30 hier an, haben sich aber erst um 15 Uhr 52 in der Zentrale gemeldet. Bitte, sagen Sie uns, wo Sie sich aufgehalten haben, wir stören Sie dann nicht mehr.«

Daniel seufzte und machte sich darauf gefaßt, noch länger in dieser peinlichen Lage ausharren zu müssen. Er versuchte zu berichten, wollte sich kurz fassen, hatte Schwierigkeiten, die wesentlichen Punkte herauszugreifen, schob Erklärungen dazwischen, stockte, wußte nicht mehr, wie weit er gekommen war, und wurde unsicherer, je länger er sprach. Als er den Verlust seiner Tasche schilderte, meinte er, einen Ausdruck des Hohns oder des Unglaubens in den Gesichtern zu erkennen, und als er bei seiner Flucht aus dem Saal mit den monströsen Geschöpfen ankam, flüsterte ihm Pamela – die sich schon seit einiger Zeit still verhielt – zu, er solle nichts von der Begegnung mit ihr erwähnen, und er kam ins Stocken, da er Mühe hatte, sich schnell genug etwas auszudenken, was seine Rückkehr in die Ankunftshalle erklären mochte.

Als er verstummt war, blieben auch seine drei Gesprächspartner für eine Weile still, dann sagte einer – er erkannte nicht welcher:

»Ihr Abenteuer mit der verlorenen Tasche... haben Sie es richtig wiedergegeben? Sie wollen doch nicht ernstlich behaupten, jemand hätte... Das ist einfach undenkbar, es kommt nicht vor. Wollen Sie nicht lieber offen sagen, wo Sie Ihre Tasche versteckt haben?«

Daniel versicherte, es wäre genauso gewesen, wie er es berichtet hatte, doch er merkte, daß ihm die andern nicht glaubten, sie hörten nicht einmal zu, gerade, daß sie ihn nicht unterbrachen, und er mußte sich eingestehen, daß die Begebenheit, in Worte gefaßt, höchst unglaubwürdig wirkte, geradezu phantastisch schien, er selbst mußte sich fragen, ob er nicht einer Sinnestäuschung erlegen war, aber er schüttelte diesen Gedanken ab, der sich einzuschleichen versuchte, gewiß, er war verwirrt gewesen, die ungewohnte Umgebung, der Verlust der Übersicht, der Unmut über sich selbst, weil er dem Fremden ausgeliefert war, der ihm immer unsympathischer wurde, dem er am liebsten davongelaufen wäre, es aber nicht wagen durfte, da er nicht wußte, wie er zurückfinden sollte, das unterschwellige Unbehagen darüber, etwas Wichtiges unterlassen zu haben, nämlich die Anmeldung, die Tatsache, daß er sich auf ein Abenteuer eingelassen hatte, sich gewissermaßen illegal in fremdem Territorium aufhielt, vielleicht sogar der Gedanke, sich unter Wasser zu befinden, abgeschlossen von der freien Luft der Städte, schließlich noch eine dumpfe Bedrückung, die tief in ihm saß, die er mit sich herumschleppte, deren Ursprung er nicht kannte – dennoch, er hatte es erlebt, er war Herr seiner Sinne, er hatte sich nicht täuschen lassen, auch die verlorene Zeit sprach dafür, Pamela hatte ihm geglaubt, ihn keineswegs für einen Lügner gehalten oder für einen Phantasten. Er unterbrach sein Gestammel in einem Anflug von Auflehnung und rief:

»Warum glaubt ihr mir nicht! Weshalb sollte ich eine Geschichte erfinden, die peinlich genug für mich ist? Ich hätte viel mehr Grund, mich zu beschweren: Ich habe das Recht darauf, vor Gewalttätigkeiten geschützt zu werden. Meine Tasche hätte mir längst zurückgegeben werden müssen.«

»Sie haben den Verlust nicht angezeigt«, antwortete einer der Kyborgs. »Das ist ungewöhnlich. Hätte jemand ein solches Abenteuer wirklich zu bestehen, er würde nicht zögern, Alarm zu schlagen. Nicht nur aus persönlichen Gründen – der Gemeinschaft halber. Es würde ja bedeuten, daß ein Entarteter frei herumliefe. Warum haben Sie den Vorfall nicht angezeigt?«

»Ich wußte nicht, wo, kenne mich hier nicht aus. Ich nahm es nicht so tragisch«, fügte er lahm hinzu.

»Und später, in der Anmeldung? Sie hätten es bloß mitzuteilen brauchen, und schon hätten die Recherchen begonnen.«

»Wie sind Sie überhaupt zurückgekommen – wenn es stimmt, daß Sie die Übersicht verloren haben?«

Pamela sagte nichts, aber sie kniff ihn in den Oberarm, offenbar als Signal, nichts über sie zu sagen. Unter den gegebenen Umständen wäre es Daniel lieber gewesen, er hätte offen sprechen können, und er war auch versucht, es zu tun, aber er besann sich darauf, daß es den denkbar schlechtesten Eindruck gemacht hätte, wäre er jetzt mit einer anderen Version der Geschichte gekommen, einer Version, die überdies nicht erklärte, wo die Tasche geblieben war, dafür aber bewies, daß sein Bericht nicht lückenlos gewesen war, vermuten ließ, er versuche hinter einem Lügengespinst etwas zu verbergen.