»Nun, zu Ihrer Information, das Play Pen war und ist eine Singles-Bar. Es hat den Ruf, ein Aufreißschuppen zu sein, ein Treffpunkt für Männer und Frauen, die jemanden fürs Bett suchen. Sind Sie nicht selber deswegen dort gewesen, Mr. Randall?«
Curtis Randall begann erneut, seine Lippen abzulecken. »Es -es kann sein. Ich weiß nicht mehr.«
»Sie wissen nicht mehr?« Jennifers Stimme troff vor Sarkasmus. »Erinnern Sie sich zufällig noch an das Datum, wann Sie Loretta Marshal das erste Mal in dieser Bar trafen?«
»Nein. Nicht genau.«
»Dann lassen Sie mich Ihr Gedächtnis auffrischen.« Jennifer ging zum Tisch der Anklage und sichtete einige Papiere. Sie kritzelte eine Notiz, als schriebe sie ein Datum ab, und reichte sie Ken Bailey. Er studierte sie, einen verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht.
Jennifer ging wieder zum Zeugenstand. »Es war der achtzehnte Januar, Mr. Randall.« Aus den Augenwinkeln sah sie Ken Bailey den Gerichtssaal verlassen.
»Es könnte stimmen, nehme ich an. Wie ich schon sagte, ich erinnere mich nicht.«
In den nächsten fünfzehn Minuten fuhr Jennifer mit der Befragung von Curtis Randall fort. Es war ein zielloses, sanftes Kreuzverhör, und Roger Davis verzichtete auf Unterbrechungen, denn er merkte, daß Jennifer bei den Geschworenen keine Punkte gewann. Sie wirkten sogar leicht gelangweilt. Jennifer sprach weiter und hielt aus den Augenwinkeln Ausschau nach Ken Bailey. Mitten in einer Frage sah sie ihn hereineilen, unter dem Arm ein kleines Paket. Jennifer wandte sich an den Richter. »Euer Ehren, darf ich um eine Viertelstunde Pause bitten?«
Der Richter blickte auf die Uhr an der Wand. »Da es fast Zeit zum Mittagessen ist, wird die Verhandlung bis halb zwei vertagt.«
Um ein Uhr dreißig war die Sitzung wieder eröffnet. Jennifer hatte Loretta Marshal näher an die Geschworenenbank gesetzt, das Baby auf ihrem Schoß.
Der Richter sagte: »Mr. Randall, Sie stehen immer noch unter Eid. Sie werden nicht noch einmal vereidigt. Treten Sie bitte in den Zeugenstand.«
Jennifer sah zu, wie Curtis Randall sich in den Zeugenstand setzte. Dann trat sie zu ihm und fragte: »Mr. Randall, wie viele uneheliche Kinder haben Sie gezeugt?« Roger Davis sprang auf. »Einspruch! Das ist empörend, Euer Ehren. Ich lasse nicht zu, daß mein Mandant einer solchen Demütigung ausgesetzt wird.«
Der Richter sagte: »Einspruch stattgegeben.« Er wandte sich an Jennifer. »Miß Parker, ich habe Sie gewarnt...« Jennifer sagte zerknirscht: »Es tut mir leid, Euer Ehren.« Sie blickte auf Curtis Randall und sah, daß sie erreicht hatte, was sie wollte. Nervös leckte er sich über die Lippen. Jennifer wandte sich an Loretta Marshal und ihr Baby. Das Baby war eifrig damit beschäftigt, seine Lippen abzulecken. Langsam ging Jennifer zu dem Baby und blieb lange Zeit vor ihm stehen, um die Aufmerksamkeit der Jury zu sammeln. »Sehen Sie sich das Kind an«, sagte sie weich. Alle starrten auf die kleine Melanie, deren rosa Zunge ihre Unterlippe ableckte.
Jennifer drehte sich um und ging zurück zum Zeugenstand. »Und betrachten Sie diesen Mann!«
Zwölf Augenpaare richteten sich auf Curtis Randall. Er saß da, leckte nervös an seiner Unterlippe, und plötzlich war die Ähnlichkeit unübersehbar. Vergessen war die Tatsache, daß Loretta Marshal mit Dutzenden anderer Männer geschlafen hatte. Vergessen war die Tatsache, daß Curtis Randall ein Pfeiler der Gesellschaft war.
»Dies ist ein Mann«, sagte Jennifer traurig, »von Einfluß und Bedeutung. Ein Mann, zu dem jeder aufsieht. Ich stelle Ihnen nur eine Frage: Was für ein Mann ist das, der sein eigenes Kind verleugnet?«
Die Jury war nicht einmal eine Stunde im Beratungsraum. Als sie zurückkehrte, gab sie der Klägerin recht. Loretta Marshal würde zweihunderttausend Dollar in bar und weitere zweitausend Dollar monatlich zur Unterstützung ihres Kindes erhalten.
Als das Urteil gefällt war, näherte sich Roger Davis Jennifer mit vor Wut gerötetem Gesicht. »Was haben Sie mit dem Baby angestellt?«
»Wie meinen Sie das?«
Roger Davis zögerte, seiner selbst nicht sicher. »Diese Sache mit den Lippen. Das hat die Jury überzeugt, das Baby, das sich genau, wie Randall die Lippen abgeleckt hat. Können Sie das erklären?«
»Nun«, sagte Jennifer hochmütig, »das kann ich in der Tat. Man nennt es Vererbung.« Und sie ging davon.
Jennifer und Ken Bailey entledigten sich auf dem Weg zurück ins Büro der Maissirupflasche.
16
Beinahe von Anfang an hatte Adam Warner gewußt, daß seine Heirat mit Mary Beth ein Fehler gewesen war. Er hatte impulsiv und idealistisch gehandelt. Er hatte versucht, ein junges Mädchen zu beschützen, das verloren und verletzlich der Welt ausgeliefert schien.
Er hätte alles dafür gegeben, Mary Beth nicht weh tun zu müssen, aber er war von tiefer Liebe zu Jennifer erfüllt. Er brauchte jemanden, mit dem er sprechen konnte, und schließlich entschied er sich für Stewart Needham. Stewart hatte immer für alles Verständnis gehabt. Er würde Adams Lage begreifen. Aber ihr Gespräch verlief etwas anders, als Adam geplant hatte. Als er Needhams Büro betrat, sagte der Seniorpartner: »Gerade im richtigen Moment. Ich habe eben mit dem Wahlgremium telefoniert. Sie fordern dich offiziell auf, für den Senat der Vereinigten Staaten zu kandidieren. Du hast die volle Unterstützung der Partei.«
»Ich - das ist großartig«, sagte Adam. »Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, mein Junge. Wir müssen alles durchorganisieren. Ich stelle ein Komitee zusammen, das sich um die Wahlspenden kümmert. Ich glaube, hiermit sollten wir beginnen...«
Die nächsten zwei Stunden verbrachten sie damit, Pläne für die Wahlkampagne zu diskutieren. Als sie fertig waren, sagte Adam: »Stewart, ich möchte gern noch über etwas Privates mit dir sprechen.«
»Ich muß schnell zu einem Mandanten, Adam.« Und Adam hatte das plötzliche Gefühl, daß Stewart die ganze Zeit gewußt hatte, worüber er mit ihm reden wollte.
Adam war mit Jennifer in einem kleinen Restaurant an der West Side verabredet. Energiegeladen betrat er den Raum. Schon an seinem Gesichtsausdruck konnte Jennifer erkennen, daß etwas geschehen war.
»Ich habe eine kleine Neuigkeit für dich«, sagte Adam. »Ich bin gebeten worden, für den Senat zu kandidieren.«
»Oh, Adam!« Jennifer war plötzlich aufgeregt. »Das ist ja wunderbar. Du wirst einen phantastischen Senator abgeben.«
»Der Wahlkampf wird heiß werden. New York ist ein harter Staat.«
»Das ist unwichtig. Dich kann niemand aufhalten.« Und Jennifer wußte, daß ihre Worte wahr waren. Adam war intelligent und beherzt, bereit, für das zu kämpfen, woran er glaubte. So wie er einmal für sie gekämpft hatte. Sie ergriff seine Hand und sagte leise: »Ich bin so stolz auf dich, Liebling.«
»Langsam, noch bin ich nicht gewählt. Du weißt, was noch alles passieren kann.«
»Das ändert nichts daran, daß ich stolz auf dich bin. Ich liebe dich so sehr, Adam.«
»Ich liebe dich auch.«
Adam erwog, ihr von dem Gespräch mit Needham zu erzählen, aber er entschied sich dagegen. Das konnte warten, bis er die Dinge in Ordnung gebracht hatte. »Wann wirst du deine Kandidatur bekanntgeben?«
»Sie wollen, daß ich sofort anfange. Ich habe die einhellige Unterstützung der Partei.«
»Das ist ja phantastisch!«
Aber es gab noch etwas, das nicht phantastisch war, und es saß wie ein verdeckter Schmerz in Jennifers Kopf. Jennifer wollte es noch nicht in Worte kleiden, aber sie wußte, daß sie sich früher oder später damit auseinandersetzen mußte. Sie wollte, daß Adam gewann, aber das Rennen um einen Sitz im Senat würde wie ein Damoklesschwert über ihrem Kopf hängen. Wenn Adam gewann, würde sie verlieren - ihn verlieren. Bei allem, wofür er eintrat, konnte er sich keine Skandale im Privatleben leisten. Er war ein verheirateter Mann, und wenn bekannt wurde, daß er eine Geliebte hatte, kam das politischem Selbstmord gleich.