Warum, in Gottes Namen, zwangen ihn die Menschen immer wieder dazu, so furchtbare Dinge zu tun? Er war ein sanfter, friedlicher Mensch, aber wenn jeder gegen einen war und einen angriff, dann mußte man sich verteidigen. Das Problem der Leute war, daß sie ihn immer unterschätzten. Sie begriffen erst, wenn es zu spät war, daß er sie alle in die Tasche steckte.
Er hatte schon eine halbe Stunde vor Ankunft der Polizei gewußt, daß sie hinter ihm her waren. Er hatte gerade einen Chevrolet Camaro vollgetankt, als er seinen Boß ins Büro und ans Telefon gehen gesehen hatte. Jackson hatte die Unterhaltung nicht mithören können, aber das war auch nicht notwendig gewesen. Er hatte die versteckten Blicke gesehen, die sein Boß ihm zugeworfen hatte, als er in den Hörer sprach. Er hatte sofort begriffen, was vorging. Die Polizei war wieder hinter ihm her. Die Parker-Nutte hatte ihn hereingelegt, hatte die Bullen auf ihn gehetzt. Sie war wie alle anderen. Sein Boß telefonierte immer noch, als er schon seine Jacke geschnappt hatte und abgehauen war. In weniger als drei Minuten hatte er einen unverschlossenen Wagen gefunden und ihn kurzgeschlossen. Sekunden später war er auf dem Weg zu Jennifer Parkers Haus gewesen.
Jackson mußte seine Intelligenz wirklich bewundern. Wer außer ihm hätte schon daran gedacht, ihr zu folgen, um herauszufinden, wo sie wohnte? Er hatte das schon an dem Tag getan, an dem sie ihn auf Kaution freibekommen hatte. Er hatte auf der anderen Straßenseite vor ihrem Haus geparkt und war sehr überrascht, als sie am Tor von einem kleinen Jungen begrüßt wurde. Er beobachtete die beiden und hatte das Gefühl, daß der Junge gerade recht kam, sozusagen eine unerwartete Zugabe.
Jackson lächelte darüber, wie erschrocken die alte Hexe von einer Haushälterin gewesen war. Er hatte es genossen, ihr den Draht in Handgelenke und Fesseln zu drehen. Nein, nicht wirklich genossen. Er tat sich Unrecht. Es war notwendig. Die Haushälterin dachte, er wolle sie vergewaltigen. Sie verabscheute ihn. Alle Frauen taten das, außer seiner geliebten Mutter. Frauen waren schmutzig, unsauber, sogar seine Schwester, diese Hure. Nur die Kinder waren rein. Er dachte an das kleine Mädchen, das er sich genommen hatte. Sie war wunderschön gewesen, mit langen blonden Locken, aber sie hatte für die Sünden ihrer Mutter bezahlen müssen. Ihre Mutter hatte Jackson gefeuert. Die Leute hielten einen davon ab, sich auf anständige Weise den Lebensunterhalt zu verdienen, und dann bestraften sie einen, wenn man ihre dämlichen Gesetze brach. Die Männer waren schlimm genug, aber die Frauen waren noch schlimmer. Schweine, die den Tempel deines Körpers beschmutzen wollen. Wie diese Kellnerin Clara, die er nach Kanada mitnehmen wollte. Sie liebte ihn. Sie hielt ihn für einen Gentleman, weil er sie nie berührt hatte. Wenn die wüßte! Der Gedanke, mit ihr zu schlafen, machte ihn krank. Aber er würde mit ihr das Land verlassen, weil die Polizei nach einem einzelnen Mann ohne Begleitung suchte. Er würde sich den Bart abnehmen und das Haar schneiden lassen, und hinter der Grenze würde er Clara beseitigen. Darauf freute er sich schon jetzt. Frank Jackson ging zu einem ramponierten Koffer auf dem Gepäckhocker, öffnete ihn und holte einen Werkzeugkasten heraus. Er entnahm ihm einen Hammer und Nägel. Er legte sie auf den Nachttisch. Dann ging er ins Badezimmer und hob einen Zweiliterkanister Benzin aus der Badewanne. Er trug ihn ins Schlafzimmer und stellte ihn auf dem Boden ab. Joshua würde in Flammen aufgehen. Aber erst nach der Kreuzigung.
Zwei Uhr morgens
In ganz New York und über seine Grenzen hinaus breitete sich die Nachricht aus. Es begann in Bars und Bordellen. Ein vorsichtiges Wort hier und da, ein Flüstern in ein bereitwillig lauschendes Ohr. Zuerst war es nur ein Tröpfeln, aber nach und nach erreichte es billige Restaurants, laute Diskotheken und Zeitungsstände. Es erreichte Taxifahrer, Lasterkapitäne und die Mädchen an den Straßenecken. Es war wie ein Kiesel, der in einen tiefen, dunklen See geworfen wurde und immer größere Kreise zog. Innerhalb weniger Stunden wußte jeder auf den Straßen, daß Michael Moretti eine Information brauchte, und zwar schnell. Nicht viele Leute hatten jemals Gelegenheit, Moretti einen Gefallen zu erweisen. Diese Gelegenheit war Gold wert, denn Michael Moretti war ein Mann, der wußte, wie man sich dankbar erweist. Es hieß, daß er einen dünnen, blonden Burschen suchte, der wie Jesus Christus aussah. Die Leute begannen, ihr Gedächtnis zu durchforsten.
Zwei Uhr fünfzehn
Joshua Adam Parker seufzte im Schlaf, und Frank Jackson setzte sich neben ihn. Noch hatte er dem Jungen den Schlafanzug nicht ausgezogen. Jackson vergewisserte sich, daß Hammer und Nägel bereitlagen. Bei solchen Dingen konnte man nicht übergenau genug sein. Er würde Hände und Füße des Jungen an den Boden nageln, bevor er den Raum in Brand setzte. Natürlich könnte er das auch tun, während der Junge noch schlief, aber es wäre falsch gewesen. Es war wichtig, daß der Junge wach war und sehen konnte, was geschah, damit er wußte, daß er für die Sünden seiner Mutter bestraft wurde. Frank Jackson blickte auf seine Uhr. Um halb acht würde Clara ihn im Motel abholen. Noch fünf Stunden und fünfzehn Minuten. Jede Menge Zeit.
Frank Jackson studierte Joshua. Zärtlich strich er über eine widerspenstige Locke im Haar des Jungen.
Drei Uhr morgens
Michael bekam die ersten Telefonanrufe. Auf seinem Schreibtisch standen zwei Apparate, und es schien, daß in dem Augenblick, da er den Hörer des einen abhob, der andere zu klingeln begann.
»Ich habe eine Spur des Burschen, Mike. Vor ein paar Jahren hat er in Kansas City mit Big Joe Ziegler und Mel Cohen gesessen.«
»Scheiß auf das, was er vor ein paar Jahren getan hat. Wo ist er jetzt!«
»Big Joe behauptet, seit sechs Monaten nichts mehr von ihm gehört zu haben. Ich versuche, Mel Cohen zu erwischen.«
»Tu das!«
Der nächste Anruf brachte auch nicht mehr. »Ich war bei Jacksons Motel. Er ist ausgezogen. Er trug einen braunen Koffer und einen Zweiliterkanister. Könnte Benzin drin gewesen sein. Der Portier hat keine Ahnung, wohin er gegangen ist.«
»Was ist mit den Bars in der Gegend?«
»Einer der Bartender hat ihn nach der Beschreibung erkannt, aber er sagt, Jackson war kein Stammgast. Er kam zwei- oder dreimal nach der Arbeit.«
»Allein?«
»Dem Bartender zufolge, ja. Er schien sich nicht für die Mädchen da zu interessieren.«
»Kümmere dich um die Schwulenkneipen.«
Kaum hatte Michael aufgehängt, da klingelte das Telefon schon wieder. Es war Salvatore Fiore.
»Colfax hat mit Captain Notaras gesprochen. In der persönlichen Habe Jacksons soll sich die Quittung einer Pfandleihe befunden haben. Ich habe die Nummer der Quittung und den Namen des Pfandleihers. Ein Grieche, Gus Stavros. Nebenbei betätigt er sich als Hehler für heißen Schmuck.«
»Hast du das überprüft?«
»Das kann ich erst morgen früh, Mike. Jetzt haben die geschlossen. Ich...«
»Wir können nicht bis morgen warten!« explodierte Michael Moretti. »Beweg deinen Arsch zu der Pfandleihe, aber Tempo!«
Der nächste Anruf kam aus Joliet. Es fiel Michael schwer, etwas zu verstehen, denn der Anrufer hatte eine Kehlkopfoperation hinter sich, und seine Stimme klang, als käme sie aus einer Blechdose.
»Jacksons Zellengenosse war ein Mann namens Mickey Nicola. Sie haben sich ziemlich gut verstanden.« »Irgendeine Vorstellung, wo Nicola jetzt ist?«