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»Michael Moretti.«

»Ach.«

»Er ist wirklich lästig. Als wir ihm nicht erzählen wollten, wo du bist, ließ er uns schwören, daß es dir gutgeht.«

»Vergiß Michael Moretti.«

Jennifer informierte sich über alle Fälle, die die Kanzlei übernommen hatte. Das Geschäft ging blendend. Sie hatten eine Menge wichtiger neuer Mandanten bekommen. Einige der älteren Klienten weigerten sich, mit irgend jemand außer Jennifer zusammenzuarbeiten, und hatten auf ihre Rückkehr gewartet.

»Ich rufe sie so bald wie möglich an«, versprach Jennifer. Sie sah den Rest der telefonischen Nachrichten durch. Ein Dutzend Anrufe von Mr. Adams waren verzeichnet. Vielleicht hätte sie Adam wissen lassen sollen, daß es ihr gutging und daß ihr nichts zugestoßen war. Aber sie wußte, daß sie es nicht ertragen konnte, seine Stimme zu hören, zu wissen, daß er in der Nähe war, daß sie ihn aber nicht sehen, berühren, umarmen konnte. Oder ihm von Joshua erzählen. Cynthia hatte einige Zeitungsartikel ausgeschnitten und zusammengeheftet, von denen sie glaubte, sie könnten Jennifer interessieren. Unter den Ausschnitten befand sich eine Fortsetzungsserie über Michael Moretti, in der er als der wichtigste Mafiaboß des Landes bezeichnet wurde. Unter einem Foto von ihm stand die Legende: Ich bin nur ein Versicherungskaufmann.

Es dauerte drei Monate, bis Jennifer ihren Rückstand aufgearbeitet hatte. Sie hätte es schneller schaffen können, aber sie legte Wert darauf, das Büro jeden Tag um vier Uhr zu verlassen, was auch immer anstand. Joshua wartete. Morgens, bevor Jennifer ins Büro ging, bereitete sie persönlich Joshuas Frühstück und spielte so lange wie möglich mit ihm, ehe sie das Haus verließ.

Wenn sie nachmittags nach Hause zurückkehrte, widmete sie Joshua ihre ganze Zeit. Sie zwang sich, ihre beruflichen Sorgen im Büro zurückzulassen, und lehnte alle Fälle ab, die sie von ihrem Sohn fernhalten könnten. Nichts durfte in ihre private Welt eindringen. Sie liebte es, Joshua laut vorzulesen. »Er ist ein Säugling, Mrs. Parker«, protestierte Mrs. Mackey. »Er versteht nicht ein einziges Wort von dem, was Sie sagen.« Aber Jennifer antwortete nur: »Joshua versteht.« Und sie las weiter.

Joshua war ein niemals endendes Wunder. Als er drei Monate alt war, begann er zu gurren und versuchte, mit Jennifer zu sprechen. Er spielte in seiner Krippe mit einem großen, rasselnden Ball und einem Spielzeughasen, den Ken ihm mitgebracht hatte. Als er sechs Monate war, versuchte er bereits aus seiner Krippe zu krabbeln, neugierig auf die Welt außerhalb. Jennifer hielt ihn in den Armen, und er griff mit seinen winzigen Händen nach ihren Fingern, und sie führten lange, ernsthafte Gespräche.

Jennifers Tage im Büro waren ausgefüllt. Eines Morgens erhielt sie einen Anruf von Philip Redding, dem Präsidenten einer großen Ölgesellschaft.

»Ich würde mich gern mit Ihnen treffen«, sagte er. »Ich habe ein Problem.«

Jennifer brauchte ihn nicht zu fragen, um welches Problem es sich handelte. Seine Gesellschaft war beschuldigt worden, Bestechungsgelder gezahlt zu haben, um im Nahen Osten ihren Geschäften nachgehen zu können. Die Vertretung der Firma würde ihr ein hohes Honorar einbringen, aber Jennifer hatte einfach keine Zeit.

»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich stehe nicht zur Verfügung, aber ic h kann Ihnen einen Kollegen empfehlen, der sehr gut ist.«

»Man hat mir gesagt, ich dürfe kein Nein akzeptieren«, erwiderte Philip Redding. »Wer hat das gesagt?«

»Ein Freund von mir. Richter Lawrence Waldman.« Jennifer glaubte, sich verhört zu haben. »Richter Waldman hat Sie gebeten, mich anzurufen?«

»Er sagte, Sie seien der beste Anwalt, den ich kriegen könnte, aber das wußte ich schon vorher.«

Jennifer hielt den Hörer in der Hand und dachte an ihre früheren Erfahrungen mit Richter Waldman und daran, wie sicher sie gewesen war, daß er sie haßte und erledigen wollte. »Einverstanden. Wir können morgen miteinander frühstücken«, sagte Jennifer.

Nach dem Gespräch mit Redding rief sie Richter Waldman an. »Nanu, wir haben ja schon lange nicht mehr miteinander gesprochen, junge Dame«, klang die vertraute Stimme aus dem Hörer.

»Ich möchte mich bedanken, weil Sie Philip Redding an mich verwiesen haben.«

»Ich wollte nur sichergehen, daß er sich in guten Händen befindet.«

»Ich weiß das zu schätzen, Euer Ehren.« »Was würden Sie von einem Abendessen mit einem alten Mann halten?«

Jennifer war sprachlos vor Überraschung. »Darüber würde ich mich sehr freuen.«

»Gut. Ich nehme Sie mit in meinen Klub. Ein Haufen alter Knöpfe, die nicht mehr an den Anblick einer schönen jungen Frau gewöhnt sind. Es wird sie ein bißchen aufrütteln.«

Richter Waldman gehörte der Century Association in der 43. Straße an, und als er und Jennifer sich zum Essen trafen, stellte sie fest, daß er sich bezüglich der alten Knöpfe einen Scherz geleistet hatte. Der Speisesaal wimmelte von Schriftstellern, Künstlern, Anwälten und Schauspielern. »Auf Vorstellung wird hier verzichtet«, erklärte Richter Waldman. »Man geht davon aus, daß jede Person sofort zu erkennen ist.«

Privat war Richter Waldman völlig anders, als Jennifer erwartet hatte. Während der Cocktails sagte er: »Ich wollte Sie damals ausgeschlossen sehen, weil ich dachte, Sie hätten unseren Stand in Verruf gebracht. Jetzt bin ich davon überzeugt, daß ich mich geirrt habe. Ich habe Ihren Weg genau verfolgt. Ich glaube, Sie gereichen unserem Beruf zur Ehre.« Jennifer war erfreut. Sie kannte Richter, die bestechlich, dumm oder unfähig waren. Lawrence Waldman respektierte sie. Er war sowohl ein brillanter Jurist als auch ein integrer Mensch. »Danke, Euer Ehren.«

»Warum gehen wir außerhalb des Gerichtssaals nicht zu Lawrence und Jennie über?«

Ihr Vater war der einzige Mann, der sie je Jennie genannt hatte.

»Gern, Lawrence.«

Das Essen war ausgezeichnet, und mit diesem Abend begann ein monatliches Ritual, das beide sehr genossen.

31

Es war Sommer 1974. Unglaublicherweise war schon ein ganzes Jahr seit Joshua Adam Parkers Geburt verstrichen. Er hatte seine ersten schwankenden Schritte getan und verstand die Worte für Nase und Mund und Kopf.

»Er ist ein Genie«, teilte Jennifer Mrs. Mackey schlicht mit.

Jennifer plante Joshuas erste Geburtstagsparty, als würde sie im Weißen Haus stattfinden. Am Samstag ging sie Geschenke einkaufen. Sie besorgte Joshua Kleider und Bücher und Spielzeug und ein Dreirad, mit dem er frühestens in einem oder zwei Jahren fahren konnte. Sie erstand kleine Gaben für die Nachbarskinder, die sie zu der Party eingeladen hatte, und sie verbrachte den Nachmittag damit, Papierschlangen aufzuhängen und Luftballons aufzublasen. Eigenhändig buk sie den Geburtstagskuchen und ließ ihn auf dem Küchentisch stehen. Irgendwie kam Joshua an den Kuchen heran, grapschte eine Handvoll davon und schob sie sich in den Mund, so daß Jennifers Meisterwerk ruiniert war, bevor die anderen Gäste eintrafen.

Neben einem Dut zend Nachbarkindern hatte Jennifer auch deren Mütter eingeladen. Der einzige erwachsene männliche Gast war Ken Bailey. Er brachte Joshua ein Dreirad mit, ein Duplikat von Jennifers Geschenk.

Jennifer lachte und sage: »Du bist aber dumm, Ken. Joshua ist doch noch viel zu klein für so was.«

Die Party dauerte nur zwei Stunden, aber sie war ein glanzvolles Ereignis. Die Kinder aßen zuviel, lagen krank auf dem Teppich, stritten sich um das Spielzeug und weinten, wenn ihre Ballons platzten, aber alles in allem, fand Jennifer, war es ein Triumph. Joshua war der perfekte Gastgeber gewesen und hatte sich, abgesehen von einigen unbedeutenden Zwischenfällen, als ein Mann von Selbstsicherheit und Würde gezeigt. In dieser Nacht saß Jennifer, nachdem alle Gäste gegangen waren und sie Joshua ins Bett gebracht hatte, an seinem Bettchen und betrachtete ihren schlafenden Sohn, staunte über dieses wunderbare Wesen, das aus ihrem Körper und Adam Warners Lenden gekommen war. Adam wäre stolz gewesen, wenn er gesehen hätte, wie Joshua sich entwickelte. Irgendwie war es nur eine halbe Freude, weil sie sie allein erlebte. Jennifer dachte an alle noch bevorstehenden Geburtstage. Joshua würde zwei werden, dann fünf, dann zehn und zwanzig. Er würde ein Mann werden und sie verlassen. Er würde sein eigenes Leben führen.