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Auf der nächsten Etage angekommen, ruhte sich Dan erst einmal aus, bevor er den Sender wieder in Betrieb setzte. Sonja meldete sich sofort, eine Spur lauter – zweifellos kamen sie einander näher.

Der Raum, in dem sich Dan jetzt aufhielt, war stark beschädigt, die Decke war herabgestürzt, die Trümmer auf dem Boden verstreut, eine Seite war von Schutt verschlossen, die andere schien unbeschädigt, doch gab es keine Türen, durch die er diesen Ort hätte verlassen können, um sich nach weiteren Möglichkeiten zum Aufstieg umzusehen.

Er suchte sorgfältig, aber er fand nichts. Nur eine Tür stand offen; sie führte in einen Schacht, offenbar den Schacht eines Lifts. Dan wollte sich schon abwenden, als er das glühende Lämpchen an der Schalttafel sah. Sollte der Lift noch funktionsfähig sein?

Er drückte die Taste.

Irgendwo unten hörte er ein Knirschen und Prasseln. Zwei Seile bewegten sich – das Unerwartete geschah, der Lift war intakt.

Der Lärm kam näher. Mitunter polterte es, krachte es, dröhnte es... ein Schuttberg tauchte auf – das Dach der Kabine war von Trümmern bedeckt, die sie mit emporhob. Mit einem ohrenzerreißenden Kreischen kam der Kasten zum Stillstand. Das sah nicht vertrauenerweckend aus, aber Dan blieb nichts anderes übrig – er wagte den Schritt und hielt sich am Tragseil fest. Er drückte den Start-Knopf für das oberste Stockwerk, und nach einem Ächzen, das spürbar durch die Seile lief, setzte sich der Lift in Bewegung.

Die Kabine hing schief, von Zeit zu Zeit streifte sie die Wand, schlug auf, prallte ab – es polterte und ruckte, von oben prasselte Schutt auf das Dach, darunter auch größere Brocken, die die Kabine aus dem Gleichgewicht brachten und an ihrem Tragseil schwanken ließen.

Es war nicht festzustellen, wieviel Stockwerke die Fahrt überwand... sie endete mit einem gewaltigen Stoß, der Dan gegen die Wand warf. Jetzt schien ein schweres Gewicht auf dem Dach zu lasten, die Kabine sackte zentimeterweise ab.

Vor Dan ein mattes Leuchten – es ging von einigen Xenonröhren aus, die an einem Stück unversehrter Decke erhalten geblieben waren. Sonst war wenig von Decken und Wänden zu sehen – der Raum war nichts als eine zufällig offen gebliebene Höhle in einem Berg von Schutt.

Die Rucke, mit denen die Liftkabine tiefer sackte, folgten nun rascher aufeinander, an der offenen Vorderfläche, am Ausstieg, der nun ins Leere führte, fielen Schuttfontänen vorbei, eine Wolke von Staub füllte die Kabine. Der Aufenthalt wurde immer gefährlicher, und als der nächste Ruck nun so stark war, daß er Dan in die Knie zwang, wartete dieser nicht länger ab, sondern schwang sich auf eine Querstrebe, einen Teil des Stützgerüsts, das nun entkleidet war wie ein Skelett.

Es war schwer, auf der schmalen Unterlage Halt zu finden. Dan ging in die Hocke und klammerte sich mit beiden Händen an einem lockeren Rest der Wandverkleidung fest. Neben ihm sackte die Kabine Stück für Stück tiefer und verschwand im Schacht. Dan hätte sich gern davon überzeugt, ob er dem Sender näher gekommen war, doch er hatte keine Hand frei, um den Apparat aus der Tasche zu ziehen und auf Empfang zu schalten. Im Moment war es wichtiger, aus der Reichweite der Schuttlawinen zu kommen, die immer noch herunterprasselten. Vorsichtig balancierend, leicht an der herabhängenden Kunststoffplatte abgestützt, schob er sich nach links, wodurch er in die Nähe einer Schutthalde kam, über die er festen Boden zu erreichen hoffte. Es gelang ihm, bis auf zwei Meter an sie heranzukommen, er befand sich schräg über ihr, und es blieb ihm keine andere Wahl, als zu springen. Er lockerte den Griff seiner Finger, ließ los, schwang sich zur Seite... er spürte nachgiebige Massen, sank bis zur Hüfte ein, dann geriet er ins Gleiten... fuhr talwärts, eine Stange rammte sich in seinen Bauch, er versuchte auszuweichen... ein Berg von Gerümpel kollerte über ihn hinweg... er riß sich die Wange an einem zerfetzten Drahtnetz auf... war eingezwängt... kam zum Stillstand, rang nach Atem... den Mund hatte er voll Fasern, er hustete und keuchte beim Versuch, sie auszuspucken.

Als er sich aufrichten wollte, fühlte er Widerstand. Auf einem Bein lag ein harter Gegenstand, er war eingeklemmt... Glücklicherweise war das Gerümpel nicht schwer, hatte sich noch nicht verfestigt, und als er sich ein wenig erholt hatte, konnte er es beiseite schichten, den Untergrund lockern und das Bein befreien. Er kroch noch ein wenig tiefer... hier war der Boden sicherer, er fühlte einen weichen Belag, darunter festes Material.

Nicht weit von ihm ein polterndes Geräusch, Bewegung – plötzlich erschien wieder die Aufzugkabine, fuhr schwingend und schwankend aufwärts... stieß an einen querliegenden, umgestürzten Pfeiler... dieser gab nach, eine Seite hob, die andere senkte sich, eine Staubwolke... dann ein lautes Splittern und Krachen... ein Aufschlag, tief unten. Als sich der Staub verzogen hatte, war die Kabine nicht mehr da, das Tragseil baumelte leer im Schacht.

Dan griff nach dem Sender – er hatte immer wieder danach gefühlt und darauf geachtet, ihn nicht zu verlieren. Jetzt drückte er die Empfangstaste. »... hier spricht Sonja, hallo, Dan, wir rufen dich, peile unseren Sender an, folge der Richtung, hallo Dan, hier spricht...«

Er schaltete wieder aus. Der Empfang war merklich besser geworden. Es konnte nicht mehr weit sein.

Wieder ein entnervendes Anlaufen gegen abgleitende Trümmerberge – dort oben eine dunkle Nische... vielleicht der rettende Ausschlupf. Er erreichte ein Stück festen Bodens, befand sich nun über den Lampen, ihr Schein erfaßte ihn nur noch indirekt im Widerschein der Schuttberge und Trümmer, und das reichte nicht aus, um zu erkennen, welche der dunklen Öffnungen zwischen größeren Stücken in Sackgassen und welche weiter führten.

Er horchte in das Dunkel hinein – ein Rieseln, und ein Schleifen, sonst nichts. Plötzlich berührte ihn etwas kühl an der Wange: Zugluft! Ein untrügliches Zeichen: Hier mußte eine Verbindung bestehen. Mehr auf die tastenden Hände als auf die Augen angewiesen, kroch Dan in den Hohlraum hinein. Es wurde enger, er mußte sich niederlegen. Er rief: »He! Pavel, Tibor! Hört ihr mich?«

Keine Antwort. Was blieb übrig, als es zu riskieren! Auf dem Bauch liegend schob er sich vorwärts. Erst bemühte er sich, die Decke nicht zu berühren, dann wurde sie so niedrig, daß sich an seinem Rücken Bruchstücke bewegten. Er hoffte nur, daß sich kein schwerer Brocken lockerte, dessen Last ihn erdrücken würde.

Sein Atem ging laut wie ein Blasebalg. Er mußte rasten. Als er weiterkriechen wollte, stieß er auf Widerstand. Hier war der Hohlraum zu Ende.

Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und Müdigkeit überkamen ihn. Er legte den Kopf auf die vorgestreckten Hände und schloß die Augen.

Nach einer Weile hatte er sich so weit erholt, um den Sender aus der Tasche nesteln zu können. Sonjas Stimme war jetzt ganz nah. »... Dan, wir rufen dich, peile unsern Sender an...«

So knapp vor dem Ziel durfte er nicht aufgeben. Er richtete sich auf, so gut es ging, und versuchte, den Schutt, der ihm den Weg versperrte, beiseite zu räumen. Den Sender hatte er eingesteckt, aber nicht abgeschaltet, und so begleitete ihn Sonjas warme Stimme: »Hallo, Dan, wir rufen dich...«

Die übereinandergetürmten Massen waren ineinander verkeilt, doch bei seiner Wühlarbeit brachte er sie in Bewegung, neben ihm brach ein schweres Stück durch, er hörte es nur, er arbeitete nun im Finstern, kümmerte sich nicht darum, fürchtete sich nicht mehr, war abgestumpft, gleichgültig geworden, und doch konnte er nicht aufgeben, solange er Sonjas Stimme hörte.