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»Der Hurensohn ist der reinste Puritaner«, beklagte sich Ken Bailey. Sie saßen um Mitternacht im Konferenzraum, wenige Stunden bevor der Vaterschaftsprozeß beginnen sollte. »Ich habe mit einem der Anwälte in Davis' Büro gesprochen, Jennifer. Sie werden unsere Klientin in der Luft zerreißen. Sie bluffen nicht.«

»Warum hältst du deinen Hals für dieses Mädchen hin?« fragte Dan Martin.

»Ich bin nicht hier, um ihr Geschlechtsleben zu beurteilen, Dan. Sie glaubt, daß Curtis Randall der Vater ihres Babys ist. Ich meine, sie glaubt wirklich daran. Sie will das Geld für ihre Tochter - nicht für sich. Ich denke, Sie verdient ihren Prozeß.«

»Wir denken nicht an sie«, antwortete Ken. »Wir denken an dich. Du hast eine Glückssträhne. Jedermann beobachtet dich. Ich glaube, dies ist ein aussichtsloser Fall. Du stellst dir selber ein schlechtes Zeugnis aus.«

»Laßt uns ins Bett gehen«, sagte Jennifer. »Ich sehe euch morgen im Gericht.«

Die Verhandlung lief noch schlechter, als Ken vorhergesagt hatte. Jennifer hatte Loretta Marshal ihr Baby mit in den Gerichtssaal bringen lassen, aber jetzt fragte sie sich, ob das nicht ein taktischer Fehler gewesen war. Hilflos mußte sie zusehen, wie Roger Davis einen Zeugen nach dem anderen in den Stand rief und jeden von ihnen zwang, zuzugeben, daß er mit Loretta Marshal geschlafen hatte. Jennifer wagte nicht, sie ins Kreuzverhör zu nehmen. S ie waren Opfer, und sie machten ihre Aussage in aller Öffentlichkeit nur, weil man sie dazu gezwungen hatte. Jennifer konnte nichts tun, als dabeizusitzen, während der Name ihrer Mandantin in den Schmutz gezogen wurde. Sie beobachtete die Gesichter der Geschworenen und bemerkte die wachsende Feindseligkeit darin. Roger Davis war zu klug, um Loretta Marshal zur Hure zu stempeln. Er mußte es auch nicht. Die Geschworenen taten es für ihn. Jennifer hatte ihre eigenen Leumundszeugen herbeigeschafft, deren Aussage n Loretta Marshals gute Arbeit als Lehrerin hervorhoben, die bestätigten, daß sie regelmäßig zur Kirche ging und eine gute Mutter war; aber all das wirkte gegenstandslos angesichts der Schar ihrer Liebhaber. Jennifer hatte gehofft, die Sympathie der Jury dadurch gewinnen zu können, daß sie die hoffnungslose Lage einer jungen Frau, die von einem reichen Playboy betrogen und dann verlassen worden war, als sie ein Kind bekommen hatte, in den dramatischsten Farben schilderte. Aber der Verlauf der Verhandlung machte ihr diesen Schachzug unmöglich.

Curtis Randall saß am Tisch des Angeklagten. Er hätte von einem Besetzungsbüro ausgewählt sein können. Er war ein elegant aussehender Mann Ende Fünfzig, mit grauen Haarsträhnen und einem sonnengebräunten, ebenmäßigen Gesicht. Er stammte aus einer gehobenen Gesellschaftsschicht, gehörte den richtigen Clubs an, war reich und erfolgreich. Jennifer ahnte, wie die weiblichen Geschworenen ihn im Geist auszogen.

Sicher, dachte Jennifer. Sie denken, daß sie es wert wären, mit unserem Charmebolzen ins Bett zu gehen, aber nicht diese Was-findet-er-bloß-an-ihr-Schlampe mit ihrem zehn Monate alten Baby im Arm. Unglücklicherweise sah das Kind nicht im geringsten aus wie sein Vater. Nicht einmal wie seine Mutter, was das betraf. Es hätte jedem gehören können.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Roger Davis zu der Jury: »Da sitzen sie, meine Damen und Herren, Mutter und Kind. Ja, aber wessen Kind? Sie haben den Beklagten gesehen. Ich fordere jeden hier im Saal auf, eine einzige Ähnlichkeit zwischen dem Angeklagten und dem Kind nachzuweisen. Wenn mein Klient der Vater des Kindes wäre, gäbe es doch wenigstens ein Zeichen dafür. Irgend etwas in den Augen, der Nase, dem Kinn. Wo ist die Ähnlichkeit? Es gibt keine, und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Der Angeklagte ist nicht der Vater des Kindes. Nein, ich fürchte, wir haben hier den klassischen Fall eines losen Frauenzimmers, das nicht aufgepaßt hat, schwanger geworden ist und sich dann überlegt hat, welcher Liebhaber am ehesten in der Lage wäre, die Rechnungen zu bezahlen.«

Seine Stimme wurde sanfter. »Nun, niemand von uns ist hier, um über sie zu richten. Wie Loretta Marshal ihr Privatleben gestaltet, ist ihre eigene Sache. Die Tatsache, daß sie Lehrerin ist und die Entwicklung kleiner Kinder beeinflussen kann, nun, auch das gehört nicht zu meinem Wirkungsbereich. Ich bin nicht hier als Moralapostel. Ich bin lediglich hier, um die Interessen eines unschuldigen Mannes zu schützen.« Jennifer betrachtete die Jury, und sie hatte das deprimierende Gefühl, daß sie völlig auf Curtis Randalls Seite war. Jennifer glaubte Loretta Marshal immer noch. Wenn das Baby wenigstens wie sein Vater ausgesehen hätte! Aber Roger Davis hatte recht. Es bestand nicht die geringste Ähnlichkeit. Und er hatte darauf geachtet, daß es jedem auffiel.

Jennifer rief Curtis Randall in den Zeugenstand. Es war ihre einzige Chance, den Schaden wieder auszumerzen, der bereits angerichtet war, und dem Prozeß eine andere Wendung zu geben. Sie betrachtete den Mann im Zeugenstand einen Augenblick lang. »Sind Sie je verheiratet gewesen, Mr. Randall?«

»Ja. Meine Frau kam bei einem Brand ums Leben.« Die Sympathie der Geschworenen stieg noch.

Verflucht! Jennifer fuhr schnell fort. »Sie haben nicht noch einmal geheiratet?«

»Nein. Ich habe meine Frau sehr geliebt, und ich...«

»Hatten Sie und Ihre Frau Kinder?«

»Nein. Leider konnte sie keine haben.« Jennifer deutete auf das Baby. »Dann ist Melanie Ihr einziges...«

»Einspruch!«

»Stattgegeben. Der Vertreter der Klägerin sollte es besser wissen.«

»Entschuldigung, Euer Ehren. Es war ein Ausrutscher.« Jennifer wandte sich wieder an Curtis Randall. »Mögen Sie Kinder?«

»Ja, sehr sogar.«

»Sie sind der Aufsichtsratsvorsitzende Ihrer eigenen Firma, Mr. Randall?« »Ja.«

»Haben Sie sich nie eine n Sohn gewünscht, der Ihren Namen trägt?«

»Ich nehme an, jeder Mann wünscht sich das.«

»Angenommen, Melanie wäre ein Junge statt eines...«

»Einspruch!«

»Stattgegeben.« Der Richter wandte sich an Jennifer. »Miß Parker, ich fordere Sie noch einmal auf, das zu unterlassen.«

»Entschuldigung, Euer Ehren.« Jennifer wandte sich wieder Curtis Randall zu. »Mr. Randall, ist es Ihre Gewohnheit, fremde Frauen aufzugabeln und in Hotels mitzunehmen?« Curtis Randall leckte sich nervös über die Unterlippe. »Nein.«

»Dann stimmt es nicht, daß Sie Loretta Marshal in einer Bar kennengelernt und sie dann in Ihr Hotelzimmer mitgenommen haben?«

Wieder bearbeitete seine Zunge die Lippen. »Doch, Ma'am, aber da ging es - da ging es nur um Sex.« Jennifer starrte ihn an. »Sie sagen das, als hätten Sie das Gefühl, Sex sei etwas Schmutziges.«

»Nein, Ma'am.« Seine Zunge stieß wieder hervor. Jennifer beobachtete fasziniert, wie sie über seine Lippen strich. Plötzlich spürte sie eine wilde Hoffnung. Sie wußte jetzt, was sie tun mußte. Sie mußte ihn weitertreiben. Dennoch konnte sie ihn nicht so heftig bearbeiten, daß es die Jury gegen sie einnahm.

»Wieviel Frauen haben Sie in Bars aufgegabelt?« Roger Davis war auf den Füßen. »Unerheblich, Euer Ehren. Und ich erhebe Einspruch gegen diese Art de r Befragung. Die einzige Frau, um die es in diesem Fall geht, ist Loretta Marshal. Wir haben bereits festgestellt, daß der Angeklagte Geschlechtsverkehr mit ihr hatte. Davon abgesehen hat sein Privatleben keine Bedeutung in diesem Prozeß.«

»Ich bin anderer Ansicht, Euer Ehren. Wenn der Angeklagte zu den Männern gehört, die...«

»Stattgegeben. Bitte unterlassen Sie solche Fragen, Miß Parker.«

Jennifer zuckte mit den Schultern. »Ja, Euer Ehren.« Sie wandte sich wieder an Curtis Randall. »Lassen Sie uns zu der Nacht zurückkehren, in der Sie Loretta Marshal in einer Bar aufgegabelt haben. Was war das für eine Bar?«

»Ich - ich weiß es wirklich nicht. Ich war nie vorher da.« »Es war eine Singles-Bar, oder?« »Ich habe keine Ahnung.«