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Larry zog Daniel außer Hörweite. »Ein netter Mensch, hilfsbereit. Leider ist er etwas verschroben. Kommt von der Philosophie her. Mit ihm ist jetzt nichts mehr anzufangen. Kommen Sie, wir sehen, ob Maud schon zurück ist!«

»Was Oakley gesagt hat, leuchtet mir ein«, meinte Daniel. »Was halten Sie davon?«

»Sinnlos, darüber zu diskutieren. Er sagte es doch selbst: eine rhetorische Frage. Womit haben wir uns auseinanderzusetzen – mit Daten, mit Realprozessen? Ganz egal, was es ist, es bereitet uns dasselbe Kopfzerbrechen, stellt dieselben Probleme.« Larry machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was nicht unterscheidbar ist, ist identisch. Folglich ist kein Unterschied zwischen einer wirklichen und einer vorgetäuschten Welt.«

Schon von weitem sahen sie Maud. Sie kam ihnen ein paar Schritte entgegen. »Leider hatte ich Pech. Wir nahmen VASAGIN; hatten eine schöne Stunde. Als ich aufwachte, war er verschwunden.«

*

Feuchte, dampfende Luft wehte ihm entgegen. Schriller Lärm – Geschrei. Stimmen, kreischend, unverständlich.

Er trat aus der Kabine. Die Sohlen klebten am Boden. Jeder Schritt hinterließ eine nasse Spur.

Nebel. Gedämpftes Licht. Hinter weißgrauen Massen waren die Neonröhren an der Decke von einem schimmernden Hof umgeben. Man konnte nicht weit sehen, einige Meter vielleicht. Vor ihm eine Wand, mit glitzernden Tröpfchen beschlagen. Er tastete sich weiter, bog um eine Ecke...

Ein größerer Raum, ein Saal, der Nebel hier weniger dick. Eine Woge von Geschrei brandete ihm entgegen.

»Platz da, ausweichen!«

Ein Rauschen wie von starken Düsen. Ein Luftkissenwagen dicht hinter ihm... er sprang beiseite. Ein Primi saß am Steuer des Fahrzeugs, vom überhöhten Sitz blickte er herab, drehte den Kopf ruckartig nach allen Seiten.

Schrilles Geschrei aus dem Wagen, der von einer Balustrade umgeben war. Menschliche Köpfe tauchten dahinter auf, verschwanden, tauchten wieder auf. Seltsame Gesichter, glatt, mit kurzen, platten Nasen, großen Augen, die Schädel wollig behaart.

Der Wagen hielt nicht weit von Daniel. Eine Schwenktür öffnete sich, und die Insassen hüpften heraus, wieder laut schreiend, lachend, schluchzend, sie drängten, sie stießen einander an, fielen, der Primi sprang umher, wies ihnen die Richtung, half den Gefallenen auf, fing einige ein, die offenbar fliehen wollten, schob und zerrte sie hinüber, zu einem Objekt, einer Art Maschine, deren Zweck Daniel unerklärlich blieb – einige Stufen zu einem langgestreckten Sockel, Gestänge, ähnlich der Startvorrichtung einer Rennbahn von Robotautos.

Die kleinen Menschen liefen auf dieses Ding zu, oder sie wurden hingedrängt, stellten sich auf ein Band, eine Lauffläche, die über zwei langgestreckte Zylinder lief. Mutanten? Zwerge? Kranke? Daniel hatte noch nie so viele Entartete beisammen gesehen – der Anblick entsetzte ihn: Viel zu große Köpfe saßen auf schmächtigen nackten Körpern, und zu diesem Mißverhältnis kam noch ein psychischer Defekt: Einige Worte, mit hohen Stimmen herausgeschrien, konnte er nun verstehen, doch es fiel ihm schwer, den Sinn dahinter zu entdecken; es waren Worte ohne Zusammenhang, vielleicht Anfeuerungen, vielleicht Schimpfworte. Irre?

Plötzlich spürte er sich am Ärmel gepackt und zum Steg gezerrt, auf dem sich nun alle in einer Reihe aufgestellt hatten. Er wollte protestieren, doch da bewegte sich das Band, auf dem er stand, unter seinen Füßen, ein Geländer hatte sich um ihn geschlossen, er konnte nicht mehr absteigen, und wenn er nicht fallen wollte, mußte er Schritte machen, zuerst langsam, dann schneller, er kam noch mit, aber die Laufgeschwindigkeit nahm weiter zu, er geriet in einen mechanischen Trott, einige Sekunden lang kam so etwas wie Ehrgeiz in ihm hoch, die Stimmung eines Wettbewerbs, die gestellte Aufgabe bereitete ihm keine Schwierigkeiten, er bewältigte sie mühelos, er war der Maschinerie überlegen...

Zwei Dutzend der entarteten Geschöpfe mühten sich neben ihm, eine Reihe von strampelnden Gestalten, die er um Kopfeslänge überragte, ihre Schreie waren nun seltener zu hören, manche klangen erstickt oder klagend, dafür war der Saal nun von keuchendem Atem erfüllt, schwarze und blonde Schöpfe flogen, magere Arme suchten an dem Geländer nach Halt...

Daniel merkte, daß er müde wurde. Es hatte den Anschein, als liefe das Band stets ein wenig schneller, als es seinem eigenen Lauftakt entsprach; so war er gezwungen, das Tempo zu beschleunigen, schneller zu laufen, obwohl es sinnlos war, dem Band entkommen zu wollen. Nur vorn war das Geländer offen – lief man schnell genug, so erreichte man das rettende Podest... Ruhe – jetzt traten alle Fragen, Vermutungen und Erwartungen in den Hintergrund, seine Gedanken kreisten nur noch um die Bewegung der Beine, um das Tempo, die Müdigkeit, das sichere Ufer des Podests.

Worum lief er? Worum ging es? Sein Blick war nach vorn gerichtet – dort sah man eine Skala, vertikal angeordnet, ein rotes Licht stieg und sank, pendelte bald ein Stück höher, bald ein Stück tiefer auf und ab. Darunter, auf einer Schale, lag ein kleiner blinkender Gegenstand, silbern und rot.

Ihm war, als füllten sich seine Schenkel mit Blei. Er war solche Anstrengungen nicht gewohnt, sein Körper war schwerer als jene der anderen Läufer rechts und links von ihm. Er nahm seine ganze Kraft zusammen, konzentrierte sich auf eine große Anstrengung und erhöhte schlagartig das Lauftempo, um auf das Podest springen zu können. Genau so rasch aber beschleunigte das Band seinen Lauf, und nun mußte er das erhöhte Tempo durchhalten, das die letzten Reserven aus ihm peitschte.

Er taumelte, drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Er tastete nach dem Geländer, um sich zu stützen, doch zuckte seine Hand zurück, noch bevor er sich des Schmerzes bewußt wurde: das Geländer war elektrisch geladen.

Laufen und kein Ende...

Er war über sich selbst verwundert, daß er noch durchhielt. Seine Beine bewegten sich gegen den Widerstand einer zähen Masse, die Anstrengung, dagegen anzukämpfen, war schmerzhaft.

Er wurde langsamer...

Auch die Laufgeschwindigkeit des Bandes ließ nach, aber nicht genug – es lief immer noch schnell.

Daniel schwankte hin und her, stürzte. Das Band trug ihn nach hinten, er prallte an einer Wand an, ein elektrischer Schlag, er überschlug sich, rollte... immer wieder wurde er gegen das Geländer geschleudert, er kugelte auf dem Band, prallte auf...

Stille...

Nur ein paar Sekunden, dann wieder Geschrei – gierig, triumphierend.

Er fühlte sich emporgehoben, auf die Beine gestellt. Ein Primi stand dicht neben ihm, stützte ihn. Der Primi hielt ihn zurück, griff nach dem glänzenden Gegenstand, schälte ihn aus dem Papier, ein hellbrauner Klumpen war darin eingewickelt, eiförmig... Die Hand des Primis vor seinem Mund, drückte die weiche, klebrige Masse darauf. Daniel wehrte sich, doch gegen die Kraft des Primi konnte er nichts ausrichten. Er mußte die Kiefer öffnen... sein Mund war ausgefüllt von einem penetrant süß schmeckenden Kloß... er rang nach Luft, kämpfte mit einem Erstickungsanfall, schluckte, klebriger Brei lief ihm aus den Mundwinkeln, er hustete...

Das Ärgste war vorüber, die Masse löste sich rasch auf, einen Teil würgte er hinunter, einen Teil spuckte er aus.

Inzwischen hatte ihn der Primi mit sich gezerrt, ihn auf das Luftkissenfahrzeug geschoben... plötzlich sah er sich inmitten der kleinen Wesen, die zwar noch immer schrien, aber nicht mehr so laut, ihre Unruhe schien gedämpft, einige saßen am Boden und leckten an der süßen Speise, beschmierten dabei Hände und Gesicht, kauten und schmatzten.

Das Gefährt setzte sich in Bewegung.

Bald glitt es rasch dahin, durch Dampfschwaden hindurch, durch lange Gänge, um Ecken herum, stets, wenn sie eine Kurve nahmen, fielen die kleinen Menschen durcheinander, rissen sich gegenseitig um, quiekten, balgten sich. Dabei kamen sie oft nahe an Daniel heran, die Ladefläche war klein, der Raum beengt. Daniel konnte ihren Geruch spüren, der ihn an parfümierte Haut und Exkremente erinnerte, sie berührten ihn schamlos mit ihrer blassen, feuchten, weichen Haut, was ihm äußerst unangenehm war. Auch seine Haut war feucht von Schweiß, an seiner Kleidung hatten sich Wassertröpfchen abgesetzt, die den Stoff schwer machten, die Hosenbeine hingen schlaff herab und klebten an den Knien.